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Ein Gewichtheber, ein Ex-General und alte Kader

■ Ein buntes Gemisch von Kandidaten präsentiert sich dem russischen Wähler

Berlin (taz) – Am 16. Juni findet der erste Wahlgang zu den Präsidentschaftswahlen in Rußland statt. Stimmberechtigt sind 108 Millionen Menschen. Außer Präsident Boris Jelzin bewerben sich noch zehn weitere Kandidaten um das höchste Amt im Staat.

Gennadi Sjuganow: Der Chef der russischen Kommunistischen Partei und Abgeordnete der Duma hat derzeit die besten Chancen, Boris Jelzin zu entthronen. Unter seiner Führung wurden die Kommunisten bei den Duma- Wahlen vom Dezember vergangenen Jahres mit knapp 22 Prozent der Stimmen stärkste Partei.

Alexander Lebed: Der General a.D. ist schon seit längerem in der Politik aktiv. Seine nationalgesinnte Partei „Kongreß der russischen Gemeinden“ verpaßte bei den Wahlen den Einzug in die Duma, Lebed gewann aber ein Direktmandat. Nach gescheiterten Verhandlungen über einen Zusammenschluß mit dem Demokraten Grigori Jawlinski und dem Arzt Swateslaw Fjodorow, versucht es der Ex-Militär jetzt allein.

Wladimir Schirinowski: Der Rechtsaußen der russischen Politik trat bereits 1991 zu den Präsidentschaftswahlen an. Damals erreichte er im ersten Wahlgang 7,8 Prozent der Stimmen. Bei den Duma-Wahlen erhielt seine „Liberaldemokratische Partei“ 11,1 Prozent und blieb zweitstärkste Kraft.

Grigori Jawlinski: Der Verfasser des 500-Tage-Programms für den Übergang zur Marktwirtschaft und Vorsitzende der liberalen Jabloko-Partei setzt auf Wirtschaftsreformen und eine Aufwertung des Parlaments. Seine Partei wurde mit 8,4 Prozent bei den Duma-Wahlen viertstärkste Kraft. Versuche Jelzins, Jawlinski mit einem Regierungsposten zu einem Verzicht auf seine Kandidatur zu bewegen, scheiterten.

Michail Gorbatschow: Der ehemalige Generalsekretär und letzte Präsident der Sowjetunion will es nach Jahren der politischen Abstinenz noch einmal wissen. Dem 65jährigen werden allderdings kaum Chancen eingeräumt. Laut Umfragen würde ihn nur ein Prozent der Bevölkerung wählen. Unlängst wurde Gorbatschow bei einem Wahlkampfauftritt von einem aufgebrachten Zuhörer geohrfeigt.

Aman Tuleew: Der Vorsitzende des Gebietsparlaments von Kemerowo kandidierte bei den Duma- Wahlen 1995 für die Kommunistische Partei auf dem dritten Listenplatz. Er dürfte, wenn Sjuganow in die zweite Runde einzieht, seine Wähler zur Stimmabgabe für den KP-Chef auffordern.

Martin Schakum: Der Politikwissenschaftler und Generaldirektor des strategischen Instituts für Reformen will jetzt in die Praxis. Zunächst von der Wahlkommission abgelehnt, mußte er sich seine Registrierung für die Wahlen über ein Gerichtsverfahren erstreiten.

Juri Wlassow: Der ehemalige Weltmeister im Gewichtheben segelt seit 1991 im Fahrwasser der Nationalisten. Unterstützt wird er von dem rechtsextremen Schriftsteller Eduard Limonow.

Swateslaw Fjodorow: Der berühmte Augenarzt ist Vorsitzender der Partei der Selbstverwaltung der Werktätigen Rußlands und Abgeordneter der Duma. Kernpunkt seines Programms: Die Produktionsmittel sollen denjenigen gehören, die mit ihnen arbeiten. Deshalb plädiert Fjodorow für die Gründung geschlossener Aktiengesellschaften.

Wladimir Brinzalow: Der Millionär, der mit Vorliebe Uhren im Wert von 150.000 Dollar trägt, ist Abgeordneter der Duma. Seine Devise: Wer in Rußland schlecht lebt, hat selbst schuld. Für seine Registrierung durch die zentrale Wahlkommission war ebenfalls ein Gerichtsbeschluß notwendig. bo

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