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Ein Blick in die Girls-Abteilungen von H&M oder Zara zeigt, wie Mädchen sehr früh in die Tussi-Ecke gedrängt werdenEine pinkfarbene, sexistische Zugewinngemeinschaft

Foto: Ute Mahler/Ostkreuz

Zumutungen

von Anja Maier

„Guck dir das an“, sagte meine Freundin. GUCK! DIR! DAS! AN! Wir saßen auf ihrem Balkon, draußen schnurrte die sommerliche Stadt einem milden Abend entgegen. „Was soll ich dazu sagen?“, seufzte sie und hielt mir verzweifelt ein neonpinkes Stückchen Stoff unter die Nase. DAS war ein Bikini in Größe 104.

Fünf Minuten zuvor hatte Christines Exfreund nach zwei Wochen Papa-Kind-Urlaub die gemeinsame Tochter samt Reisetasche zurückgebracht. Die beiden machten das inzwischen ganz gut, fand ich. Nach all den üblen Kämpfen nach der Trennung vor zwei Jahren kriegten sie es tatsächlich hin, Inga das Gefühl zu geben, dass ihre Eltern vernünftig miteinander umzugehen verstehen. Immerhin.

Aber jetzt DAS. Ein pinker Bi­kini. So geschnitten, dass die mit einem dünnen Band im Nacken zusammengeklipsten Dreiecke knapp Ingas drei Jahre alte Brust verdeckten. Dazu ein Höschen, das eher Slip als Schlüpfer war. Ein Textil für ein Kind, das erst seit ganz Kurzem nachts keine Windel mehr braucht und über einen schönen Trommelbauch verfügt. Ein Kind, das ausgesprochen gern nackig ist. Dieses Kind lief nun herbei, grapschte nach seiner Bademode und sagte: „Mama, hab jetzt auch einen Beikini.“ Beikini mit ei.

Es ist eine Sache, einem Kind mit kindlichem Geschmack und festem Willen solch ein Scheißding nicht zu kaufen, wenn es sich das sehr wünscht. Diesen Wunsch abzuschlagen, erfordert Nerven und kann schon mal die gute Urlaubsstimmung beeinträchtigen. Aber es ist eine andere Sache, den Wunsch dieses Kindes nach pinker Bademode zu erfüllen und dafür in Kauf zu nehmen, dass diese Dreijährige fortan im Kostüm einer frivolen Badenixe herumläuft. Und es ist ein Drittes, wenn bei einem getrennten Elternpaar die Mutter vom Vater quasi in eine pinkfarbene, sexistische Zugewinngemeinschaft gezwungen wird. Das in etwa antwortete ich.

Miniröcke, Glitzerstrumpfhosen, Ballerinas. Krönchen, Fransenhandtaschen, verspiegelte Sonnenbrillen. Ein Blick in die Girls-Abteilungen von H&M oder Zara reicht aus, um zu erkennen, wie kleine Mädchen sehr früh styletechnisch in die Tussi-Ecke hineinmanövriert werden. Wie glücklich sie sind, wenn ihnen der Wunsch nach dem pinken Einhorn-Hütchen erfüllt wird. Und wie unfassbar sauer sie werden, wenn die erwachsene Begleitperson sich weigert, derlei zu erwerben.

Richtig kompliziert wird die Sache, wenn die Eltern eines Mädchens offensichtlich uneins darüber sind, wie viel Pink im Leben einer Dreijährigen angemessen ist. Christine und ihrem Ex jedenfalls würde ich eine sachlich geführte Gender-Debatte aktuell nicht zutrauen.

Trotzdem, eine Entscheidung musste her. In ihrem Kinderzimmer radönkelte Inga rum, auf dem Balkon erklärte ihre Mutter, DAS auf keinen Fall behalten zu wollen. „Du kannst DAS verschwinden lassen“, schlug ich vor. „Ungefähr so: Huch, Inga, ich finde deinen Bikini nicht mehr.“ No way, sagte Christine und rief ihren Exfreund an. Sie werde, sagte sie, den pinken Bi­ki­ni in Ingas Reisetasche geben, wenn er das Kind am Wochenende abholt. „Nicht hier“, sagte sie scharf. Und legte auf. Eine Gender-Debatte würde ich das jetzt nicht nennen. Aber immerhin: eine klare Position.

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