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Ein Bremer Label-Liebhaber

■ Das 16. Mitglied im taz-CultureCLub heißt Friedel Muders und kam über Ordnerdienste zum Schallplattenvertrieb / „Fuego-Label“ begründet und bisher nicht aufkaufen lassen

Beinahe wäre die kleine, aber feine Riege der Bremer Plattenlabels im letzten Jahr um ein Exemplar ärmer geworden: als bei „Fuego“ das Album der Krefelder Formation „M. Walking on the Water“ herauskam, tauchte plötzlich der Vertreter einer großen Plattenfirma auf, um die Band zu „kaufen“. Als das nicht gelang, machte er gleich ein Angebot für das gesamte Label...

Friedel Muders heißt der Mann, der sich erfolgreich gegen dieses Ansinnen zur Wehr gesetzt hat: Vor etwa zehn Jahren zum Studium nach Bremen gekommen, fristete er sein Leben zunächst durch einen Büchertisch an der Uni, war dann entscheidend am Aufbau des unabhängigen „Schneeball„ -Vertriebs beteiligt (u.a. mit „Ton, Steine, Scherben“), um nach dessen Ende dann den „EfA“ („Energie für Alle“) -Vertrieb mitzubegründen. Seit vier Jahren betreibt er nun sein eigenes „Fuego„-Label in einer Bürogemeinschaft mit „Jaro„-Records von Uli Balss, ernährt sich aber hauptsächlich von Grafik-und Designarbeiten für die Indie -Firma „Rough Trade“.

Als neuernanntes 16. Mitglied im CultureClub gab Friedel Muders der taz ein Interview:

taz: Wie bist Du zur Musik ge

kommen?

Friedel Muders: Musik war für mich auch immer ein Ausdruck von Gegengesellschaft, Antiautorität usw. Ich bin eben ein typischer Vertreter der zweiten 68er Generation - , nicht derjeinige, der das alles erkämpft hat, sondern einer, der alle Vorzüge genossen hat. Und da war eben Musik der Lebensausdruck überhaupt. Und während meiner Lehre habe ich natürlich kaum Geld gehabt, um zu Konzerten zu gehen. Also bin ich Ordner geworden, habe die Gruppen gesehen und nebenher sogar ein bißchen Geld verdient. Später bin ich dann mit gewissen Gruppen aufgewachsen, sozusagen als jemand im Hintergrund, der auch wichtig war für das Ganze. Inzwischen ist der Kapitalismus so weit fortgeschritten, daß auch die Alternativen oder die Ansprüche verloren gegangen sind. Du kannst Kultur nicht mehr ohne kapitalistisches Marketing machen.

Ist Liebhaberei das richtige Wort für Deine Arbeit?

Manchmal habe ich natürlich Lust, alles hinzuschmeißen, weil es wirklich sehr ätzend ist, die Produkte zu promoten, die Leute anzurufen usw. Auf der einen Seite ist es die Fortsetzung einer Arbeit, die man einmal angefan

gen hat; wenn ich jetzt aufhören würde, bedeutet das zwangsläufig, daß jemand ganz neu da anfangen müßte, wo ich vor zehn Jahren begonnen habe - ich kenne halt inzwischen all die Leute bei den Zeitungen oder im Radio. Du würdest also eine zehnjährige Investition an Arbeitsaufwand und Erfahrung einfach weggeben. Auf der anderen Seite ist man natürlich hin-und hergerissenmit dem Geld. Mein Plattenkonto habe ich noch nie auf Null gehabt, immer überzogen. Du kommst also nie auf einen grünen Zweig, weil Du immer schon wieder im voraus in neue Produktionen investieren mußt.

Wie sieht denn Deine Veröffentlichungspolitik aus?

Es ist eine ganz bewußte Entscheidung, möglichst wenig zu machen, also höchstens drei bis vier Platten pro Jahr und dafür dann aber intensiver zu arbeiten.

Wenn Du wie andere Firmen drei bis vier Platten im Monat machst, setzt ein bestimmter Mechanismus ein: Wenn Du z.B. mit Medien telefonierst und fragst nach zwei Platten, und Du merkst, die eine setzt sich eher durch, dann fragst Du schon gar nicht mehr nach der anderen. D.h., weil Du ja irgendwie auf den Erfolg angewiesen bist, fällt

eine Platte automatisch unter den Tisch, und das ist tödlich.

Beschreib‘ mal Deinen Alltag!

Ich stehe morgens sehr früh auf, um meinen Sohn zur Schule zu bringen. Dann gehe ich ins Büro, wo ich meine Arbeit splitte: Zu 70 bis 80 Prozent mache ich Promotion für „Rough Trad“ - die sind inzwischen größer als manche Industriefirmen. Davon lebe ich, und davon finanziere ich auch die meisten meiner eigenen Produktionen, denn bis auf das „M. Walking„-Album hat siach bisher keine einzige Platte selber finanziert.

Was treibt Dich denn trotz allem noch dazu, weiter Platten zu machen?

Die letzte Platte ist ein gutes Bei

spiel: „Marie & The Wildwood Flowers“. Ich kenne die Musik schon seit anderthalb Jahren und war davon hellauf begeistert. Trotz vieler Versuche habe ichnie weider etwas davon gehört, bis ich in einem Prospekt die LP angekündigt sah. Nach vielem Hin und Her hat 's dann denltich geklappt: Das ist eine der wenigen Platten, die ich auch selbst im Laden kaufen würde, und andererseits wußte ich genau: Die Platte ist so schwierig, daß sie nur ganz selten im Radio gespielt und sich nie in großen Stückzahlen verkaufen wird. Aber ich habe mir gesagt: Die muß raus, das Geld spielt doch da überhaupt keine Rolle, das ist ein Kulturprodukt.

Interview: JüS

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