■ Standbild: Eigene Regie
„Act“, Videomagazin, Montag, West 3, 14.30 Uhr
Was macht aus Kindern und Jugendlichen stumpfe, lethargische Konsumtrottel? Warum können sich Schüler in der Schule nicht konzentrieren und wissen beim Abitur kaum noch, wann der Zweite Weltkrieg war? Was bringt sie auf die Idee, sich wegen „Chevignon“-Jacken die Schädel einzuschlagen und anschließend Asylbewerberheime anzustecken? Ist doch klar: die Medien. Und besonders schlimm: Video!
Daß Video auch ein Medium für kindliche Kreativität sein kann, beweist die Sendung „Act“, in der West 3 Videos und Kurzfilme zeigt, die Kinder in eigener Regie gedreht haben. „Act“ ist die im vergangenen Monat leicht MTV-mäßig aufgepeppte Neuauflage der Sendereihe „Schüler machen Filme“, in der der Westdeutsche Rundfunk schon seit Beginn der siebziger Jahre Schülerproduktionen gezeigt hat. Die monatliche Sendung, die sich diesmal mit dem Thema Medien beschäftigte, wird von Martina Behrens mit dem Charme der typischen WDR-Berufsjugendlichen moderiert. Dennoch staunenswert, was „Act“ so bot. Denjenigen unter uns, denen – wie mir – in ihren goldenen Jahren ein „Wunderblock“ (auch „Zaubertafel“) oder ein Dia-Guckgerät namens „Viewmaster“ als das Maximum an kreativitätsförderndem High- Tech zu gelten hatte, stockt hier der Atem.
Bei „Act“ kann man sehen, wie Unterstufler nicht nur eine Parodie des Sportstudios mit quakenden Tennisbällen auf Video aufzeichnen, auf der Heimorgel den Soundtrack einspielen und die Titelcredits auf dem Computer generieren, sondern anschließend auch noch einen Dokumentarfilm nachschieben, der über die special effects aufklärt („Das Textblatt haben wir zum Mitlesen unter die Puppenbühne geklebt“).
Außerdem im Programm: eine leicht steife Rap-Nummer von der Video-AG der Dürener Heinrich-Böll-Gesamtschule, ein Kurzfilm über eine Nacht vor dem Videorecorder und etwas nutzlose redaktionelle Technik- Tips („vor Tonaufnahmen das Mikrofon einstöpseln“).
Zwar läßt „Act“ die gutgemeinten, sozialpädagogischen Absichten gelegentlich etwas zu aufdringlich raushängen, trotzdem hätte die Show einen kinderfreundlicheren Sendeplatz verdient. Nachmittags um halb drei habe ich jedenfalls früher immer meine Hausaufgaben gemacht... Tilman Baumgärtel
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