: Ein Fonds für die Humanität
Französische Post vertreibt Wertpapier zugunsten einer Menschenrechtsliga. Anteilsscheine gibt es ab 100 Euro. Fonds investiert zu 80 Prozent in Staatsobligationen, zu 20 Prozent in notierte Firmen
In Frankreich kann man in jeder Postfiliale für 100 Euro Anteilsscheine an einem Fonds erwerben, der seine Mittel ausschließlich im Interesse der Wahrung der Menschenrechte investieren soll. Seine Ausschüttungen kommen zur Hälfte der „Internationalen Liga für Menschenrechte“ (FIDH) mit Sitz in Paris zugute. Er trägt den Namen „Libertés et solidarité“.
Die französische Post hat ihn gemeinsam mit der Sparkasse „Caisse des Dépôts et Consignations“ (CDC) und dem Versicherer Macif, beide mit Zentrale in Paris, aufgelegt. Die drei Unternehmen haben den Fonds im Juli 2001 mit einem Startkapital von rund 9 Millionen Euro ausgestattet. Für das Management ist die Posttochter Sogeposte zuständig.
Der Fonds investiert zu 80 Prozent in Staatsobligationen und zu 20 Prozent in börsennotierte Unternehmen. Die FIDH macht dem Fondsmanagement ethisch motivierte Vorgaben. Welche Obligationen beispielsweise zu erwerben sind, wird nach den Maßgaben eines Ratings entschieden, dessen Analyse sich derzeit auf die Länder der Europäischen Union beschränkt. Maßgeblich ist, wie stark ein Land die Menschenrechte propagiert und diese selbst im Innern wie im Äußeren respektiert. Wichtig sind zudem der Rang im Korruptionsindex von Transparency International sowie die Haltung, die ein Staat in den menschenrechtsrelevanten Gremien der Vereinten Nationen einnimmt.
Darüber hinaus zählen der Anteil der Entwicklungshilfe am Bruttoinlandsprodukt und das Engagement in Sachen Menschenrechte. „Derzeit sind die Obligationen Belgiens, Dänemarks, Deutschlands, Finnlands und Schwedens die größten Positionen im Portfolio“, berichtet Christian Rousseau, Berater für sozialverantwortliches Investment der mit dem Fonds-Research beauftragten belgischen Agentur „Stock at Stake“, Brüssel. Bei der Auswahl von Unternehmensaktien, so berichtet er, ist das Investment in Rüstung tabu. Unakzeptabel ist für die FIDH auch ein Engagement bei Firmen, die die Rechte der lokalen Bevölkerung verletzen oder Umweltkatastrophen verursachen.
Der Fonds wird vor allem mit Hilfe eines Index von „verbannten“ Staaten gemanagt. In diesen Index fließen die Beobachtungen von Organisationen wie Transparency International und amnesty international ein. Zurzeit werden 26 Länder aufgeführt, die die Menschenrechte „weniger“ respektieren.
Unternehmen, die systematisch oder zumindest regelmäßig Kontakte zu den Machthabern dieser Staaten aufbauen, sind vom Investment des „Libertés et solidarité“-Fonds ausgeschlossen. Zu den Ländern, die mit einem Bann belegt sind, gehören etwa Saudi-Arabien, China, Kolumbien, Nordkorea, Israel, Iran, Libyen und Sudan (Stand März 2003).
Die Internationale Liga für Menschenrechte schließt zu keinem anderen Land so rigoros Kontakte aus wie zu Birma. „Es ist derzeit das einzige Land, in dem jedes Investment direkt zur Verschlechterung der Menschenrechtssituation beiträgt“, sagt Anne Christine Habbard, Generalsekretärin der Liga. Das Land ist laut Jahresbericht der „Human Rights Defenders on the Front Line“ vergleichbar mit Nordkorea.
Die Organisation nimmt es vielleicht auch deshalb besonders unter die Lupe, weil mit TotalFinaElf ein großer französischer Konzern enge Beziehungen zu der in Birma herrschenden Militärjunta unterhält. TotalFinaElf beutet gemeinsam mit Unocal (USA) und Premier Oil (England) Erdgasfelder im Golf von Martaban aus, südlich der Hauptstadt Rangun. Die Projekte seien die „finanzielle Arterie des Militärs“, urteilte die Zeitschrift Südostasien.
Nach einer Vorselektion der Titel durch die Analysten von Stock at Stake befasst sich ein sechsköpfiges Ethikkomitee mit der weiteren Auswahl. Die unternehmensunabhängigen Persönlichkeiten müssen in den sensiblen Sektoren Petrochemie, Bau und Pharmazie aus den Vorschlägen von Stock at Stake die ihrer Ansicht nach am wenigsten schädlichen Unternehmen auswählen. In den anderen Sektoren entscheiden sie völlig frei über Zulassung oder Zurückweisung. Über die Aufnahme eines Titels in die Liste der passablen Unternehmen beschließt endgültig erst ein weiteres, aus vier Personen bestehendes Komitee bei der FIDH.
Unter den zehn größten Titeln findet man beispielsweise Skandia Group, Deutsche Telekom, Nokia sowie Hennes und Mauritz (Stand 31. März). Heftige Kritik hatten im vergangenen Jahr die Entscheidungen der FIDH-Komitees hervorgerufen, die Konzerne Danone und Renault in die Liste aufzunehmen. Beiden wurde vorgeworfen, sie missachteten die Rechte ihrer Arbeiter. Beide hatten angeblich auch Leiharbeiter langfristig beschäftigt, ohne sie, wie in Frankreich vorgeschrieben, fest einzustellen. Danone hatte außerdem mit einem „ökonomisch in keiner Weise“ zu rechtfertigenden Sozialplan den Zorn der Arbeitnehmervertreter auf sich gezogen (Le Monde diplomatique, 15. 11. 02). Anne-Chistine Habbard sagt dazu: „Wir haben beide Unternehmen noch einmal untersuchen lassen. Im Fall Danone war das Ergebnis trotz des Wirbels um das Unternehmen positiv, was die Rechte der Arbeitnehmer betrifft. Wir haben entschieden, Danone im Fonds zu belassen.“ Bei Renault sei es anders. „Hier haben wir negative Hinweise bezüglich der Arbeitnehmerrechte.“ Ehe man jedoch eine Entscheidung treffen könne, benötige man genauere Informationen.
Das Volumen des Menschenrechtsfonds ist seit dem Start im Juli 2001 um rund 15 Prozent auf 11,5 Milliarden Euro gewachsen. Die Mindestanlagesumme beträgt derzeit 100 Euro (oder genau einen Anteil). Am 15. Mai 2003 gab die französische Post den aktuellen Wert mit 98,98 Euro an. Die Überschüsse aus den Einnahmen gehen zu gleichen Teilen an die Investoren und die FIDH. Die Fondsbesitzer erhalten jährlich einen Coupon, auf dem notiert ist, wie hoch die Rückflüsse pro Aktie an die Menschenrechtsliga sind. Der ihnen zustehende Anteil wird neu investiert. Die Verwaltungsgebühr fällt mit 1 Prozent moderat aus. Anleger aus Deutschland benötigen ein Namenskonto in Frankreich. VOLKER UPHOFF/ECOREPORTER.DE