piwik no script img

Ei, der Daus

■ Hindemith-“Requiem“ zu Tode dirigiert / Orchester, Chor und Solisten brillant

Der Bremer Brahms-Chor ist hierzulande eine Institution. Sein Leiter, der rührige Mainzer Professor Joshard Daus, hat beste Verbindungen und Beziehungen. Für seine Konzerte gibt der BiWiKu-Senator finanzielle Spritzen, Radio Bremen mischt mit, und durch die Zusammenarbeit mit dem städtischen Chor Hamm gibt es sicher auch von dort Geld. Dagegen ist an sich überhaupt nichts zu sagen. Wenn jedoch Kulturbehörden Leute unterstützen, die so dilettantisch dirigieren wie der Herr Daus am vergangenen Sonntag, dann wird die Sache ärgerlich.

Der international renommierte Pianist Jörg Demus spielte zu Beginn Mozarts B-Dur-Klavierkonzert KV 595. Seine Mozart- Auffassung mag zwar Historisten gegen den Strich gehen, sie ist geprägt von starkem Rubato und — aus romantischer Tradition erklärbaren — Glättungen (Akzente, Affekte). Atemberaubend ist jedoch Demus' Gabe, größte Spannungsbogen aufzubauen und Phrasen dynamisch auszuloten. Die Zugabe, Schuberts Impromptu Ges-Dur, habe ich selten so bezaubernd und verinnerlicht gehört.

Hindemiths viel zu selten gespieltes „Requiem“ nach Texten von Walt Whitman geriet gleichfalls insgesamt beeindruckend. Der von Enno Volckmer hervorragend einstudierte Chor lieferte eine plastische Darstellung des schwierigen Satzes, die nur ganz selten von Intonationsproblemen gestört wurde (Satz 9). Hildegard Hartwig und William Workman gestalteten ihre Solopartien einfühlsam und mit angemessen dunklem Timbre. Das Orchester begleitete ausbalanciert und sensibel. Zu seinen Bläsersolisten (Flöte, Englischhorn) ist es zu beglückwünschen.

Einziger Störfaktor des Abends blieb Herr Daus. Sein Dirigieren ist undifferenziert, permanent vorneweg, und der Stab federt immer wieder zum Hochpunkt zurück. Daher sieht jeder Schlag aus wie eine „eins“. So zerschlug er alle Bemühungen Demus', im Mozartkonzert Bögen zu spannen ebenso wie die komplizierten wechselnden Takte im „Requiem“.

Ohne den mit seinem akzentuierten Strich unauffällig das Orchester leitenden Konzertmeister, der für Orientierung sorgte, wo Dirigent Daus nur die Viertel markierte, und ohne das angestrengte Mitzählen der einzelnen Orchester-Musiker wäre die Aufführung eine Katastrophe geworden. Wenn man einen solchen Maestro am Werke sieht, von ignoranten Behörden unterstützt, fragt man sich, was der Mann wohl in seinem Dirigier-Studium gelernt hat. Gunnar Cohrs

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen