: Eierstreit auf Eiderstedt
Neue Runde im Naturschutzstreit in Schleswig-Holstein. Gegner belegen per Gutachten, dass auf Eiderstedt keine EU-Vögel zu schützen sind
aus kieltimm schröder
Der Interessenverband „Pro Eiderstedt“ hatte vorsorglich seinen Anwalt mitgebracht. Als der Verband gestern in Kiel per Gutachten belegen wollte, dass die Halbinsel Eiderstedt nicht als Naturschutzgebiet ausgewiesen werden muss, saß der Leipziger Anwalt Klaus Füßer mit am Tisch. Der Sachse wurde vom Vorsitzenden des Kreisbauernverbandes Husum-Eiderstedt, Hans Friedrichsen, als „Rechtsexperte für Naturschutzfragen“ vorgestellt. Und Füßer tat, was alle von ihm erwarteten: Im Falle der Ausweisung der gesamten Halbinsel kündigte er eine Klage vor dem Verwaltungsgericht in Schleswig an: „Schließlich ist die Sache beeindruckend klar.“
Erstellt hat das Gutachten das „Kölner Büro für Faunistik“ – und zwar im Auftrag des Interessenverbands Eiderstedt. Auf 85 Seiten wird darin der Beweis geführt, dass „weder die Anzahl der Vögel noch die Qualität des Lebensraums“ ausreichen, um die Halbinsel an der Nordsee als Vogelschutzgebiet auszuweisen. Eher im Gegenteil, wie Biologe Thomas Esser vom Büro für Faunistik erläuterte: Die fünf auf Eiderstedt vorkommenden Vogelarten seien bereits „in ausreichendem Maße“ durch vorhandene Gebiete geschützt.
Zudem haben die Kölner, die sich für ihre Expertise auf frühere Vogelzählungen stützen mussten, „handwerkliche Fehler“ in den Zählungen von Mitarbeitern des Naturschutzbundes NABU entdeckt, die im Auftrag des Umweltministeriums Gutachten über Eiderstedt erstellt haben. Die hätten sich nicht an international übliche Regeln gehalten, glaubt Esser. So sollen etwa Einzeltiere als Brutpaare gezählt worden sein, und bei den Bestandsangaben der Vögel wurden vom Umweltministerium „offenbar Maximalzahlen gewählt“ – die tatsächliche Zahl der Tiere aber sei weit geringer.
Die Schlussfolgerung der Gutachter: Für keine der fünf Vogelarten gehört Eiderstedt – das zu elf Vogelschutzgebieten im Land gehört, die das Umweltministerium bis Mai nach Brüssel an die EU-Kommission melden will – zu den „wichtigsten Lebensräumen“ in Schleswig-Holstein. Nur die Trauerseeschwalbe, die einzig auf der 25.000 Hektar großen Halbinsel heimisch ist, sei dort wirklich schützenswert. Das aber geschieht laut Esser schon: „Naturbegeisterte Landwirte“ würden seit Jahrzehnten freiwillig künstliche Nisthilfen bauen, um den Vögeln zu helfen. Die Schwalbenart aber kommt nur in zwei Teilgebieten vor. Somit sei eine Ausweisung der gesamten Halbinsel „nicht gerechtfertigt“.
Das ist natürlich Wasser auf die Mühlen der Initiative „Pro Eiderstedt“. Der grüne Umweltminister Müller sollte „nach dem Tampen greifen, der aus dem Gutachten hängt“, meint Bauernchef Friedrichsen – und nicht die gesamte Fläche zwischen Eidermündung und St. Peter-Ording bei der EU melden. „Sonst weitet sich das Höfesterben auf Eiderstedt noch aus“, so Friedrichsen.
Ob das Umweltministerium allerdings zurückweicht, ist unklar. „Wir werden das Gutachten sehr genau prüfen“, verspricht Behördensprecher Michael Rittmeier. Die Kritik an den NABU-Mitarbeitern weist Rittmeier allerdings zurück: „Wir arbeiten nach anerkannten Methoden.“ Und die angeblichen Zählfehler – im Gutachten der Kölner war vom Goldregenpfeifer die Rede, dessen Population im Jahr 2003 vom Ministerium einmal mit 13.000, dann mit 20.000 Vögeln angeben wurde – kann Rittmeier ganz einfach erklären: „Eine Zählung stammt aus dem Frühling, eine aus dem Herbst – und Vögel vermehren sich nun mal.“
Trotzdem signalisiert das Ministerium Diskussionsbereitschaft: „Wenn es berechtigte Kritik an unseren Gutachten gibt, dann passiert auch etwas.“ Einer Klage allerdings sieht man „gelassen“ entgegen, weil die Rechtssituation laut Rittmeier „eindeutig“ ist. Der Anwalt der Eiderstedter hätte ruhig im schönen Sachsen bleiben können.