Ehrenkreuz für Tapferkeit: Merkels Treueversprechen
Einsatz in Afghanistan: Die Kanzlerin zeichnet erstmals vier Soldaten mit dem Ehrenkreuz für Tapferkeit aus. Die Bundeswehr brauche "mehr Anerkennung".
BERLIN taz | Für "Tapferkeit, die über das Erwartbare noch einmal besonders hinausgeht", hat Kanzlerin Angela Merkel gemeinsam mit Verteidigungsminister Franz Josef Jung (beide CDU) am Montag vier Soldaten mit dem neuen "Ehrenkreuz der Bundeswehr für Tapferkeit" ausgezeichnet.
(1) Das Ehrenzeichen der Bundeswehr wird von der Bundesministerin oder dem Bundesminister der Verteidigung verliehen.
(2) Das Ehrenzeichen der Bundeswehr wird an Soldatinnen und Soldaten als Zeichen der besonderen Anerkennung treuer Pflichterfüllung in Form eines Ordenszeichens verliehen. Es kann verliehen werden 1. als Ehrenmedaille der Bundeswehr für treue Pflichterfüllung und überdurchschnittliche Leistungen nach einer Dienstzeit von sieben Monaten, 2. als Ehrenkreuz der Bundeswehr für treue Pflichterfüllung und überdurchschnittliche Leistungen nach einer Dienstzeit von a) fünf Jahren in Bronze, b) zehn Jahren in Silber, c) zwanzig Jahren in Gold, 3. als Ehrenkreuz der Bundeswehr für außergewöhnlich tapfere Taten.
Auszug aus Artikel 4 des Erlasses zur Neufassung des Erlasses über die Stiftung des Ehrenzeichens der Bundeswehr vom 13. August 2008
Darüber, was den Soldaten und ihren Familien in den Auslandseinsätzen abverlangt werde, "reden wir in Deutschland immer noch zu wenig", sagte Merkel in ihrer kleinen Rede im Kanzleramt. Mit dem neuen Tapferkeitsorden solle der Bundeswehr zuteil werden, was sie also dringend brauche: "mehr Anerkennung".
Diese Art der Anerkennung ist in der Bundesrepublik neu. Die am Montag verliehenen Ehrenkreuze waren die ersten Tapferkeitsorden seit dem Zweiten Weltkrieg. Beim ersten Auszuzeichnenden, Hauptfeldwebel Jan-Wilhelm Berges, 29, musste Merkel sich noch von Jung zeigen lassen, an welche Stelle der Uniformjackentasche das Kreuz hinzuhängen sei. Als der zweite, Hauptfeldwebel Alexander Dietzen, 33, Orden, blaue Ordensschatulle und Händedruck von Merkel wie Jung bekommen hatte, klatschte dann auch das geladene militärische und politische Publikum.
Beim dritten, Hauptfeldwebel Henry Lukács, 28, zeigte Merkel bereits erste Routine und legte triumphierend lächelnd beim gemeinsamen Foto die Fingerspitzen aneinander. Nachdem der vierte, Oberfeldwebel Markus Joachim Geist, 28, beehrt und beklatscht war, sprach auch Jung. Der Minister betonte, dass die Stiftung des neuen Tapferkeitsordens durch den Bundespräsidenten auf seine Anregung zurückgehe. Die vier Geehrten hätten "ihre Pflicht weit über das normale Maß hinaus erfüllt". So müsse der Staat nun auch "seinen Teil des Treueversprechens" halten und das "soldatische Dienen" würdigen.
Darüber, was die vier genau gemacht hatten, um sich als Erste den neuen Orden zu verdienen, sprach merkwürdigerweise niemand. Vielleicht war die Beschreibung der tapferen Tat im monatelangen Bemühen, die richtige Musik (Georg Friedrich Händel und Johann Sebastian Bach - kein Marsch, keine Nationalhymne) und die richtige Arbeitsteilung zwischen Merkel und Jung zu finden (sie hängt - er darf sagen, dass er den Orden verleihe), vergessen worden.
So erzählte später der gelernte Dachdecker und jetzige Berufssoldat aus Jena, Henry Lukácz, den Journalisten eben selbst, was der Anlass für seine Ehrung war. Die Bundeswehrsoldaten waren im Oktober 2008 von ihrem Lager bei Kundus aufgebrochen, um mit Unterstützung der afghanischen Armee Waffenlager in Dörfern wenige Kilometer entfernt auszuheben. Sie standen an zwei Stellen, um die Zufahrtsstraße abzusperren, als sich einem leicht gepanzerten "Mungo"-Lkw ein Radfahrer näherte.
Er zündete die Sprengstoffladung am Körper. Die beiden Soldaten im Mungo starben, ebenso vier der Kinder, die mit der üblichen Bitte um Kugelschreiber und Wasserflaschen auf die Deutschen zugelaufen waren. "Wir waren etwa 600 Meter entfernt", berichtete Lukácz, "und sind sofort nach vorn." Der Mungo habe in Flammen gestanden, "es gab ständig Explosionen - wir wussten nicht, ob durch Beschuss oder Munition." Später stellte sich heraus, dass es die Munition der bei den Razzien eingesammelten Waffen war, die im Mungo explodierte - Beschuss gab es nicht.
Patrick Behlke und Roman Schmidt, den beiden Mungo-Insassen, konnten die vier medizinisch ausgebildeten Soldaten nicht mehr helfen. Sie leisteten aber "Erstversorgung" für zwei weitere verletzte Soldaten und für ein afghanisches Mädchen, das dann im Lagerkrankenhaus in Kundus behandelt wurde. Ein weiteres Kind starb auf dem Weg in die Klinik.
Der Orden, sagte Lukácz, mache ihn stolz - "es ist schön, dass es jetzt diese Medaille gibt." Die furchtbaren Bilder, die er gesehen habe, schreckten ihn nicht ab. "Ich würde immer wieder runter gehen." Runter, nach Afghanistan. Dass eine wachsende Mehrheit der Bundesbevölkerung den Einsatz in Afghanistan ablehne, "interessiert mich nicht", sagte er und klang in diesem Augenblick weniger durch das Ministerium instruiert, als vielmehr trotzig. "Meine Meinung ist, dass wir dort helfen."
Bislang hat die Bundeswehr vier verschiedene Orden, die in Stahl, Bronze, Silber und Gold vor allem nach Dienstjahren vergeben werden - auch für lange Dienstjahre am Schreibtisch. Für besondere Taten gab es ein Ehrenzeichen vor Ablauf der dafür vorgesehenen Dienstzeit. Seit ihrer Einführung 1980 wurden die bisherigen Orden über 200.000 Mal verliehen.
Sprecher des Kanzleramts wie des Verteidigungsministeriums ließen am Montag offen, in welchem Rhythmus die neue Medaille nun verliehen werden solle oder könne. Es gebe auch noch keine Liste mit Anwärtern. Doch erklärten Kanzleramtsvertreter, dass künftige Ehrungen eher an den Standorten der betroffenen Kompanien stattfinden würden - durch den Minister, und nicht mehr durch die Kanzlerin.
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