Ehegatten-Splitting versus Individualsteuer: Zehn Prozent mehr für den Staat
Mit einer Individualbesteuerung statt des Ehegatten-Splittings würde der Staat mehr einnehmen. Doch das Modell hat derzeit keine Chance.
BERLIN taz | Eine rein individuelle Besteuerung von Eheleuten würde jedes Jahr viel Geld in die Staatskassen spülen. Das hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin ausgerechnet. Die Einkommensteuer bringt derzeit rund 200 Milliarden Euro jährlich ein. „Durch die Individualbesteuerung würden diese Einnahmen um etwa 10 Prozent steigen“, sagt Katharina Wrohlich, Volkswirtin am DIW.
Bei der Individualbesteuerung wird das Einkommen jeder einzelnen Person besteuert – egal, ob sie verheiratet ist oder Kinder hat. So wird es unter anderem in Österreich, Schweden und den Niederlanden gemacht. Für Kinder und nichtverdienende Ehepartner gibt es allerdings Steuervergünstigungen.
Dieses Modell empfiehlt das DIW auch für Deutschland. Die Haushalte würden so allerdings stärker belastet: 119 Euro müsste ein Ehepaar im Durchschnitt monatlich mehr zahlen, wenn das Ehegattensplitting ersetzt würde. Wobei diejenigen, die weniger haben, auch weniger zahlen. Wer ein Einkommen von unter 25.000 Euro hat, wird nur mit 34 Euro im Monat zur Kasse gebeten.
Und: „Um die Erwerbsanreize für Frauen zu verbessern, sollte das Ehegattensplitting zugunsten der reinen Individualbesteuerung abgeschafft werden“, sagt Wrohlich. Das Leben mit Kindern könnte finanziell erleichtert werden, indem das Kindergeld „spürbar erhöht“ werde.
Im Schutz der Verfassung
Juristisch und politisch ist dieses Modell in Deutschland derzeit allerdings nicht durchsetzbar. Einerseits stellt das Grundgesetz Ehe und Familie unter einen besonderen Schutz, das Bundesverfassungsgericht würde einer Änderung sicherlich nicht zustimmen. Andererseits gilt im deutschen Steuerrecht das Prinzip der Leistungsfähigkeit: Wer viel verdient, soll viel Steuern zahlen. Wobei Unterhaltszahlungen wie Kindes- oder Ehegattenunterhalt die sogenannte Leistungsfähigkeit mindern.
Das weiß auch die SPD. Daher hat die Partei in ihrem Programm „Familienland Deutschland“ eine sogenannte Individualbesteuerung mit Unterhaltsabzug vorgeschlagen: Unterhaltszahlungen sollen angerechnet werden. Laut DIW-Rechnungen würden Ehe-Haushalte dadurch mit nur durchschnittlich 25 Euro monatlich gegenüber dem Ehegattensplitting belastet. Und Haushalte mit weniger als 25.000 Euro mit nur 2 Euro.
Christel Humme, gleichstellungspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, sieht darin einen „Weg von der Eheförderung hin zur Kinderförderung“. Auch Linkspartei und Grüne fordern die Abschaffung des Ehegattensplittings. Die CDU debattiert eine Reform hin zum Familiensplitting. Die FDP will eine Ausweitung des Ehegattensplittings auf Homo-Paare. Nur die CSU hält am alten Modell fest.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Nachhaltige Elektronik
Ein blauer Engel für die faire Maus
James Bond
Schluss mit Empfindsamkeit und Selbstzweifeln!
Bodycams bei Polizei und Feuerwehr
Ungeliebte Spielzeuge
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach