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Ein Jahr nach Messer-AttentatAkte Mannichl ungelöst

Vor einem Jahr wurde der Polizist Alois Mannichl von einem mutmaßlich rechtsextremen Täter niedergestochen. Die Suche nach dem Täter ist eine Abfolge von Pleiten und Pannen.

Keine Akteneinsicht: Opfer Alois Mannichl. Bild: dpa

Ein Jahr haben sie ermittelt. In Deutschland, Österreich und in Tschechien haben sie gefahndet. Bis zu 50 Leute stark war die Sonderkommission. Knapp 2.100 Personen haben die Polizisten befragt. Auf 20.000 Euro wurde die Belohnung erhöht. Das Ergebnis? "Auf Deutsch gesagt: Wir haben nichts."

Der Mann, der das sagt, ist der Passauer Oberstaatsanwalt Helmut Walch. Er leitet die Ermittlungen im Fall Alois Mannichl. Der Polizist wurde inzwischen vor fast einem Jahr an seiner Haustür von einem bis heute unbekannten Täter niedergestochen. "Schöne Grüße vom nationalen Widerstand", hatte der Täter laut Mannichl bestellt, bevor er ihm das Küchenmesser unter den linken Rippenbogen rammte. Mannichl hatte es nach eigener Aussage auf der Fensterbank liegen lassen.

Die Tat hatte Entsetzen ausgelöst. Von einer neuen Qualität rechter Gewalt war die Rede. Das Land Bayern befürwortete ein neues NPD-Verbotsverfahren. Doch von einem Täter fehlt bis heute jede Spur. Auf dem Messer und an Mannichls Kleidung konnten lediglich DNA-Mischspuren gefunden werden - sich überlagernde Fragmente, die nicht einer einzelnen Person zuzuordnen sind.

Ein Jahr nach der Tat scheint die Soko vor der Abwicklung zu stehen. Von 50 Beamten sind noch 10 übrig. Sie arbeiteten noch einige letzte Spuren ab, heißt es. Und dann?

"Eigentlich rechnet so gut wie niemand mehr damit, dass sich der Fall aufklären lässt", sagt der FDP-Staatssekretär im Justizministerium Max Stadler, der selbst aus Passau kommt und Mannichl persönlich kennt. "Dass hier noch ein Durchbruch gelingt, ist sehr unwahrscheinlich", sagt ein ranghoher Staatsanwalt.

Was bleibt, ist ein Opfer, das zwar inzwischen in der Hierarchie aufgestiegen ist - der einstige Passauer Polizeidirektor Mannichl ist jetzt Niederbayerns oberster Kripobeamter; doch bis heute muss er um seinen Ruf kämpfen. Denn als sich kein Fahndungserfolg einstellte, wurden zwischenzeitlich er und seine Frau Anneliese verdächtigt - ohne dass es dafür je einen Anhaltspunkt gegeben hätte.

Die Ermittlungen im Fall Mannichl sind eine Aneinanderreihung von Pleiten und Pannen. Dabei dachten am Anfang alle, das Attentat müsste sich rasch aufklären lassen. Ein mutiger Kämpfer gegen rechtsextreme Umtriebe wird von einem mutmaßlichen Neonazi niedergestochen, so die Vermutung aller. Schließlich soll der Täter noch gebrüllt haben: "Du linkes Bullenschwein, du trampelst nicht mehr auf den Gräbern unserer Kameraden herum." Eine Anspielung auf einen Vorfall beim Volkstrauertag kurz zuvor lag nahe. Mannichl hatte sich auf dem Passauer Friedhof einem NPD-Kader in den Weg gestellt. Der hatte später im Internet behauptet, Mannichl habe sich auf eine Gedenkplatte gefallener Soldaten gestellt und ein Gesteck zertrampelt. Mannichl ließ den Satz gerichtlich untersagen.

Ein Jahr nach der Tat scheint nur eines festzustehen: Wenn der Täter ein Neonazi war, dann kann er nur ein bis dahin unauffälliger Einzeltäter sein, der keiner rechtsextremen Organisation angehört, wie ein an den Ermittlungen Beteiligter der taz sagte. "Die Umstände deuten nach wie vor auf einen Täter aus dem rechten Spektrum hin", sagt Staatsanwalt Walch. "Die andere Möglichkeit ist, dass sich der Täter als Rechter verkleidet hat. Das ist aber rein theoretisch." Hilfloser können Ermittler nicht klingen.

Der erste große Fehler wurde gleich zu Beginn gemacht. Mit der Kripo Passau hatten ausgerechnet Mannichls eigene Polizisten den Fall übernommen - das widerspricht jeder Vorgehensroutine, weil den Beamten dann der nötige Abstand fehlt. Erst nach drei Wochen übernahm das bayerische Landeskriminalamt (LKA) die Soko. Mannichl selbst hatte in einem Brief an den Landespolizeipräsidenten darauf gedrängt.

Unterlassen wurde zu Beginn auch eine andere Selbstverständlichkeit. Niemand sicherte unter Mannichls Fingernägeln mögliche DNA-Spuren des Täters, bevor der schwerverletzte Polizeidirektor notoperiert wurde. Dabei hatte Mannichl noch ausgesagt, er habe mit dem Täter gerangelt.

Peinlich auch, dass sich die Ermittler wochenlang auf eine unglaubwürdige Zeugin verließen. Die Frau wollte zwei Verdächtige aus der rechtsextremen Szene an einer Tankstelle in Mannichls Heimatort Fürstenzell gesehen haben. Phantombilder wurden erstellt, die glatzköpfigen Männer darauf trugen auffällige Tattoos: eine Schlange hinter dem Ohr und ein Kreuz im Gesicht. Zweimal schauten sich die Beamten die 72 Stunden Videoband aus der Tankstelle an - doch weder die Zeugin noch die angeblichen Täter waren darauf zu sehen. Obwohl die Zeugin als Lügnerin entlarvt war, hielten die Behörden an den Phantombildern noch bis Mitte Januar fest.

Da hatte schon längst das LKA die Soko "Fürstenzell" übernommen und versuchte, bisherige Versäumnisse auszubügeln. So wurde etwa nach Zigarettenkippen in der Umgebung von Mannichls Haus gesucht - Wochen nach der Tat. Das LKA begann auch, Mannichls Familie gründlicher abzuklopfen, offenbar auch, weil sich Mannichls Untergebene von der Passauer Polizei dies nicht konsequent getraut hatten. Dabei wäre auch dies selbstverständlich gewesen. Als dann auch noch der Leitende Oberstaatsanwalt Walch von "Merkwürdigkeiten" sprach, wurde in den Medien wild über eine Beziehungstat spekuliert. Ehefrau Anneliese und das Opfer Alois Mannichl wurden zu potenziellen Tätern.

Erst Wochen später traten die Ermittler den Spekulationen in einer knappen Pressemitteilung entgegen. Es gebe "keine Hinweise, dass die Tat aus dem familiären Umfeld der Familie begangen wurde", hieß es dort. "Damit hätte man vielleicht einen Tick früher in die Medien gehen können", räumt LKA-Sprecher Detlef Puchelt heute kleinlaut ein.

Er glaubt weiter daran, dass die Ermittler irgendwann Erfolg haben und doch noch einen Täter finden. "Das war ja kein Geist, der da zugestochen hat, das war ein Mensch aus Fleisch und Blut."

Woher er seinen Optimismus nimmt, sagt er nicht.

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12 Kommentare

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  • OO
    Onkel Otto

    Es wurden leider nur Polzeikräfte gebunden, die woanders fehlten. Kein Täter zu finden? Woher auch? Bei einer vermutlichen Selbstverstümmelung kann kein Täter gefunden werden! Aber es wurde wieder ein Verbot der NPD gefordert. Anders kommt man scheinbar den Nationalen nicht bei. Einfach unbegreiflich.

  • A
    Apollo

    Die Welt ist schlecht. Nun ist auch der Stern vom Glauben abgefallen.

    http://www.stern.de/panorama/ein-jahr-nach-dem-angriff-staatsanwalt-kritisiert-mannichl-1529465.html

  • A
    Apollo

    tilly, nicht alle haben keine Ahnung.

    Du zum Beispiel bist doch der totale Auskenner.

    Oder?

  • T
    tilly

    Warum geben hier nur Leute ab, die vom Sachverhalt absolut keine Ahnung haben?

  • A
    Aldinger

    Meiner ganz persönlichen Meinung nach wurde dieser "Anschlag" nur vorgetäuscht um seiner Karriere zu fördern, lt. Aussage des Arztes war der Mordversuch nur ein oberflächiger Schnitt. Auch bei seinen Kollegen und Vorgesetzten hat sich seinen peinliche Art wohl rumgesprochen, schließlich ist er per Versetzung aus den Verkehr gezogen worden.

    Sein Fall passt in eine ganze Reihe von angeblichen Angriffen durch Rechte, so haben sich bisher alle Fälle, in denen Personen Hakenkreuze eingeritzt wurden sein sollen, als Selbstverstümmelung mit politischen Motiv herausgestellt.

  • L
    Leo

    "Vielleicht hat sich da auch jemand gedacht, das ein tätlicher Angriff auf Ihn, für sein polt. Ideen ganz nützlich wäre."

    Solche Theorien machen ja nahezu sprachlos. Ach bitte, doch etwas weniger Verschwörungsliebhaberei und Hobby-Kriminologen-CSI-Halbwissen... Ach, und übrigens, Flanders, einfach noch mal den Text lesen.

  • A
    Aldinger

    "Das war ja kein Geist, der da zugestochen hat, das war ein Mensch aus Fleisch und Blut."

    das mag schon sein, aber ob dieser Mensch wirklich aus der rechten Ecke kam, oder nur einfach ein Krimineller, der sich rechen wollte ?

    Vielleicht hat sich da auch jemand gedacht, das ein tätlicher Angriff auf Ihn, für sein polt. Ideen ganz nützlich wäre.

  • DH
    Dr. Harald Wenk

    Es drängt sich der Eindruck auf, dass die brutal-perfiden Sprüche und offene Körperverletzungen nicht der einzige Pfeil im Köcher rechtsradikaler Gewalt sind. Bei einer so extrem kriminellen Tat sind wohl alle Register von Spurenverwischun und Planung gezogen worden. Diese kriminelle Intelligenz sollte man bei rechter Gewalt und dem Schutz davor doch berücksichtigen.

    Dass Missergfolge, hier in der Fahndung, zur Rückwendung der Kritik führen, hier auf das perplexe Opfer, ist eine menschliche dramatische Verhaltensweise, die ebenso bedauerlich und tragisch

    wie fast unausrottbar scheint.

    Leider ist das bei weiten nicht die einzige Instabilität, früher Wankelmütigkeit genannt, die Kriminellen und Abzockern das Leben ganz ungemein erleichtern.

  • J
    Jayjay

    Soso, es gibt also keine Hinweise auf eine Beziehungstat? Aeh, und auf der Tatwaffe -es gibt keine Wischspuren- sind die Fingerabdruecke Frau Mannichls. Komisch, nicht wahr?

  • A
    Apollo

    Interessant war das schon.

    Die Medien haben uns ja jahrelang das Märchen von der rechten Gewalt erzählt. Nur tatsächliche Fälle davon gab´s nicht. Und wenn doch, dann haben die sich samt und sonders als Fälschung rausgestellt. Die Liste der durch Rechtegewaltfälschungen bekannt gewordenen Orte ist schon kaum noch überschaubar (by the way, wie sieht´s aus in Göttingen?).

     

    Da kam der Mannichl-Fall wie gerufen. Vor Freude waren Politik und Medien dermaßen aus dem Häuschen, dass der Verstand komplett ausgeschaltet wurde.

    Schon ein Blick auf den Stadtplan hätte gezeigt, dass von dem Mannichl-Haus ein Messer-Attentat nicht stattgefunden hat, nicht stattgefunden haben kann.

    Absurd, dass ein Täter erst mal eine Rede hält und damit das Opfer in Verteidigungsbereitschaft versetzt. Alle anderen Zutaten (Pfeilkreuz, grüne Schlange, Messer aus Mannichls Haushalt usw. usf.) so hirnrissig, dass man sich fragt wie in einer angebl. aufgeklärten Gesellschaft so ein Schrott geglaubt werden kann.

     

    Noch peinlicher das zurückrudern.

    Ist ja klar, dass kein Täter gefunden werden kann. Logisch, ein Täter kann schon deshalb nicht gefunden werden, weil es keine Tat gab.

    Also wird nun behauptet, der Täter könne wegen Fahndungspannen nicht gefunden werden.

     

    Wirklich?

     

    Wer sollte Mannichl gemeuchelt haben? Bei der NPD ist jeder siebte ein V-Mann des Verfassungsschutzes. Die können gar nichts planen ohne dass der Staat mithört.

     

    Einzeltäter? Warum sollte ein Einzeltäter das tun? Was hat der denn davon? Vor wem kann er damit angeben?

    Eben!

     

    Bei der Täterbeschreibung (1,90m großer Glatzkopf) könnte man einen Täter (wenn es denn einen gäbe) allein durch Augenschein finden. So viele gibt es davon nämlich gar nicht. Und in den ersten Tagen nach dem Hype haben ja alle Polizisten in Deutschland nach so einem Typ Ausschau gehalten.

    Nur, gesehen wurde eben keiner - weil es keinen Täter gibt, keinen Täter geben kann.

  • L
    Leon

    Nun ja, wenn hier davon Gesprochen wird, dass es keinen Ansatzpunkt für eine Beziehungstat gibt ist das nicht wahr. Das Messer stammt aus Mannichls Haushalt, es wurden auf ihm ausschließlich DNA und Fingerabdrücke der Familie Mannichl gefunden und obwohl der Überfall in einem dicht besiedelten Wohngebiet geschah, hat niemand den Täter gesehen. Dabei hätte ein, wie von Mannichl beschrieben, großer glatzköpfiger Mann durchaus auffallen sollen... Alles in allem ist der Ausdruck "Merkwürdigkeiten" durchaus angebracht, wenn auch politisch nicht korrekt.

  • F
    flanders

    Kaum zu glauben, dass weder in Deutschland noch in Österreich jemanden mit einer riesen Schlangen-Tätowierung am Hinterkopf (erster Täter) bzw. einem, die gesamte rechte Gesichtshälfte füllenden Kreuz mit Pfeil darin (zweiter Täter), kennt. Oder mal gesehen hat. Oder so.