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Ein Jahr ohne BiblisMarode Kraftwerke sind überflüssig

Seit einem Jahr liegt das Atomkraftwerk Biblis still. Die Grünen rechnen vor: Die Energie alter AKWs wird gar nicht mehr gebraucht.

Kann abgeschaltet bleiben: AKW Biblis. Bild: ap

WIESBADEN taz Deutschland kann gut auf seine maroden Atomkraftwerke verzichten. Das rechneten am Dienstag die hessischen Grünen anlässlich der einjährigen Stilllegung des Atomkraftwerks Biblis vor.

"Trotz aller Stillstände exportierte Deutschland im ersten Halbjahr 2007 sogar 9,4 Millionen Megawattstunden (MWh) mehr Strom ins Ausland, als im gleichen Zeitraum eingeführt wurde", sagte in Wiesbaden die energiepolitische Sprecherin der Grünen im Hessischen Landtag, Ursula Hammann. Vor einem Jahr waren die Blöcke A und B in Biblis abgeschaltet worden.

Grund für das Abschalten waren 15.000 bei einer so genannten Sicherheitsnachrüstung 2001 falsch eingebaute Dübel, was allerdings erst im Herbst 2006 entdeckt wurde. "Pfusch am Bau" nannten das die Grünen. Zudem sind die AKWs Stade und Obrigheim aufgrund der Ausstiegsvereinbarungen längst stillgelegt worden. Und nach Störfällen gleich in Serie und massiven Dübelproblemen zusätzlich wurden auch die Atomkraftwerke Krümmel und Brunsbüttel in diesem Frühsommer abgeschaltet. Dies soll auch bis zum Jahresende so bleiben. Dennoch betteln die nach wie vor ausstiegsunwilligen Betreibergesellschaften überall um Laufzeitverlängerung für ihre Pannenreaktoren.

Dass Deutschland trotz der abgeschalteten oder schon längst stillgelegten Atomkraftwerke mehr Strom exportieren kann, führt Hammann auf den gestiegenen Anteil erneuerbarer Energien am Bruttostromverbrauch in Deutschland zurück. In den letzten sechs Jahren habe der sich auf 12 Prozent glatt verdoppelt. 2006 seien durch erneuerbare Energien rund 72,6 Millionen MWh Strom erzeugt werden, 9,1 Millionen MWh mehr als noch im Jahr zuvor. Alleine dieser Zuwachs reicht laut Hammann aus, um ein AKW wie Biblis B vollständig zu ersetzen.

Für die schnellstmögliche endgültige Abschaltung der hessischen Reaktoren in Biblis spricht laut den Grünen auch die Pannenstatistik. Mit 28 Störfällen seit 2005 liege Biblis Block B knapp hinter dem AKW Brunsbüttel (33) an zweiter Stelle. Und Biblis Block A mit 20 "Ereignissen" auf Platz 5 nach Krümmel (23) und Brokdorf (21). Ein Weiterbetrieb dieser Reaktoren gefährde das Leben heutiger und zukünftiger Generationen, so Hammann. Auch bei der hessischen SPD sieht man das so: "Ein Jahr Sicherheit durch Stillstand ist zu wenig - Biblis muss endgültig vom Netz." Nach dem Atomausstiegsfahrplan soll der Altmeiler Block A 2009 abgeschaltet werden. RWE drängt die Landesregierung auf Laufzeitverlängerung. Ministerpräsident Roland Koch (CDU) ist dafür. Das letzte Wort hat der Bundesumweltminister.

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

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1 Kommentar

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  • U
    unwichtig

    1. Würde auch nur eine Kilowattstunde aus Tschechien nach Deutschland importiert wäre das Geschrei wieder groß, "wir würden unsicheren Atomstrom importieren", so wird wenigstens sicherer "Atom"strom ins Ausland exportiert

    2. Es will einfach keiner verstehen, dass man a) zwischen Grundlaststrom (Kernkraft und Kohle) und Mittel- und Spitzenlaststrom unterscheiden muss: Die Regenerativen spielen in der Grundlast keine Rolle (vieleicht irgendwann mal, wäre wünschenswert, aber derzeit muss den Regenerativen Reserveleistung vorgehalten werden, um sie wieder ausgleichen zu können, wenn die Sonne nicht scheint oder der Wind nicht weht)

    3.Obrigheim und Stade wurden m.W. aus wirtschaftlichen Gründen abgeschalten nicht auf Grund des Atomausstiegs (Herr Trittin feierte damals eine Party in der Nähe, dafür, dass hunderte Ihren Job verloren haben)

    4.Mit den heute 72.000 GWh regenerativen Energie (da ist wasserkraft wohl schon mit drin, die in deutschland nahzu ausgeschöpft ist) kann man ein Kernkraftwerk abschalten, wir hätten aber noch 16 weitere zu ersetzen: wie soll das realistisch gehen mit überwiegend nicht grundlastfähigen Regenerativen (soll das alles mit dem Wegfall von Standby und Energiesparbirnen funktionieren?)

    5. Gab es m.W. (Quelle: BfS) in Biblis keine "28 Störfälle", sondern eben Meldepflichtige "Ereignisse" (die unter der Stufe von Störfällen anzuordnen sind; jeder interessierte kann sich das auf den entsprechenden Seiten des BfS erne mal durchlesen)

    6. Das Letzte Wort hat nicht der Umweltminister sondern wohl die Gerichte