: Ein Abschied auf hundert Quadratmetern
Zweitligist FC Union Berlin erkämpft ein 2:2 gegen den überraschend starken Provinzclub Wacker Burghausen. Das Publikum feiert derweil den entlassenen Trainer Wassilev und tuschelt über seinen möglichen Nachfolger
Es war der wohl letzte große Auftritt für Georgi Wassilev, den gefeuerten Trainer des FC Union, in der Alten Försterei. Er war zwar nicht persönlich anwesend, dennoch war er präsent. Schon zu Wochenmitte war abzusehen, dass sich die Fans etwas Besonderes zum Abschied des Bulgaren einfallen lassen würden. In Internetforen wurden Aktionen diskutiert, mit denen die Anhänger dem vom Präsidium ohne offiziellen Abschied und Danksagung in die Wüste geschickten Coach ihre Verbundenheit ausdrücken wollten.
Als die Mannschaften einliefen, richteten sich die Blicke der meisten der 7.064 Zuschauer auf die Fantribüne. Ein wohl mehr als 100 Quadratmeter großes Tuch, auf das künstlerisch begabte Unioner das strenge Antlitz des schnauzbärtigen Extrainers aufgetragen hatten, wurde entrollt. Links und rechts des Megaporträts hielten die Fans Papptafeln in den bulgarischen Nationalfarben in die Höhe. „Danke Georgi!“ stand in kyrillischen Lettern auf einem 20 Meter langen Spruchband unter dem so entstandenen Votivbild. Was für ein Abschied!
Beinahe peinlich wirkte dagegen die lustlose Danksagung an Wassilev, die der Pressesprecher von Union, Lars Töffling, vor der Partie ins Stadionmikrofon nuschelte. Sie passte auch so gar nicht zu den beleidigten Äußerungen des Vereinspräsidenten Heiner Bertram im Vorwort des Stadionheftes, in der er nochmals ein paar Verfehlungen des Bulgaren auflistete und der Berliner Presse vorwarf, diese nicht bemerkt zu haben.
Wieder einmal also war die Atmosphäre angespannt in Köpenick, und schön langsam drängt sich die Frage auf, ob es in dieser Saison überhaupt noch einmal so etwas wie ein gewöhnliches Punktspiel in der Wuhlheide geben wird. Dabei gäbe es durchaus interessante Geschichten auch über den Gegner des FC Union an diesem Spieltag zu berichten. Wacker Burghausen aus der oberbayerischen Provinz, stellte sich am Sonntag in Berlin vor. Dass das ein ernst zu nehmender Gegner ist, nahmen viele der Zuschauer wohl erst wahr, als Ronald Schmidt in der letzten Minute der erschreckend schwachen ersten Halbzeit die Führung für die wackeren Liganeulinge erzielte. Es gab Wichtigeres nach der Woche der Entlassung bei Union als ein Fußballspiel. Es wurde kräftig spekuliert, wer wohl den ehemaligen Co-Trainer Wassilevs und Interimscoach Ivan Tischanski als Trainer beerben wird. Unter der Woche hatte Falko Götz schon abgewunken, die Namen Bernd Krauss und Stefan Kuntz waren gefallen, doch bestätigt wurde noch nichts. Schön dass Mirko Votava, der ehemalige Werder-Profi und Arbeit suchende Trainer, auf der Tribüne saß. So gab es wenigstens etwas zu tuscheln.
Das langweilige Gekicke setzte sich nach der Pause gottlob nicht fort. Beinahe direkt nach Wiederanpfiff gelang Sreto Ristic der Ausgleich. Auf den Tribünen wurde wieder über Fußball gesprochen. Leider auch über die erneute Führung der Gäste (Bonimeier, 79.). Zum Glück verhinderte Salif Keita mit dem 2:2 kurz vor Schluss ein weiteres Desaster. Jetzt konnte wieder über die anstehende Trainerverpflichtung diskutiert werden. „Ich habe ihn freundlich begrüßt“, sagte Präsident Bertram nach dem Spiel zum Thema Votava. Man muss weiter gespannt sein an der Alten Försterei.
ANDREAS RÜTTENAUER
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