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Archiv-Artikel

Ein Hoch der Pappel

Endlich wird der feinste aller Bäume einmal gelobt

O ihr Menschen, die ihr die Pappel schmäht – o ihr kleinwüchsigen Ungustl! Ihr, die ihr die Pappel verachtet und euren sauren Schimpf abschlagt am ragenden Pappelstamm, ihr werdet noch all zuschanden werden und schändlich euch kratzen! Schämen sollt ihr euch! Und, marsch!, ohne Nachtisch ins Bett!

Eine kalte Nacht sei euer Teil, ferner Juckreiz im Intimbereich, Fersensporn sowie Heulen und Zähneklappern. So! Denn die von euch Pappelfeinden vermaledeite Pappel – sie überragt euch doch alle, ihr ehrvergessenes Gesindel samt all euren Millionen Genen und Genomen, von denen keines was taugt. Pappel aber – sei es die Popula alba, die herrliche Silberpappel, oder ihre schönste Schwester, die Zitterpappel oder auch Espe, Populus tremula – Pappel taugt!

Ja zittern werdet ihr wie Espenlaub, denn kein Pappelbrett wird sein für euren dereinstigen Sarg. Denn niemandem ist sie, die Stolze, zu Diensten. Und euch schon gar nicht. Unwissende! Genug von euch!

Ewiger Ruhm und Ehre aber ihr, der Pappel – wem sonst! Sie ist die Königin aus Blatt und Holz, die Krone aller Bäume wird sie zu Recht genannt. Allenfalls freundlich die Straßen säumen wird sie, doch nimmer dient ihr leichtes und edles Holz zur Verfertigung hässlicher Büfetts, Vertikos, Wandschränken und anderen Gräueln, die eure bedrückenden Behausungen füllen. Jedwedem niederen Zweck und billigen Nutzen sich verweigernd, meidet sie auch den Wald, wo elende Fichten stramm stehen in Reih und Glied vor Försterbütteln und Eichen und Buchen sich drängeln, von Hirschen benagt und vom Hasen bepinkelt.

So viel zur Pappel, der hochaufgeschossenen, dem Kiebitz unter den Bäumen: ohn eitles Glitterwerk und feilen Prunk und auch ohne pompöse eichene Symbolik wird sie froh unsere öffentlichen Räume zieren, die reine Wonne aller Wohlmeinenden und Edeldenkenden.

Und die Dichter fügen unwiderlegbare Verse. So geht’s bei Wilhelm Busch rund, in der kurzen Ballade „Der Undankbare“. Fest hingegen steht sie in Bert Brechts Gedicht „Die Pappel vom Karlsplatz“: „Eine Pappel steht am Karlsplatz / Mitten in der Trümmerstadt Berlin / Und wenn die Leute gehn übern Karlsplatz / Sehen sie ihr feundlich Grün. // In dem Winter sechsundvierzig / Fror’n die Menschen, und das Holz war rar / Und es fielen da viele Bäume / Und es wurd ihr letztes Jahr. // Doch die Pappel dort am Karlsplatz / Zeigt uns heute noch ihr grünes Blatt: / Seid bedankt, Anwohner vom Karlsplatz / Daß man sie noch immer hat.“ Pappel, du bist immerwährend.

F. W. BERNSTEIN