piwik no script img

Ehrgeiziger KlimaplanKopenhagen will CO2-neutral werden

Dänemarks Hauptstadt bereitet sich mit einem ehrgeizigen Programm auf den Klimawandel vor. Ein kleines Hintertürchen haben sich die Dänen allerdings offengelassen.

40 Prozent der KopenhagenerInnen fahren mit dem Rad zur Arbeit. Bild: dpa

STOCKHOLM taz Kopenhagen verfolgt ein ehrgeiziges Ziel: Bis 2025 will die Stadt erste "CO2-neutrale" Hauptstadt der Welt sein. 50 konkrete Schritte für eine erste Etappe auf dem Weg dorthin - eine 20-prozentige CO2-Reduktion bis 2015 - hat Dänemarks rot-rot-linksliberal regierte Hauptstadt in der vergangenen Woche in einem Klimaplan präsentiert. Nicht nur neue Windkraftwerke sollen bei dem Rekordversuch helfen, sondern auch die Kraft aus der Tiefe.

KLIMAKONFERENZ IN BONN

In Bonn haben am Sonntag die Vorverhandlungen für ein Nachfolgeabkommen des Klimaschutz-Protokolls von Kioto begonnen, das beim Kopenhagener Klimagipfel im Dezember beschlossen werden soll. Mit Spannung wurde der erste Auftritt des US-Verhandlungsteams der neuen Regierung von Präsident Barack Obama erwartet, der eine Kehrtwende der USA in der Klimapolitik angekündigt hat. Bei dem Treffen geht es um Zielmarken zur Verringerung klimaschädlicher Treibhausgase und die Unterstützung der Entwicklungsländer im Kampf gegen die Erderwärmung. Die Konferenz mit rund 2.000 Teilnehmern aus fast 190 Ländern endet am 8. April. Zum Auftakt demonstrierten Umwelt- und Entwicklungsorganisationen in Bonn für klare Ergebnisse. "Wäre die Welt eine Bank, hättet ihr sie längst gerettet", titelte etwa Greenpeace. Unterdessen erfüllt Deutschland laut Bundesumweltministerium seine Klimaschutzziele nach dem Kioto-Protokoll. Demnach sei die Bundesrepublik verpflichtet, ihre jährlichen Treibhausgasemissionen bis 2012 um 21 Prozent gegenüber 1990 zu senken. Nahzeitprognosen des Umweltbundesamtes zeigten schon im Jahr 2008 eine Minderung von etwa 23 Prozent. DPA, EPD

Halb Kopenhagen kann laut einer Studie für mehrere tausend Jahre mit geothermischer Energie versorgt werden. Eine Versuchsanlage im Vorort Amager ist seit drei Jahren in Betrieb und beliefert knapp 5.000 Haushalte mit Fernwärme. Aus 2,7 Kilometer Tiefe wird Wasser mit einer Temperatur von 73 Grad Celsius nach oben gepumpt, über Wärmewechsler ins Fernwärmenetz eingespeist und nach getaner Arbeit mit 17 Grad wieder in den Untergrund zurückgeschickt. Mit 70 bis 80 Millionen Euro wäre es zwar nicht gerade billig, eine nun vorgeschlagene Anlage mit zehnfacher Kapazität zu bauen, doch Experten versprechen, dass sich das rechnen würde und Dänemark zu einem Vorreiter neuer Energietechnik machen könnte, wie es dies auch einmal bei der Windkraft war.

Ritt Bjerregaard, die sozialdemokratische Oberbürgermeisterin der Hauptstadt, ist eine der Köpfe hinter dem Klimaplan. Sie war in den Neunzigerjahren und auch während der Verhandlungen um das Kioto-Abkommen EU-Umweltkommissarin. Einige der konkreten Ziele, die sie umsetzen will: Der CO2-Ausstoß soll durch neue Windkraftanlagen um 375.000 Tonnen gesenkt werden, 50.000 Tonnen sollen durch klimarenovierte öffentliche Gebäude gespart werden, 5.000 Tonnen durch neue Grünanlagen und 50.000 Tonnen durch die Förderung von Elektroautos, die gratis in der Stadt parken und an jeder Ecke aufgeladen werden können. Zudem will sich die Stadt auf die zu erwartenden Klimaveränderungen einstellen. Stadtplanung und Bauvorschriften müssten die trockeneren Sommer mit intensiveren Regenperioden und die regenreicheren Winter ebenso einkalkulieren wie das Steigen des Meeresspiegels. Weniger Beton und dafür neue kleine Parkanlagen, die überall in der Stadt diese an heißen Tagen abkühlen und an nassen Tagen das Regenwasser aufnehmen.

Schon jetzt fahren 40 Prozent der KopenhagenerInnen mit dem Rad zur Arbeit und helfen damit, das Verkehrschaos in Grenzen zu halten. Außerdem verursacht jeder der etwa 500.000 Hauptstadtbewohner "nur" etwa 5 Tonnen CO2 im Jahr. In Deutschland liegen die entsprechenden Pro-Kopf-Zahlen im Schnitt noch bei 10, in den USA bei 20 Tonnen. Andererseits haben einige schwedische Städte vorgemacht, dass 3 Tonnen ein schon jetzt erreichbares Ziel sind.

Dabei wird für Kopenhagen der Transportsektor allerdings der schwerste Happen sein. Zumal man hier nicht nur auf die eigene Regierung - die verweigert der Hauptstadt beispielsweise die Einführung einer Straßenmaut -, sondern auch auf die EU sowie, was den Willen zur Entwicklung neuer Fahrzeugtechnik angeht, auf die Industrie angewiesen ist. So bleibt auf dem Weg zur "CO2-neutralen" Stadt bis 2025 eine Lücke: 1,4 Millionen Tonnen glaubt man selbst einsparen zu können. Doch bei 1,1 Millionen hofft man auf neue Technik und neue Gesetze. Sollte das nicht klappen, will man sich insoweit auf dem Markt der CO2-Emissionsrechte "freikaufen". Was z. B. die linke "Einheitsliste" als ein zu bequemes Hintertürchen kritisiert.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • K
    Kulbrod

    Dänische Saubermänner

    So einfach ist das: In Kopenhagen will man 480 Tausend Tonnen CO2 einsparen, um im Dezember als Gastgeber zu glänzen. Dafür möchte der dänische Staatskonzern DONG Energy jährlich 10.000.000 Tonnen CO2 aus einem Kohlekraftwerk mit einer thermischen Leistung von 3.700.000.000 Watt in Lubmin ausstoßen. Das belastet ja „nur“ die deutsche CO2-Bilanz.

  • L
    Laluna

    Das mit der Geothermie hätte ich ehrlich gesagt in Dänemark gar nicht vermutet. Aber umso besser.

     

    Laut einer wissenschaftlichen Studie könnten sogar in Deutschland bei einem entsprechenden Ausbau der Kapazitäten mehr als 100 TWh/Jahr geothermisch erzeugt werden.

     

    Wie Wanja schon richtig sagte, kann nämlich Deutschland nicht annähernd so viel Biogas nachhaltig nutzen, wie z.B. das dünn besiedelte Schweden, sondern es werden dafür sicher viele Pflanzen von Monokulturen von vorher zerstörten Urwäldern verwendet - z.B. auch für das neu geplante Kraftwerk von Vattenfall in Berlin. Also liebe Berlinerinnen und Berliner, und alle anderen: Mehr Windkraft (v.a. durch Repowering ), mehr Solarzellen, mehr Geothermie fordern! Öffentlich in (angemeldeten) Demos, Mahnwachen u.s.w.

    - auch Stromanbieter zu wechseln trägt dazu bei, schon allein weil es den Druck auf die konventionellen Anbieter erhöht, mehr für Erneuerbare Energien zu tun, aber auch, weil saubere Ökostromanbieter wie EWS (Schönau) oder Naturstrom oder EnergieGUT oder Greenpeace Energy selbst dann umso mehr für neue Anlagen tun können (weil sie dann schlicht und einfach mehr Kapital dafür zur Verfügung haben, das man ja leider dafür braucht).

  • W
    wanja

    Na, wer sagt's denn! Geht doch! Und übrigens gibt es auch dänische offshore Wellenkraftanlagen, genannt Wave Dragon, die da noch gar nicht miteinkalkuliert sind. Darüber hinaus gibt es bei der Geothermie außer der genannten Nutzung von Heißwasserquellen die HDR Technik, bei der Wasser in trockene Regionen hinunter gepumpt und erhitzt wieder an die Oberfläche gelassen wird. Das geht auch, wo keine Aquiferen vorhanden sind, im Prinzip fast überall (je nach Gestein natürlich leichter oder schwerer). Die Sache mit den Parks ist auch gut, dass sie erwähnt wurde. Solche Dinge werden oft unterschätzt, auch Gebäudesanierung.

     

    Die erwähnten schwedischen Städte können ihre geringen CO2 Werte aber meines Wissens nur schaffen, weil Schweden so extrem dünn besiedelt ist, und je Einwohner/in daher viel mehr Wald zur Verfügung steht. Trockenholz etc. zu entnehmen verbessert nämlich die CO2 Bilanz, wenn es Kohle- oder Öl-Verbrennung ersetzt, ist aber prozentual ein viel geringerer Eingriff dort, als wenn das in Deutschland versucht würde - vgl. z.B. in Berlin das nun geplante Erdgas- und Biogaskraftwerk von Vattenfall, das zunächst natürlich besser ist, als Kohle, aber so viel nachhaltige Biomasse ist für Deutschland leider kein übertragbares Modell. Da müsste z.B. tatsächlich mehr Geothermie genutzt werden, v.a. für die Wärme, aber z.T. auch für Stromgewinnung -neben Gebäudesanierung, umweltfreundlicher Verkehr u.s.w. - siehe z.B. Kopenhagen!