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Archiv-Artikel

Ein Gütezeichen gegen Au-pair-Schikane

Immer wieder klagen Au-pairs über Gastfamilien, die sie ausbeuten. Ein Gütezeichen soll nun Standards sichern – und gerade Osteuropäerinnen vor dubiosen Vermittlern schützen. Für die jungen Haushaltshilfen gilt künftig der Sechsstundentag

VON COSIMA SCHMITT

Sie kocht dann und wann ein Süppchen und hütet das Kind. An den vielen freien Tagen erkundet sie die Kulturschätze im Land. So wäre es ideal, das Dasein als Au-pair. Die Wirklichkeit zeichnet ein anderes Bild. Immer wieder klagen Haushaltshilfen über Gasteltern, die sie als billige Bedienstete ausbeuten. Nun kontert die Branche mit einem Novum: Ein Gütezeichen soll Au-pair-Rechte und -Pflichten sichern – und verlässliche Vermittler von Abzockeragenturen scheiden. Wer das Seriositätssignum tragen will, kann sich ab Oktober testen lassen. Das „Gütezeichen Au-pair“ erhält nur, wer ein striktes Regelwerk einhält.

Demnach müssen die jungen Leute höchstens sechs Stunden täglich und 30 Stunden pro Woche arbeiten. Sie erhalten ab 2006 jeden Monat 260 Euro Taschengeld. Kein Au-pair muss Holz hacken oder 30-Kilo-Lasten tragen. Es darf allein fürs Kinderbetreuen und für leichte Hausarbeit eingesetzt werden. Sein Zimmer muss ein Fenster haben, beheizbar, möbliert und wenigstens acht Quadratmeter groß sein. Ist das Au-pair krank, erhält es sein Geld weiter wie an seinen beiden Urlaubstagen pro Monat.

Die neuen Regeln sind ein Versuch, das Ansehen einer in Verruf geratenen Branche zu retten. 2002 hatte sich eine 21-jährige Rumänin im Keller ihrer Gastfamilie erhängt. Auch andernorts häuften sich die Beschwerden. Au Pairs berichteten über sexuelle Belästigung oder klagten über Zehnstundentage.

Als eine Ursache des Übels gilt der Wildwuchs im Agenturgewerbe. Jeder beliebige Anbieter darf Au-pairs vermitteln. Noch bis 2002 war das anders. Damals brauchte jede Au-pair-Agentur eine Lizenz des Landesarbeitsamts. Dann aber änderte sich die Rechtslage. Eine Genehmigung ist seither nicht mehr nötig. Keine übergeordnete Instanz prüft, ob die Agentur Mindeststandards einhält.

Im Kern wird dies auch das neue Gütezeichen nicht ändern können. Es kann keinen Anbieter zwingen, sich seinen Regeln zu unterwerfen. Zumindest aber wird der Markt transparenter. Wer ein Au-pair sucht oder selbst im Ausland jobben möchte, erkennt dann am Gütezeichen: Hier vermittelt eine seriöse Agentur. Unterstützt vom Bundesfamilienministerium, feilt die „Gütegemeinschaft Au-pair“ seit November an den Regeln. Was sie künftig verleihen werden, ist kein selbst ernanntes Siegel. Das Deutsche Institut für Gütesicherung und Kennzeichnung (RAL) hat es abgesegnet – die einzige Instanz, die Gütezeichen vergeben darf.

Die höheren Weihen machen Sinn, ist das Au-pair-Geschäft doch nach wie vor ein florierender Markt. Etwa 30.000 Au-pairs weilen Jahr für Jahr in deutschen Familien. Neun von zehn sind Frauen. Einige kommen aus südamerikanischen Ländern, die meisten aber aus Osteuropa. Daher will der Verein das neue Gütezeichen auch im Ausland bekannt machen. „Gerade Osteuropäerinnen geraten manchmal an dubiose Vermittler“, sagt Christoph Hambloch, Vorsitzender des Gütezeichen-Vereins. Das Siegel sichert den Mädchen nicht nur eine gütegeprüfte Gastfamilie. Die Vermittlung durch deutsche Agenturen ist auch meist kostenlos.

Hambloch ist überzeugt: Von dem üppigen Pflichtenverzeichnis profitieren auch die Gastfamilien. Immerhin engagieren sie so ein rundum geprüftes Au-pair. Denn auch hier setzt das Gütezeichen strenge Regeln: Au-pair darf nur sein, wer nachweisbar gesund und kindererfahren ist und wenigstens rudimentär Deutsch spricht. „Von einem fairen Austausch profitieren alle. Fühlt sich das Au-pair gut behandelt – dann kümmert es sich umso fürsorglicher ums Kind.“