Ehemaliger Stasi-Unterlagen-Beauftragter: Gauck gegen Stasi-Unterlagen-Novelle
Ein Gesetz soll es ermöglichen, ehemalige Stasi-Leute aus der Stasi-Unterlagen-Behörde zu verbannen. Deren erster Leiter Joachim Gauck kritisiert das.
BERLIN taz | Der ehemalige Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Joachim Gauck, schließt sich der Kritik an der Novellierung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes an. "Dass diese gesetzliche Regelung tatsächlich von Abgeordneten durchgewunken worden ist, halte ich für bedenklich", sagte Gauck der taz. Weniger wundere ihn die Position des Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen Roland Jahn, der "kein Jurist" sei.
Jahn kritsiert in der taz-Wochendausgabe an der Beschäftigung von derzeit 45 ehemaligen Mitarbeitern des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), es sei "jahrelang nicht offen über die Beschäftigung dieser Mitarbeiter gesprochen worden". Mit der Novellierung des Gesetzes, die bis zum Ende des Jahres vom Bundespräsidenten unterschrieben werden muss, will Jahn erreichen, dass die ehemaligen Stasi-Mitarbeiter aus der Stasi-Unterlagenbehörde versetzt werden. Den Bundestag hat das Gesetz bereits passiert.
Gauck, der als erster Leiter der Behörde vor zwanzig Jahren für die Einstellung der ehemaligen MfS-Mitarbeiter zuständig war, sieht „keinen Grund diese Entscheidung infrage zu stellen“. Im Gegenteil: "Um es mal ganz deutlich zu sagen: ein Teil dieser Leute hat uns unendlich viele Kenntnisse gebracht", sagt Gauck in der taz-Wochendausgabe.
Er und auch seine Nachfolgerin Marianne Birthler hätten "immer darauf geachtet, dass wir bei diesen Stasiunterlagen eine Koalition der Vernunft hatten zwischen jeweiliger Opposition und jeweiliger Regierung", sagte Gauck. Dass dies nun anders sei, "bedaure ich."
"Gehöriger Druck"
Was passiert, wenn Bürokraten und Revolutionäre gemeinsam über einen riesigen Aktenberg herrschen sollen? Die Ganze Geschichte zur Stasi-Unterlagenbehörde lesen Sie neben anderen spannenden Texte in der sonntaz vom 17./18. Dezember. Ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich per Wochenendabo. So lässt sich die sonntaz auch einfach zu Weihnachten schenken. Und für Fans und Freunde. facebook.com/sonntaz
Der Bundesbeauftragte Roland Jahn sagte, ihm gehe es "nicht darum, ehemalige Stasi-Leute zu bestrafen. Es geht darum, den Opfern der Staatssicherheit zu helfen. Natürlich unter der Bedingung von Recht und Gesetz. Wer mich kennt weiß, was für ein glühender Verfechter des Rechtsstaates ich bin."
Marianne Birthler, die nach Gauck an der Spitze der Behörde stand, erinnert sich an einen "gehörigen Druck auf die Stasi-Unterlagen-Behörde, möglichst viel Personal zu übernehmen." Die damalige Regierung unter Helmut Kohl und auch einige ostdeutschen Landesregierungen hätten diesen aufgebaut.
Birthler sagte, "der Streit um die Vergangenheit ist noch ganz lebendig. Nicht nur bezogen auf die Stasiakten, sondern auf die ganze DDR. Die Menschen, um die es dabei geht, leben ja fast alle noch."
Am 29. Dezember jährt sich das Gesetz zum 20. Mal. "Dass diese Akten zugänglich gemacht und vor der Vernichtung gerettet wurden, ist eine zivilisatorische Leistung", sagte Birthler.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance