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Ein Jahr „Krautreporter“„Gute Recherche ist Mangelware“

Die Macher des Onlineportals sind zufrieden. Mit dem Berliner „Correctiv“ sammelt die lokale Konkurrenz gerade Geld ein.

Zukunft ungewiss: Büromaterial der Krautreporter. Foto: dpa

Wer so laut auftritt, muss auch liefern. „Wir kriegen das wieder hin“, hatten vor einem Jahr recht großspurig ein paar Journalisten versprochen. Sie sammelten Geld für ihr Projekt Krautreporter und empfahlen sich als Retter des Onlinejournalismus, der – was stimmt – nur allzu oft von Anzeigen abhängig sei und deshalb häufig Masse statt Klasse biete. Viele klassische Medienmacher belächelten bis missachteten deshalb die Aktion und hofften, dass die Aktion ins Leere laufen würde.

Vor genau einem Jahr aber war klar: Ein paar Leser wollten die Alternative. Gut 15.000 Ein-Jahres-Abos zu je 60 Euro verkauften die Krautreporter, bevor es überhaupt ihr Portal gab – die meisten davon tatsächlich an Konsumenten, einige aber auch im dicken Bündel an Institutionen wie die Rudolf-Augstein-Stiftung.

Seitdem bieten die Krautreporter eine bunte Mischung: Das Drama eines Bergsteigers, der das Erdbeben in Nepal überlebte, ist ebenso Thema wie das Gespräch mit einer Prostituierten, der Wandel im Einzelhandel, die Frage, warum Lokführer vielleicht doch streiken sollten. Gerade geht es wiederum um Öl und was daraus wird.

Manches, was die Krautreporter niederschreiben, ist ein echter publizistischer Gewinn. Sebastian Esser, der das Projekt angeschoben hat und heute Herausgeber ist, sagt, dass er sich das mit der Redaktion „einfacher“ vorgestellt hat. Einiges fasere aus, es fehle mitunter eine klare Richtung. Insgesamt seien die Krautreporter aber „auf dem richtigen Weg. Es läuft gut“.

Die große Frage ist, ob das seine Leser auch so sehen. Obwohl nach dem Ende der Crowdfunding-Phase 3.000 Mitglieder dazukamen, die also das Produkt überzeugt hat, ist die Zukunft des Projekts ungewiss. Die Krautreporter müssen ihre vielen Erstförderer dazu bringen, dass sie ihr auf ein Jahr begrenztes Engagement in eine dauerhafte Mitgliedschaft ausdehnen. „Davon hängt ab, wie hoch unser Budget fürs zweite Jahr ist“, sagt Esser. Diese Überzeugungsarbeit sei „die große Hürde, an die wir jetzt ständig denken“.

Vorbild „De Correspondent“

Dass er weiter machen wird, daran zweifelt Esser allerdings nicht. Er will sehr bald die ursprüngliche Funktion des Portals Krautreporter wiederbeleben: die Möglichkeit, Geld für einzelne Recherchen und Produkte zu sammeln. Das Ganze soll „Write that down“ heißen und nicht wie früher nur auf deutsche Projekte beschränkt sein. Esser weiß, dass dieses Portal Krautreporter-Ressourcen binden wird. „Das Magazin wird es weiter geben“, sagt er, „möglicherweise in einer etwas niedrigeren Frequenz.“

Beim niederländischen Vorbild De Correspondent war die Sache schnell klar: Das Portal ist mit 18.000 Abonnenten gestartet, heute sind es gut 33.000. Allerdings ist die dortige Presselandschaft übersichtlicher, Alternativen haben es einfacher. Außerdem verlangt De Correspondent für das Lesen der Texte Geld, Krautreporter etwa auch für die Möglichkeit, auf der Seite zu diskutieren. Auf diese Weise fängt man viele Trolle ab.

Am Samstag wollen die Krautreporter mit einer Party in Berlin für sich werben, zudem mit einem Rundschreiben. In ihrer werktäglichen „Morgenpost“, dem erfolgreichsten Format der Krautreporter, gibt die schon angelaufene Eigenreklame hingegen ein trauriges Bild ab: Die Macher interviewen sich selbst. „Erzähl mal, wie wir uns kennen gelernt haben“, heißt es dann.

Besonders hart dürfte die Krautreporter treffen, dass ihnen nun ein anderes Projekt die Show stiehlt. In der Kampagne tönten sie noch: „Was Mangelware ist, ist gute Recherche.“ Die will schon seit ein paar Monaten das ebenfalls in Berlin ansässige Projekt Correctiv bieten, das mit einer gestern angelaufenen Kampagne 5.000 Unterstützer sucht, etwa für eine „mobile Lokal-Redaktion“. Und genau hier klafft bei den Krautreportern auch nach einem Jahr eine Lücke: Sie berichten zwar gerne opulent aus dem Ausland, aber viel zu selten aus der deutschen Provinz.

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4 Kommentare

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  • @Sikasuus Gedanken finde ich interessant. Gute Lokalrecherche ist tatsächlich auch eine Mangelware geworden. Was meinen Erfahrungen in einer größeren Provinzstadt entspricht: Selbst die wenigen Journalisten der Lokalpresse, die noch den "investigativen Anschein" wahren, kratzen oft kaum an der Oberfläche. Bei landes- oder lokalpolitischen Ereignissen gibt es stets mehrere "Schichten": Die oberste ist die Pressemeldung, welche die Behörde liefert und die von den Medien kaum verändert übernommen wird. Werden Unstimmigkeiten bekannt, kommen die vermeintlich "Investigativen" zum Zug: Sie berichten von behördlichem Versagen, Schlamperei usw. Das wird von den meisten für die Aufklärung des Geschehens gehalten. Oft genug ist es aber so, daß es noch wesentlich tiefer liegende Ursachen gibt: parteitaktische Überlegungen, persönliche Animositäten, Korruption, in der so viele mit drinstecken, daß die Enthüllung für zu viele zu gefährlich werden würde. Von dieser "Schicht" der Ereignisse erfährt der Einzelne meist nur, wenn er selbst irgendwelche der Protagonisten kennt bzw. in einer der Behörden oder einem der Unternehmen sitzt, die involviert sind.

    In der Öffentlichkeit herrscht oft nur bleiernes Schweigen über diese, die "eigentlichen" Ursachen (die noch tiefere Ebene der systemischen Ursachen habe ich hier bewußt vernachlässigt).

  • Lokales/regionales/Inland ist der Schlüssel für solche Projekte.

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    Grosse weite "Welt" mehr oder weniger gut, bieten alle an. Gute, regional recherchierte Geschichten sind aber Mangelware. Jetzt in einer Zeit in dem "Tageszeitungen" die Lokalredaktionen aus Kostengründen einstellen, klafft da eine Lücke.

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    Leider ist der "Markt" für solche Artikel beschränkt und die Idee "mobile Lokalredaktionen" krankt an den "genauen" besser nicht vorhandenen Lokalkenntnissen der Kollegen. Sinnvoll wäre es mMn. in solche Projekte "lokale" Kollegen in Zeitungen, bzw. auch Freelancer zu vernünftigen Honoraren massiv mit ein zu beteiligen.

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    Lokales Wissen ist sonst nicht ein zu binden. Ein auswärtiger Kollege, der in einem Land-/Stadtkreis, einer Region ein lokales Thema behandeln will, ist in der gleichen Lage wie ein "Auslandsreporter"!

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    Wenn er nicht massives Wissen um die Rahmenbedingungen hat, bleibt er an der Oberfläche.

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    Meint

    Sikasuu

    • @Sikasuu:

      Ich sehe das Konzept der mobilen Lokal-Redaktion nicht so problematisch. Nur weil man zufällig an einem Ort schon seit 30 Jahren wohnt, macht einen das nicht automatisch zu einem besseren Reporter. Viel größer wiegt da die grundlegende journalistische Kompetenz, die man überall auf dem Planeten erworben haben kann.

       

      Natürlich sollte man nicht unbedingt einen Ostfriesen über bayrisches Brauchtum schreiben lassen (wobei das aber auch wieder eine interessante Geschichte wäre, wenn er die Eigenheiten aus der Sicht eines Nicht-Bayern darstellt). Aber man muss wirklich nicht im Umkreis von 50 km vom Geschehen zur Welt gekommen sein, um über ein Ereignis kompetent schreiben zu können.

    • @Sikasuu:

      Lieber Sikasuu:

       

      Ich habe CORRECT!V mitgegründet und habe wie viele andere unserer Reporter auch zuvor unter anderem im lokalen gearbeitet. Ich war unter anderem gut drei Jahre lang im Investigativ-Ressort einer Regionalzeitung beschäftigt (beim Recherche-Ressort der WAZ). Wir kennen die Strukturen und Probleme der lokalen Recherche sehr gut. Die Enge und Nähe als Problem. Aber wir wissen auch, dass man lokalen Einblick braucht, um Themen überhaupt zu erkennen. Deshalb wollen wir bei unserer mobilen Redaktion mit den lokalen Kollegen vor Ort kooperieren. Die Kollegen setzen uns auf die Fährten, für die sie selbst keine Zeit haben. Wir haben bei unseren Recherchen bisher schon mit vielen regionalen Medien zusammengearbeitet und das war bisher immer sehr befruchtend. Und: Wenn unsere Mitglieder Vorschläge haben für lokale Themen, die bislang nicht oder nicht genügend recherchiert worden sind, freuen wir uns natürlich auch. Schau gern mal bei uns vorbei und melde Dich bei Fragen: correctiv.org. Schönes Wochenende! Daniel