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EditorialNeue Rechte undalte Gleise

Von unserer Redaktion

Kontext hatte im Vorfeld darüber berichtet: Am vergangenen Samstag wollte sich die Gruppe „Reconquista 21“, der Südwest-Ableger der rechtsextremen „Identitären Bewegung“, zum „Schwabenkongress“ in Ludwigsburg treffen. Auf dem dortigen Rathaushof demonstrierten etwa 600 Leute gegen die Zusammenkunft, die dann aber doch nicht in Ludwigsburg, sondern in einem Sportheim in Nürtingen stattfinden sollte. Nachdem der Wirt von der Polizei angesprochen worden war, so berichtet es die „Stuttgarter Zeitung“, habe er die Veranstaltung abgesagt.

„Tschüss!“

Gegen drei Rechtsextreme hat die Nürtinger Polizei ein Aufenthaltsverbot im Stadtgebiet ausgesprochen. In einem Video des rechtsextremen Magazins „Compact“ ist „Compact“-Mann Paul Klemm zu sehen, der vernehmlich angekotzt Polizisten bequatscht, die ihn gerade der Stadt verweisen. „Herr Klemm, diese Richtung“, sagt einer davon nur, „tschüss“. Am Tag darauf noch ein Aufenthaltsverbot, diesmal für Martin Sellner, den Ober-Identitären aus Österreich, der in Augsburg eine Lesung angekündigt hatte.

Der alte und der neue Pätzold

Alle Jahre wieder … ist Stuttgart 21 Thema im Verkehrsausschuss des Bundestags. Zuletzt am vergangenen Montag. Streng genommen ging es um den Paragrafen 23 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (AEG). Dessen Novelle hatte im Sommer für große Aufregung in Stuttgart gesorgt. Denn sie erschwert die Entwidmung von Gleisflächen, weswegen viele um die mit S 21 verbundenen Immobilienträume bangten (Kontext berichtete). Die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag wollte im Ausschuss einen Änderungsentwurf diskutieren, interessant war da die Auswahl der geladenen Sachverständigen: Während die Grünen-Fraktion den Passauer Rechtsprofessor Urs Kramer als Experten benannt hatte, der die Novelle verteidigte, gehörte zu den von CDU/CSU Geladenen unter anderem – der Stuttgarter Grüne und Baubürgermeister Peter Pätzold. Der seine Befürchtung wiederholte, man könne wegen der Novelle das geplante Rosensteinviertel nicht umsetzen.

Interessant wurde es, als der FDP-Bundestagsabgeordnete Valentin Abel Pätzold fragte, ob der Stadt Stuttgart, die 2001 schon alle Gleisflächen gekauft hatte, bewusst gewesen sei, dass die noch nicht entwidmet seien und es daher Risiken gebe. Antwort von Pätzold: Nein, das Risiko sei „uns“ nicht bewusst gewesen. Kurz zuvor hatte Werner Sauerborn vom Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 – im Ausschuss als Sachverständiger für die Linke – allerdings daran erinnert, dass Pätzold noch 2013 anders geklungen habe. Auf einer Demo gegen S 21 hätte der damals bezweifelt, dass die Gleisflächen überhaupt für den Wohnungsbau entwidmet werden könnten. Aber das war noch der alte Pätzold, bevor er 2015 Baubürgermeister wurde.

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