piwik no script img

Eckiger Tisch über Martinistraße

■ Umweltsenator lud die Geschäftsleute von der Martinistraße zum Gespräch - und alle kamen / Autos unter die Erde, oben etwas netter?

Verkehrspolitik in der Bremer City - darüber ist trotz monatelangem Parteien-Streit noch ein Gespräch möglich. Gut 40 Geschäftsleute kamen, die allesamt Anlieger der Martinistraße und also unmittelbar betroffen sind, als der für Stadtentwicklung zuständige Senator Rapf Fücks am Dienstg nachmittag zu einer zweistündigen Diskussion einlud. „Wir wollen eine Planung machen in Auseinandersetzung mit Ihnen und ihrer Kompetenz“, versicherte der grüne Senator. Abschied also von der fixen Idee einer „autofreien Innenstadt“, die noch einer der 13 Kernpunkte des grünen Programms zur Bürgerschaftswahlen war. Alle Verkehrsarten, so wollte Fücks den Kaufleuten garantieren, müßten die Innenstadt erreichen können. Bloß: damit Kunden die Geschäfte auch erreichen könnten, müßten Durchgangsverkehre raus und Berufspendler umsteigen, damit mehr Platz und Ambiente für Fußgänger entstehen kann.

Die Bremer Geschäftswelt war durchaus geneigt, sich auf diese Debatte einzulassen. Er habe seit 26 Jahren sein Geschäft an der Martinistraße und wohne auch dort, erklärte der Kaufmann Willem. Die Straße habe „eine Menge verloren“ und er jedenfalls würde es „hochgradig begrüßen“, wenn die Fahrspuren reduziert würden, um Platz für mehr Boulevard zu machen. Drei Jahre Baustelle für eine Untertunnelung , (wie es von Handelskammer und CDU für die Durchgangsverkehre gefordert wird), wäre für viele der Einzelhändler aber tödlich, meinte Willem.

Dabei ist er durchaus kein Anhänger der Stadtplanungs-Ideen des grünen Senators: Das Stichwort von der „autogerechten Innenstadt“ wollte er als positives Signal verbreitet wissen. Mehr „Aufenthaltsqualität“, die der Senator immer wieder geschäftsfördernd anbot, sollte nicht die Erreichbarkeit für die PKW-Verkehre mindern.

Daß das nicht alles gleichzeitig geht, wußten auch die Geschäftsleute. Bremen sei besser, also autofreundlicher als sein Ruf, war in mehreren Wortbeiträgen zu hören. Mit Dodenhof dürfe sich die Bremer City eben nicht vergleichen, Bremen müsse seine Attraktivität herausstellen, meinte ein Vertreter eines überregionalen Immobilien-Fonds mit Besitz in der Martinistraße. Der Glaubenskrieg drehe sich weniger um die konkrete Stadtplanungs-Politik als um das Vertrauen, daß nicht auch gegen das letzte Auto noch gekämpft wird, warf der Vertreter der Öffentlichen Versicherungen, Fliegner, ein. Der Vertreter der hkk, Mühl, sagte ausdrücklich „Ja“ zur Verkehrsreduzierung, nur wenn er in dem Modell des Stadtplanungsamtes ein halbes Dutzend Bäume finde, wo derzeit vor seiner Tür die Parkplätze für Kurzparker und für Behinderte seien, dann verwundere ihn das doch.

Unversöhnlich wurde das Gespräch dann aber doch immer wieder, als es um den Tunnel ging. „Das würden selbst Ihre Gefolgsleute akzeptieren“, wurde dem grünen Senator eine Brücke gebaut. „Bringen Sie die Autos unter die Erde und machen sie's oben ein bißchen netter.“ Wie in Bochum, zum Beispiel. Das koste mehr als 400 Millionen, unbezahlbar für Bremen, „wir würden unser Geld vergraben“, versuchte Fücks den Gedanken zu verbannen. Aber das wollten die Kaufleute nicht akzeptieren, hatte doch auch CDU-Kandidat Nölle eher von 150 Millionen Kosten gesprochen. Handelskammer-Vertreter Krauß, der die ganze Zeit schweigend zugehört hatte, konnte zum Schluß dann doch dieses Kernproblem vertiefen: Erstens, so erinnerte er, war selbst der Gutachter des Umweltsenators davon ausgegangen, daß eine Verkehrsberuhigung in der Martinistraße die (von der SPD bisher abgelehnte) Öffnung der Georg-Bitter-Trasse voraussetzt. Zweitens solle das Sanierungsprogramm Bremens Wirtschaft ankurbeln. Eine Stadtplanung, die nicht mit deutlich mehr Verkehr rechne, verfehle die Ziele des Sanierungsprogramms.

An dieser Stelle wurde Fücks zum Schluß dann doch noch fundamental: Wenn das Verkehrswachstum nicht gestoppt werden könnte, was aus Stadtplanungs- und aus Umweltgründen zwingend sei, wenn also die PKW-Verkehre derart zunehmen, daß sie „oben Konsens, unten Tunnel“ erzwängen, dann „wäre meine politische Perspektive gescheitert, meinte Fücks, „dann würde ich sagen - verkehrspolitisch - gute Nacht.“ K.W.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen