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Eigenengagement

■ betr.: „Vergeßt die Universitä ten“, taz vom 27./28.9. 97

Universitätsstudien für Leute mit Berufspraxis, Erfahrungen und im Arbeitsprozeß stehend, gibt es in USA bereits seit 20 Jahren, auch für AusländerInnen. Voraussetzungen sind entweder Ablegen einer Eingangsprüfung mit oder ohne Abitur (die allerdings ziemlich schwer ist) oder ein abgeschlossenes und per Transcript nachgewiesenes Hochschulstudium in oder außerhalb der USA.

Nach einer Feldstudie über vergleichende Fächer seines/ihres gewählten Fachgebiets an Universitäten der USA belegt der/die StudentIn zwölf obligatorische Fächer in einem eigens angefertigten Studienplan, der Bestandteil der Studiums ist, benotet wird und eingehalten werden muß. Spätere Abweichungen müssen begründet werden. Aus dem jeweiligen Fachgebiet wählt der/die StudentIn ein spezielles Thema aus, das bearbeitet werden soll. Es kann eine Fallstudie, eine Forschung, eine theoretische oder auch Literaturarbeit sein, meist aus dem beruflichen Arbeitsbereich oder dem des Arbeitsplatzes. Die Ausarbeitungen erfolgen zu Hause und können auch neben der beruflichen Arbeit vorgenommen werden. Die Arbeiten werden mit dem US-Notensystem (üblicherweise max. vier units mit A, B, C und +.) von einem Supervisor bewertet, der auch die StudentIn individuell betreut und nicht selten selbst in der Praxis außerhalb der Universität arbeitet. Nach Absolvierung der zwölf Fächer schreibt der/die StudentIn eine Begründung zum Thema der gewählten Abschlußarbeit(en) zur Verleihung der Titel BSc., MSc. oder Phd. oder Kombinationen aus den dreien.

Ein Studium dieser Art, das an vielen Fernuniversitäten sehr ähnlich strukturiert ist, kostet durchschnittlich 10.000 DM (inklusive Literatur, Computer, Software, Betreuung, Kommunikation [E-Mail, Telefon/Fax oder Post]) und ist auf maximal drei Jahre limitiert. Allerdings erfordert diese Art Studium eine Selbstdisziplinierung und streng kontinuierliches Arbeiten, was schon mal an die Grenzen einer physisch/psychischen Erschöpfung gehen kann. Dennoch kann ich ein solches Studium jedem, der selbstbestimmt arbeiten kann und will und auch Spaß am wissenschaftlichen Arbeiten hat, wärmstens empfehlen. [...] Michaela C. Mueksch, Berlin

[...] Klar, leidet auch die Bremer Uni an den vielfach diskutierten Schwierigkeiten der modernen Massenuniversitäten; dennoch hat sich hier – übrigens als Relikt aus den Gründungszeiten dieser noch jungen Einrichtung (seinerzeit gerne als „rote Kaderschmiede“ tituliert) – eine Form der Lehre erhalten, die genau Deinen Forderungen nach Praxisbezug, Eigenengagement und Interdisziplinarität entspricht: das Projektstudium. Im Rahmen dieser meist dreisemestrigen Veranstaltungen werden semester- und bisweilen studienübergreifend von den Studierenden in Eigenregie Ideen für Forschungsarbeiten entwickelt, die anschließend durchgeführt und in einem „Projektbericht“ dokumentiert werden. Auf diesem Wege entstehen beachtliche Studien(team)leistungen, die regelmäßig ein Echo in der interessierten (Wirtschafts-)Öffentlichkeit hervorrufen oder die Grundlage für weitere Forschungsarbeiten und sogar Firmengründungen darstellen.

Also gilt: „Vergeßt fast alle Universitäten“! Tobias Frische, Student der Uni

Bremen

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