: Ein Amt mit Ausbaubedarf
20 KandidatInnen bewerben sich um den Posten des Landesbehindertenbeauftragten, den bislang Joachim Steinbrück innehat. Die gesetzliche Grundlagen des Amtes sind in Bremen nach wie vor verbesserungsbedürftig
Seit 2005 hat Bremen einen Landesbehindertenbeauftragten. Er muss sich unter anderem gegen den Rückbau der Integration gehandicapter Kinder in Kitas und Schulen stemmen, allgemein für „gleichwertige Lebensbedingungen“ kämpfen und sehr konkret auf Barrierefreiheit etwa in baulicher Hinsicht drängen – Letztere ist in Bremen bekanntlich selbst bei Sozialzentren nicht automatisch gewährleistet. Nun steht erstmals die Neu- oder Wiederbesetzung des Postens auf gesetzlicher Grundlage an, wie es andernorts fast überall bereits der Fall ist. In Bremen, wo die Behindertenverbände im Jahr 1996 den bundesweit ersten Entwurf für ein Landesgleichstellungsgesetz vorlegten, existierte dieses Amt lediglich auf der Basis eines einfachen Bürgerschaftsbeschlusses.
20 KandidatInnen haben sich jetzt beworben. Unter ihnen soll auch der bisherige Amtsinhaber Joachim Steinbrück sein, er hat die mit zwei Mitarbeitern und einem bescheidenen Sachmitteletat ausgestattete Dienststelle mit viel Engagement aufgebaut. Parlamentspräsident Christian Weber (SPD), bei dem die Dienstaufsicht liegt, lobt denn auch bei allerlei Gelegenheiten das „engagierte und effektive Wirken“ des 52-jährigen Juristen. In der von der Bürgerschaftsverwaltung überregional geschalteten Anzeige fehlt nichtsdestoweniger jeder Hinweis auf eine etwaige Kontinuität im Amt.
Als 2006 die Neuwahl der Frauenbeauftragten anstand, klang das noch anders: „Die bisherige Amtsinhaberin wurde aufgefordert, sich wieder zu bewerben“, stand als Teil der Ausschreibungs-Informationen im Anzeigentext. Potenziellen Bewerberinnen wurde damit einigermaßen deutlich, dass sie sich ihre Mühe möglicherweise sparen können.
Intern stieß der allzu offensichtliche Hinweis auf Kritik, bei den Bremischen OrtsamtsleiterInnen-Stellen ist es mittlerweile üblich, gegebenenfalls neutral zu formulieren: „Auch der derzeitige Stelleninhaber bewirbt sich.“ Doch selbst diese Option kam bei Steinbrück nicht zur Anwendung.
Nun wäre eine Nicht-Wiederwahl für den parteilosen Juristen, der mit 15 Jahren erblindete, kein Desaster: Jederzeit steht ihm die Rückkehr ans Arbeitsgericht offen. Der Vorgang verweist jedoch auf die offenbar noch immer nicht allzu hohe Wertigkeit des Amtes im Bewusstsein der Verwaltung. Auch die zugestandenen Arbeitsintervalle sind ungleich: Der ebenfalls vom Parlament bestellte Datenschutzbeauftragte genießt acht, die Frauenbeauftragte sogar zwölf Jahre die Garantie eines unabhängigen Wirkens. In dem im vergangenen April novellierten Behindertengleichstellungsgesetz werden dessen „Hüter“ lediglich eine sechsjährige Wahlperioden zugewiesen.
Immerhin beseitigte die Novelle neben der fehlenden gesetzlichen Absicherung des Amtes auch einige andere allzu große Schwächen. Konkrete Relevanz hat die nun fest geschriebene Verpflichtung der senatorischen und sonstigen Behörden, den Behindertenbeauftragten bei seiner Arbeit durch schnelle Auskünfte und regelmäßige Hinzuziehung zu unterstützen – zuvor war das als allgemeine „Bitte“ formuliert. Die ebenfalls beschlossene Übertragung der Personalkosten der Dienststelle auf die Bürgerschaft, deren Eckwerte entsprechend erhöht werden sollten, steht nach Auskunft der Parlamentsverwaltung allerdings noch immer aus. Die auch Etat-mäßige Verortung des Beauftragten bei der Bremischen Bürgerschaft soll dessen Unabhängigkeit von der Exekutive sichern.
Doch auch im Schoß der Legislative steht nicht alles zum Besten: Der Landesbeauftragte hat kein Rederecht im Parlament. In der Praxis mag das eine eher symbolische Einschränkung sein – laut Paragraf acht des Behindertengleichstellungsgesetzes ist der Beauftragte jedoch selbst anlässlich seines alle zwei Jahre fälligen Tätigkeitsberichts darauf angewiesen, dass ihm „Gelegenheit zur Vorstellung“ gegeben wird. HENNING BLEYL