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Ein Hoodoo-Wunder

■ Ein verjüngter Dr. John im Stadtpark

Mit Goin' Back To New Orleans ist ihm vor zwei Jahren das Kunststück gelungen, das weit verzweigte Nervensystem der Hauptstadt der Musikliebe abzuschreiten und dabei den Puls so sicher einzufangen, daß die Platte sich auch nach dem 1000. Mal nicht abnudelt. Das schien ihn körperlich ausgezehrt zu haben. Als Mac Rebennack alias Dr. John danach mit seinen Kumpels aus New Orleans zum Jazzport anreiste, wirkte er wie ein alter, freundlicher Mann, der seinen Totenkopf-Stock nicht nur zur Zierde dabei hat. Im Interview bewegten sich nur seine Augen hinter einer dicken Sonnenbrille und auf der Bühne kontrastierte seine Schwerfälligkeit die Sprünge Zachary Richards oder der Wild Magnolias.

Nun hat der Doctor eine neue Platte aufgenommen und er selbst wirkt wie nach einer Kälber-Hormon-Kur um zwanzig Jahre gejüngert. Liegt das an dem größeren musikalischen Konsens, den er mit Television herstellt, oder handelt es sich hier um die wundersame Wirkung der Hoodoo-Medizin? Musikalisch ist er aber natürlich wieder zur Right Time auf dem Right Place. Er ist ja schließlich in einem Stadium angelangt, wo man bei Trost keine schlechte Platte mehr einspielen kann. Daß seine Hommage an den P-Funk dann klingt wie eine langsame Red Hot Chili Pepper-Nummer ist typisch für das unerschöpfliche Reservoire an Musik und Schalk in ihm. Sicherlich ist Television die sanfteste Platte des Dr. John, aber Stücke wie das Cover von „Thank You (For Let Me Be Myself)“ oder der Titelsong, der natürlich von der Abwesenheit des Fernsehens spricht, sind weitere immaterielle Wesen aus der Seele eines der wenigen Musiker, für die der Begriff „Genie“ keine stinkende Schmeichelei aus den begrenzten Systemen professioneller Schreiber ist. Einzige Frage zu dem Konzert: Warum mit Lucio Dalla?

Till Briegleb

15.5., Stadtpark, 18 Uhr

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