: Ein „Grüß Gott!“ von Franz Josef Strauß
■ Besuch bei Frau Rieschel und ihren Berliner Freunden, die Kontakt zu Verstorbenen im Jenseits aufnehmen / Die „humorvollen“ Toten sind bei allen Sitzungen anwesend
„Also der Franz Josef Strauß war gerade mal zwei Tage tot“, sagt Frau Rieschel, „und schon hatten wir einen Draht zu ihm.“ Die 70jährige Berlinerin erinnert sich genau an den 5. Oktober 1989. In seiner bayerisch-bollrigen Art habe er „Grüß Gott! Grüß Gott!“ aus dem Jenseits gerufen. Das sei wahnsinnig aufregend und darüber hinaus einer ihrer eindrucksvollsten Kontakte zum Ort der Glückseligen gewesen.
Ein kleines Hinterzimmer in einem Spandauer Ladenlokal. Frau Rieschel legt ihre Pelzkappe zur Seite, zurrt den Reißverschluß ihrer braunen Reisetasche auf und kramt Mikrofone, Lautsprecher, Kabel, Tonbandgeräte und ein Six- pack Kassetten hervor. „Nehmen Sie doch Platz“, bittet Frau Rieschel, während sie ihre Forschungsinstrumente wie zu einer kleinen Radiostation aufbaut. Dann sagt sie: „Die Toten, mit denen wir gleich in Kontakt treten“, weiß sie, „sind sehr humorvoll und alle schon hier im Raum.“ In der Hoffnung, nicht auf dem Schoß der verstorbenen, schallend lachenden Großmutter zu landen, setzt sich der Besucher. Außer den Jenseitsmenschen sind drei Diesseitsbürger zur Sitzung gekommen, oft sind es bis zu 15 Personen.
Sie nennen sich Tonstimmenforscher.
Herr Wienkoop ist seit acht Jahren dabei. Parapsychologie, Okkultismus und paranormal sind die Lieblingswörter des 50jährigen Frührentners. An das Revers seines kobaltblauen Kunststoffanzugs hat er sich den Sticker des DDR-Ex-Schlagerstars Ecki Göbelt geheftet. Mit Maximalüberzeugung erzählt Herr Wienkoop von seinen On-line-Chancen. Im letzten Jahr beispielsweise habe er so seinen Schutzgeist kennengelernt. Sie heiße Alrun und habe im 17. Jahrhundert gelebt. Heute, verspricht Herr Wienkoop, werden wir Genaues über Alrun erfahren. Die Aufnahmetasten der Recorder sind gedrückt. „Ich grüße dich, Alrun, bitte sage uns doch, wo du gelebt hast“, lautet die Aufforderung. Kurz drauf plätschert Herr Wienkoop mit einer Hand hingebungsvoll in einem Wassereimer. Das aufgenommene Rauschen – Herr Wienkoop ist ein Routinier – werde in Stimmen umgewandelt. Und jetzt heißt es: Spulen, abhören, spulen, abhören, immer wieder spulen und abhören. „Könnte das nicht, vielleicht heißt das doch, und das müßte wohl...“, mutmaßen die Hobby-Akustiker, indes der Laie nur Wasserblubbern vernimmt.
Ach ja, die lieben Verstorbenen flüstern. Aber Frau Rieschel hat in ihrer Wohnung immerhin schon „Hunderte Kassetten“ mit Stimmen aus dem Jenseits. „Wissen Sie“, sagt Frau Rieschel, „manchmal zeigt mir meine Freundin ein Vögelchen, aber ich möchte betonen: Wir sind weder Spinner noch eine Sekte.“
Deshalb kann sie eines nicht verstehen: Der Wirt einer kleinen Kneipe hatte die hellhörigen Kontakter flugs aus seiner Gaststube komplimentiert, als er erfuhr, daß bei einer der Sitzungen ein Jenseitiger „tapsigen Schrittes umherirrte und nicht wußte, wo er hinsollte“.
Doch derartige Phänomene gehören zum Alltag der Tonstimmenmenschen. Friedrich Jürgenson heißt die Galionsfigur der Wissenschaft, über die Physiker ratlos den Kopf schütteln. Der emsige Forscher wollte 1959 eigentlich nur Vogelstimmen im Garten aufnehmen und hatte – Überraschung, Überraschung – das Band plötzlich voller Menschenstimmen.
Im Hinterhaus bleibt es an diesem Abend bei Wasserplätschern. Und am Ende der Sitzung ist der Eimer so leer wie die Kassetten. Tomas Niederberghaus
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