: Ein Gutachten für jedermann
Die langersehnte Expertise zum Börsengang der Bahn wurde gestern vorgestellt. Doch eine eindeutige Empfehlung bekommen die Politiker nicht an die Hand. Für die Kunden allerdings wäre es am besten, wenn die Bahn ihr Netz abgäbe
VON STEPHAN KOSCH
Die Bahn soll an die Börse – nur wie? Mit Schienennetz? Oder ohne? Und wenn ohne, wer soll das Schienennetz dann verwalten? Der Staat? Oder ein privatwirtschaftliches Unternehmen? Was nützt das dem Kunden? Antworten auf diese Fragen wurden von einem Gutachten erwartet, an dem Investmentbanker, Wissenschaftler und Verkehrsexperten gearbeitet haben. Gestern wurde es veröffentlicht.
Das Ergebnis: Für die Kunden wäre es am besten, wenn die Bahn das Schienennetz abgeben müsste. Dass allerdings deutlich mehr Verkehr auf die Schiene kommt, erwarten die Experten auch bei einem solch drastischen Schritt nicht. „Der Gesamtmarkteffekt ist strukturmodellunabhängig überschaubar.“
Bis zur Sommerpause soll die Entscheidung fallen, in welcher Form die Bahn an die Börse soll. Zur Wahl stehen fünf Varianten – alle mit unterschiedlichen Vor- und Nachteilen.
Zunächst das „integrierte Modell“ – alles bleibt, wie es ist, die Schiene gehört weiterhin dem Bahnkonzern. Die Vorteile laut Gutachten: Der Börsengang könnte schon im kommenden Jahr erfolgen, der Bund würde bis zu 23 Milliarden Euro einnehmen. Das Modell wird unter anderem von Bahnchef Hartmut Mehdorn favorisiert. Kritiker sehen jedoch weiterhin zu viel Macht der Bahn über das Schienennetz und eine Behinderung der Konkurrenz auf der Schiene. Auch die Gutachter erwarten lediglich eine geringe Belebung des Wettbewerbs.
Beim Eigentumsmodell soll das Schienennetz an ein bundeseigenes Unternehmen übergeben werden, welches aber über Beherrschungsverträge eng an die Bahn gebunden bleibt. Börsengang ab 2009, leichte Belebung des Wettbewerbs, 23 Milliarden Euro Einnahmen für den Bund. Noch etwas mehr Wettbewerb würde eine Variante des Modells bringen, bei dem das Bundesunternehmen wesentliche Steuerungsfunktionen übernimmt und auch für die Vergabe von Trassen an die Bahn und ihre Konkurrenten zuständig ist. Dafür wären die Einnahmen aus dem Börsengang auch etwas geringer, maximal 18 Milliarden Euro sprängen für den Bund heraus.
Bei den verbleibenden zwei Varianten, dem „Finanzholding-Modell“ und dem „Getrennten Modell“, soll die Deutsche Bahn noch weniger Einfluss auf das Schienennetz bekommen – bei letzterem Modell gingen sogar nur die reinen Transportgesellschaften der Deutschen Bahn AG an die Börse.
Das Prinzip der Gutachter ist klar: Je geringer der Einfluss der Bahn auf das Schienennetz, desto besser für den Wettbewerb und den Kunden. Desto weniger Geld gibt es aber auch für den Bund (beim getrennten Modell nur noch maximal 14 Milliarden Euro). Außerdem kostet eine Trennung der Gesellschaften Zeit und Geld – bis zu 1,5 Milliarden Euro.
Weil die Gutachter sich nicht wirklich festlegten, konnte gestern zunächst jeder die Expertise begrüßen. Die Deutsche Bahn, weil auf die Kosten für eine Trennung von Schiene und Netz hingewiesen wurde und ein integrierter Konzern am schnellsten an die Börsen gebracht werden kann.
Die Politiker sind froh, weil ihnen die Entscheidung nicht vorweggenommen wurde und auch sie Argumente bekommen haben. „Mehdorns einseitige Festlegungen auf den so genannten integrierten Börsengang als einzig sinnvolles Privatisierungsmodell wurden eindeutig widerlegt“, frohlockte zum Beispiel der verkehrspolitische Sprecher der Grünen Winfried Hermann und war sich in diesem Punkt einig mit FDP-Verkehrsexperte Horst Friedrich. Uwe Beckmeyer von der SPD sagte, es komme nicht nur auf die Kapitalmarktfähigkeit, sondern auch auf mehr Wettbewerb an.