Ehemaliger Flughafen: Tempelhof kurzzeitig besetzt
Fünf Wochen nach der gescheiterten Besetzung des Flughafens entern zwölf Linke doch noch das Gelände. Jetzt drohen Strafanzeigen wegen Sachbeschädigung.
Es sah aus wie ein harmloses Picknick: Sonntagnachmittag, an einem Grillplatz am südöstlichen Ende des Tempelhofer Flugfeldes versammelten sich rund fünfzig Leute. Die meisten waren hier schon mal, am 20. Juni, als 4.000 Protestierende vergeblich versuchten, das Flughafengelände zu stürmen. Jetzt hatten zwölf Aktivisten Erfolg: Ihnen gelang nachträglich eine Minibesetzung des Flugfeldes.
Nach Augenzeugenberichten stürmten gegen 17.15 Uhr sechs Personen aus einem Gebüsch an der Oderstraße Ecke Grüner Weg über drei Baubohlen, die kurz zuvor aus einem Dickicht an den Zaun gelegt worden waren, auf das Feld. Sechs Picknicker schlossen sich an. Die Aktivisten stiegen auf ein Trafohäuschen, entrollten zwei Transparente und stellten ein Zelt auf. "Einige haben Federball und Fußball gespielt", berichtet Martin K.*, einer der "Besetzer", der taz. Picknickteilnehmer hätten sie mit Sprechchören unterstützt.
"Wir haben die Polizei völlig überrumpelt", so Klein, der auch im Bündnis Squat Tempelhof mitmischt. Die Beamten hätten 45 Minuten gebraucht, um alle zwölf Aktivisten vom Flugfeld zu bekommen. Die Polizei erteilte 26 Platzverweise und nahm acht Personen vorübergehend in Gewahrsam. Die Flughafenstürmer erhielten Strafanzeigen wegen Hausfriedensbruch. Ermittelt werde auch wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, Körperverletzung und Beleidigung, so Polizeisprecherin Berit Königsmann. "Insgesamt blieb es aber friedlich." Man habe schnell eingreifen können, da die Polizei das Picknick schon "vorab im Blick" gehabt habe. Die Veranstaltung war im Internet beworben worden.
Die Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM), die das Flughafengelände verwaltet, wird "sehr wahrscheinlich" Strafanzeige gegen die Besetzer erstatten, so Sprecherin Katja Potzies. "Ein Blitzableiter und Dachrinnen des Trafohäuschens wurden zerstört." Potzies verurteilte die Aktion als Akt der Sachbeschädigung. Bereits in den vergangenen Wochen sei der Zaun mehrmals aufgeschnitten worden. Ein privater Sicherheitsdienst bewache das Gelände weiter "rund um die Uhr".
Seit der gescheiterten Tempelhof-Besetzung im Juni treffen sich allsonntäglich Linksalternative zum Picknicken am Flughafenzaun in Neukölln. Zu der Besetzung am Sonntag habe man nicht öffentlich aufgerufen, um nicht "wieder einer gewalttätigen Polizei gegenüberzustehen", so Aktivist Klein. "Wir haben gezeigt, dass uns die Politik und Polizei nicht ewig vom Feld fernhalten kann", so Klein. Das Squat-Tempelhof-Bündnis fordert eine nichtkommerzielle Nachnutzung des Areals und die umgehende Öffnung des Zauns.
Letztere lehnt Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) strikt ab. Das Gelände werde geschlossen bleiben, so ein Sprecher der Senatorin. Sobald das Flughafenareal an das Land Berlin übertragen sei, werde es aber eine Teilöffnung für Sportvereine geben. Dies könnte zum Jahresende geschehen. Junge-Reyer hatte das Geschlossenhalten mit der Gefahr von Vandalismus begründet.
Damit wollen sich die Tempelhof-Aktivisten nicht zufriedengeben. Squat Tempelhof kündigte weitere "zahlreiche und kreative Verschönerungen des Flugfeldes" an.
*Name geändert
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Künstler Mike Spike Froidl über Punk
„Das Ziellose, das ist doch Punk“
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour