: Eier haben
von Martina Wörz (Fotos) und Anna Hunger (Text)
Matzi Lahni, 42
Eine von sehr wenigen professionellen Backlinerinnen in Deutschland. Seit mehr als 20 Jahren arbeitet sie hinter der Bühne für Rock-, Pop- und Punkbands. Sie war mit den Toy Dolls auf Tour, mit Wizo, NOFX, James Brown, HIM und auch schon mal mit Heinz Rudolf Kunze. Sie stöpselt Keyboards in Verstärker und die wiederum in Lautsprecherboxen, baut Schlagzeug-Sets auf und ab und spielt Bässe Probe, um zu hören, wie der Sound auf der Bühne klingt, und hat in ihrem Leben bestimmt schon so viele neue Gitarrensaiten aufgezogen, dass man eine Spur von Stuttgart zum Südpol legen könnte. Meistens tourt sie monatelang mit einer Band um die Welt, durch Brasilien, Japan, Russland, sie war im Bosnienkrieg mit Bands zur Truppenunterhaltung,mit Musikern mitten im Nordirlandkonflikt und zwischendurch auch mal kurz für einen Konzertabend in Mexico City. Meistens ist sie als einzige Frau unterwegs mit Männern.
Denise Wilson, 23
Frontfrau und Bassistin der Punkband Electric Love aus Stuttgart. Mit 14 kaufte sie sich eine E-Gitarre, obwohl alle um sie herum fanden, Mädchen sollten nur die Akustikversion spielen. Sie trug schwarz-weiß karierte Hosen und Chucks mit unterschiedlichen Schnürsenkeln, als sie mit wehendem Palästinenserschal und ihrer Gitarre auf dem Rücken mit dem Roller einer Freundin ins Remstal zu einem Casting für die Mädchen-Punkband Debbie Rockt! fuhr. Sie würde in der „Bravo“ kommen und auf Viva, sagte ihr das Management. So war's dann auch. Zumindest eine Weile. Bis Denise Wilson keinen Nerv mehr hatte, sich ständig reinreden zu lassen, dafür aber große Lust, eine eigene Band zu gründen, mit Freiheit, Herz und Leidenschaft Musik zu machen – ihre eigene, auf eigene Faust und eigene Verantwortung auf einer Bühne zu stehen und die Sau rauszulassen. Seit 2009 ist sie die Frontfrau von Electric Love - zwei Jungs, zwei Mädels. Genre: irgendwas zwischen Glam-Rock und Kick-Ass-Modern-Punk. Laut jedenfalls. Und hand- und selbstgemacht vom Songwriting bis zum Management. Electric Love sind nicht im Fernsehen, aber dafür zufrieden und haben ein klares Ziel vor Augen: den Jungs zu zeigen, wo der Hammer hängt.
Sinja Müller, 27
Gitarristin bei Electric Love und begeisterte Tontechnikerin. Als sie ihre Lehre in einem Stuttgarter Tonstudio begann, musste sie gleich am ersten Tag Erbrochenes von irgendeinem besoffenen Musiker wegputzen. Die Lehrjahre waren auch nicht besser. Sie hat sich durchgebissen, bis zum Schluss, nächtelang Frequenzen und Soundeffekte auswendig gelernt. Und als sie Ihre Ausbildung abgeschlossen hatte, hat sie mit ihrem Vater ein Jahr lang die Garage der Oma am Rande von Höchstberg bei Heilbronn zu einem Profi-Tonstudio ausgebaut und die Gemeindeverwaltung überzeugt, dass da keine Drogenabhängigen auf den Straßen rumlungern und auch keine Siffgestalten den Weg zur örtlichen Wallfahrtskirche pflastern werden. Seit 2011 steht „Sonic Diamond Studio“ auf ihrem Gewerbeschein und der Eingangstür. Das Interieur: eine sehr zarte Person mit sehr starkem Willen, ein Kronleuchter, ein Schlagzeug in der Aufnahmekabine, ein iMac für digitalen Tonschnitt und ein uraltes Mischpult, mit dem man original trashigen Analogsound aufnehmen kann, den sonst kaum mehr einer produziert. Sinja Müller kennt jeden Knopf, jedes Kabel, jeden der Aberhundert Stecker und Regler und Knöpfe an diesem Megagerät persönlich. Ersatzteile gibt es keine mehr, die lötet sie sich selbst.