BANCA D’ITALIA – DIE BEWUNDERUNG IST VORBEI : Echte Feinde, falsche Freunde
Ein Rücktritt muss keine Schande sein. Schon einmal, vor gut 25 Jahren, tat ein Präsident der italienischen Notenbank diesen Schritt: Paolo Baffi gab, kaum hatte die Staatsanwaltschaft Rom ein Ermittlungsverfahren gegen ihn eröffnet, 1979 umgehend sein Amt zurück. Baffis Ruf hat das nicht geschadet: Er galt und gilt als untadeliger Ehrenmann, ja als Justizopfer.
Auch Antonio Fazio, seit zwölf Jahren Chef der Banca d’Italia, möchte sich nun in diese Rolle hineinstilisieren. Nichts habe er sich zuschulden kommen lassen, immer habe er sich an die Gesetze gehalten, so seine Verteidigungslinie. Doch selbst wenn er am Ende von allen Vorwürfen freigesprochen würde: zu einem zweiten Baffi wird Fazio nie werden. Baffi nämlich hatte die falschen Feinde und scheiterte an seiner Integrität: Er hatte sich dem Mafia-Banker Michele Sindona in den Weg gestellt, der, kräftig unterstützt vom damaligen Ministerpräsidenten Giulio Andreotti, sein bankrottes Bankhaus auf illegale Weise sanieren wollte. Per Palastintrige wurde Baffi daraufhin mit dem haltlosen Ermittlungsverfahren weggeräumt.
Fazio dagegen hatte die falschen Freunde: Er förderte nach Kräften den kriminellen Banker Gianpiero Fiorani, der mit Insidergeschäften, Aktienkäufen über Strohmänner und Kursmanipulationen in Italien ein neues Bankenimperium errichten wollte und dabei noch Millionen Euro für sich abzweigte. Er habe leider „dem Falschen vertraut“, lamentiert Fazio nun, der plante, ausländische Investoren abzuwehren und die italienischen Banken unter italienischer Kontrolle zu halten. Das soll wie eine Entschuldigung klingen; es ist aber – jenseits der kleinen Geschenke von Fiorani – schon der wahre Rücktrittsgrund. Fazio hatte als Chef der Bankenaufsicht alle Mittel, sich Einblick in das Geschäftsgebahren des smarten New-Comers Fiorani zu verschaffen. Doch statt den halbseidenen Betrüger zu bremsen, feuerte Fazio ihn noch an – und bremste stattdessen die holländischen Mitbieter um die Bank Antonveneta aus. Dafür durfte Fazio sich noch vor wenigen Wochen als Ehrenmann feiern lassen – ausgerechnet von jenem Andreotti, der seinerzeit für den integren Baffi kein Wort der Verteidigung herausgebracht hatte.
So wird der Skandal um Fazio auch zum Symbol des Niedergangs der Banca d’Italia. Die Notenbank war über Jahrzehnte so gut wie die einzige Institution in Rom, die als gleichermaßen kompetent wie unbestechlich galt. Nicht umsonst hatte sie einen Baffi hervorgebracht, nicht umsonst folgte auf Baffi ein Carlo Azeglio Ciampi. Unter Fazio dagegen ist die Banca d’Italia in der italienischen Normalität angekommen. Und ausgerechnet Berlusconi hat es nun in der Hand, mit der Nominierung des neuen Chefs den guten Ruf der Notenbank wiederherzustellen. MICHAEL BRAUN