: Ehrhart Körting wirft den Schleier ab
Der Berliner Innensenator macht eine Kehrtwende. Künftig soll es in Berlin keine Schleierfahndung mehr geben. Damit stimmt der SPD-Politiker den Grünen zu, die einen entsprechenden Antrag im Parlament gestellt haben. BGS-Kontrollen weiter möglich
VON UWE RADA
Fünf Jahre lang durfte die Berliner Polizei „zur vorbeugenden Bekämpfung grenzüberschreitender Kriminalität“ so genannte verdachtsunabhängige Kontrollen“ durchführen. Nun soll nach Ansicht von Innensenator Ehrhart Körting (SPD) mit dieser Schleierfahdung Schluss sein. In einem Schreiben, das der taz vorliegt, spricht Körting von der „Verzichtbarkeit der Regelung“.
Damit schließt sich der Innensenator der Meinung von Polizeichef Dieter Glietsch an. Der hatte in einem bisher unveröffentlichten Schreiben vom 1. März 2004, das der taz ebenfalls vorliegt, den Sinn der Schleierfahndung in Zweifel gezogen. So seien von der Einführung der erweiterten Kontrollmöglichkeiten 1999 bis heute insgesamt nur acht „lageabhängige Maßnahmen“ durchgeführt worden. Dabei sei in keinem der Fälle ein einschlägiger Erfolg erzielt wurden. Das Fazit von Glietsch: „Auf die Schleierfahndung kann daher verzichtet werden.“
Für die Berliner Grünen ist das ein Riesenerfolg. Sie haben bereits Mitte letzten Jahres einen Anlauf unternommen, die unter der großen Koalition beschlossene Regelung abzuschaffen. In der Begründung eines entsprechenden Antrags im Abgeordnetenhaus schrieb der Abgeordnete Wolfgang Wieland: „Die Schleierfahndung stellt die Grundsätze eines rechtsstaatlichen Polizeirechts auf den Kopf.“
Ähnlich hatte vor fünf Jahren auch ein Bündnis gegen die Verschärfung argumentiert, zu dem auch die Humanistische Union gehörte. Verdachtsunabhängige Kontrollen würden die Unschuldsvermutung umkehren, hieß es. Der FDP-Politiker Burkhard Hirsch sagte gar: „Wir kehren zurück zum preußischen Rechtszustand von 1850.“
Umso größer ist nun die Freude der Gegner der Schleierfahndung. Wie die Grünen begrüßte auch die Humanistische Union die Ankündigung Körtings. „Offenbar hat sich der Innensenator vom Urteil gegen den Lauschangriff tragen lassen“, sagt Verbandssprecher Nils Leopold.
Gleichwohl bedeutet die Abkehr Körtings von der Schleierfahndung nicht, dass es in Berlin künftig keine verdachtsunabhängigen Kontrollen mehr gibt. Ein Jahr vor der Berliner Regelung war 1998 unter Helmut Kohl eine Gesetzesverschärfung beschlossen worden, die es dem Bundesgrenzschutz erlaubte, „lageunabhängig“ zu kontrollieren. Auch in Berlin wurde und wird davon Gebruach gemacht, sagt Nils Leopold von der Humanistischen Union. Dies betreffe vor allem die Bahnhöfe der Stadt.
Dass dies auch in Zukunft so sein wird, dafür hat gerade erst die rot-grüne Bundesregierung gesorgt. Ursprünglich war die BGS-Schleierfahndung bis zum 31. Dezember 2003 begrenzt. Auf Initiative von Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) wurde sie aber verlängert. Innensenator Körting wollte dieses Vorgehen seines Parteikollegen gestern nicht kommentieren: Gegenüber der taz sagte Körting: „Ob das Instrument der Schleierfahndung generell Sinn macht, müssen diejenigen Stellen beantworten, die dafür verantwortlich sind.“