Ehe-Aus von Günther Oettinger: Der Masken-Mann
Baden-Württembergs Ministerpräsident betonte stets das Glück im Kreise seiner Lieben. Doch seine Ehe war wohl schon lange nicht mehr ideal. Nun wurde die Trennung bestätigt.
So eine muss eigentlich innerlich kochen. Wenn sie wieder verschleppt wird zu so einem Auftritt, wo ihr Mann sich feiern lässt, damit die Karriere weiterläuft. Und dann steht sie oben auf dem Podium, neben ihr ein Haufen Ministerpräsidenten mit orangefarbenen CDU-Schals, und es piepst eine bescheuerte CDU-Maus ins Mikrofon, dass zu einem starken Spitzenkandidaten immer auch eine starke Frau gehört. Na danke, muss so eine eigentlich denken.
Aber Inken Oettinger hatte kein säuerliches Gesicht in solchen Momenten. Sie ist einfach dagestanden wie bestellt und abgeholt, wenn auch ohne Lächeln und ohne orangefarbenen CDU-Schal. Unten im Publikum werden ein paar aus der Partei gedacht haben: Tapfer, dass sie das mitmacht. Gut für den Günther. Und gut für uns.
Jetzt ist es vorbei. "Ehe kaputt", hat die Bild verkündet und Oettinger bestätigte, dass seine Ehe gescheitert ist und sie sich trennen werden. Vorher waberten die Gerüchte, und die Tratschtanten in Stuttgart sabberten fast schon, so saftig waren die Geschichten ums Regierungspaar. Aber Oettinger schaffte es, sein Privatleben herauszuhalten aus den Medien.
Sein wirkliches Privatleben, muss man anfügen, denn vermutlich hat selten in Deutschland ein Politiker sein Unglück derart als Glück ausgegeben.
Der Anlass, bei dem sich die Oettingers verliebten, passt absurd zu ihrer Geschichte. In den 80er-Jahren trafen sie sich auf einem Maskenball, die Junge Union feierte den Fasching. Inken Stange kam aus dem Stuttgarter Jet-Set, die Eltern hatten ein Modehaus in der Landeshauptstadt. Sie soll an dem Abend ein Feenkleid getragen haben.
Ob Günther Oettinger verkleidet war, ist nicht überliefert. Er war damals 30 und vielleicht trug er damals auch noch nicht jene Politikermaske, in die er sich im Laufe der Jahre hineingekrampft hat. Er war der Chef der Jungen Union Baden-Württemberg, ein junger Jurist, den seine Verbindungskumpel zum Chef auserkoren hatten, weil er der klügste war. Mit anderen putschte er sich in der Ludwigsburger CDU hoch, der Hunger nach der Macht wuchs. Er managte sich hoch, knüpfte Männerbünde, wurde Kronprinz.
In der Öffentlichkeit versagte er. Eigentlich kann Oettinger liebenswürdig auftreten, sein Lächeln wirkt weich und scheu. Aber wenn er auf einer Bühne steht und eine Rede vorliest, schwingt seine Linke auf und ab wie bei einem Nussknacker. Er rasselt die Sätze so schnell runter, dass sein Vorgänger Erwin Teufel später mal über das "Maschinengewehr" lästerte.
Aber Oettinger ist fleißig und gewieft. Dass er als eckiger Zahlenmensch daherkam, ließ sich in seiner Zeit als aufstrebender Fraktionschef im Landtag noch verkaufen: der seriöse, kompetente Ökonom.
Wie die Ehe in den ersten Jahren des Aufstiegs lief, geht niemanden etwas an. Man hatte eher den Eindruck, dass Inken Oettinger die Politik vor allen Dingen schnurz ist. Damals war es auch noch nicht so wichtig, das Familienglück zu präsentieren.
Doch als Oettinger dann Ende 2004 endlich den alten Erwin Teufel wegorganisiert hatte, musste er endlich am Image arbeiten. Teufel war der gemütliche Landesvater gewesen, bei dem sich Schwaben und Badener aufgehoben fühlten. Oettinger musste weicher werden, und über die Politikermaske musste noch eine Familienmaske drüber.
Zum Wahlkampf 2006 hat er also das "Kinderland Baden-Württemberg" ausgerufen und seinen acht Jahre alten Sohn Alexander mit auf Politbühnen genommen. Er ließ ihn vom Südwestfunk filmen und von Bild fotografieren.
Die Konkurrentin Ute Vogt stand ohne Mann und ohne Kind da, dagegen erzählte Oettinger vom Familiengespräch beim Frühstück und lud einen Haufen Korrespondenten mit seinem Sohn in den Zoo ein.
Oft ging seine Frau nicht mit aufs Foto und nur bei einigen Auftritten tauchte sie auf, eben dann, wenn es unbedingt nötig war, dass jemand den Satz von der starken Frau hinter ihrem starken Mann sagen musste.
Er hatte über ein Jahrzehnt daran gearbeitet, Teufel wegzukriegen, nun wollte er auch die Bestätigung durchs Volk. Er raste von Veranstaltung zu Veranstaltung und es kam vor, dass er Würdenträger irgendwo an die Wegstrecke bestellte. Oettinger und seine Leute rackerten und rackerten und hinterher soffen sie noch einen.
Im Wahlkampf war nicht die Rede davon. Der Kandidat schwärmte von gemeinsamen Familiengesprächen, wenn er nach Hause komme, vom Frühstück mit dem Sohn und dass er sich Wochenenden freihalte.
Inken Oettinger hat später mal einer Zeitung gesagt, wenn der Mann spät heimkomme, habe sie "kein Interesse mehr".
Im Wahlkampf schwor er die altbackene Südwest-CDU auf ein neues Familienbild ein. Dabei hat in seiner Familie immer die Frau den Sohn betreut.
Inken Oettinger funktionierte. "Ich bin Begleitung", hat sie mal gesagt. In seltenen Fällen ist sie doch ausgebrochen. Als die Bunte zur Homestory kam, führte der Ministerpräsident seine Familie in der Villa Reitzenstein vor. Dort wohnt nicht das Glück, sondern der Apparat des Regierungschefs. Aber Villa ist eben Villa. Oder vergangene Woche, als sie Berliner Damen zu einem Kaffeekränzchen in der Landesvertretung Baden-Württemberg am Tiergarten einladen sollte. Sie lud ein, aber sie selbst kam einfach nicht.
Günther Oettinger schaffte 2006 seinen Wahlsieg bravourös, aber trotzdem hat er sich nicht entspannt. Er behielt die alten Gewohnheiten bei, lebte im Auto. Er trat in Fettnäpfchen, verhedderte sich in einer verfälschenden Trauerrede für den Nazi-Juristen Hans Filbinger. Er wollte sich eine neue Referentin ins Staatsministerium holen, obwohl die junge Frau ausgerechnet mit dem rechtslastigen Studienzentrum Weikersheim zu tun hatte.
Die Gerüchte über das Privatleben des Ministerpräsidenten drangen nun bis nach Berlin. "Die Einschläge kommen näher", sagte ein CDU-Politiker vor ein paar Wochen. Der Boulevard wurde ungeduldig, Oettingers Leute argumentierten mit der Familie: Das Kind sei doch erst neun. Und er hatte wieder eine Wahl vor sich, die Bestätigung als Landesvorsitzender. Der halbe Parteitag muss da schon getratscht haben. "Viele hatten ein flaues Gefühl im Magen", sagt ein Christdemokrat. Egal, nichts war offiziell, Ergebnis: 91,5 Prozent für Oettinger.
Inken Oettinger selbst fiel nur selten auf in der Öffentlichkeit. Einmal erschien sie zu einer Mottoparty im Fidel-Castro-Look. Es wurde gemault - wer hatte jemals Edeltraud Teufel in so einer Aufmachung erlebt. "Bevor ich halbnackig im Kuba-Röckchen komme, doch lieber so", konterte sie trotzig. Sie wollte sich nicht dem Druck aussetzen, eine andere zu sein.
Jetzt stehen keine Wahlen an und insofern passt Oettinger der Zeitpunkt für die öffentliche Trennung in den Kram. "Das Ende seiner Liebe", stand in Bild, und in den nördlicheren Ausgaben der Zeitung war die Trennungsgeschichte auf der Seite eins sogar unwichtiger als die Preiserhöhungen der Bahn. Hatte nicht Christian Wulff aus Niedersachsen seine Trennung 2006 ohne Komplikationen inszeniert?
"Wir sind hier nicht Niedersachsen", sagt ein Mitglied der CDU-Führung im Land. Es gibt die Katholiken im Südschwarzwald, den Pietkong in Altwürttemberg, und Hohenlohe heißt auch das Madonnenländle. Funktionäre fragen sich, ob jetzt die ganzen saftigen Gerüchte zu Schlagzeilen und Farbfotos werden und wie das ankommt bei den Christdemokraten. Das klingt besorgt, aber manchmal ist auch Schadenfreude rauszuhören.
Die Oettingers haben am Montag eine Erklärung verbreitet. "Nach eingehender Prüfung haben wir uns heute im Einvernehmen dazu entschieden, getrennte Wege zu gehen", stand da in schönstem Wirtschaftsprüferdeutsch.
Aber weiter hieß es: "Meine Frau war zunehmend unglücklich mit der Belastung, die durch Termine und Öffentlichkeit entstanden ist." Das klang echt.
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