: Echt schwarzer Kandidat mit burischem Namen
Vorbereitung der Kommunalwahlen in Soweto laufen auf Hochtouren / Staatliche Behörden sind kräftig um hohe Wahlbeteiligung bemüht / Arbeiter werden auch während der Arbeitszeit in Gruppen zu den Wahllokalen gekarrt ■ Aus Soweto Hans Brandt
„Schwören Sie, die Geheimhaltung der Wahl zu wahren und allen für die Wahl dieser Lokalverwaltung geltenden Gesetzen Gehorsam zu leisten? Auf daß Gott mir helfe?“ Sarel van Rensburg, stellvertretender Stadtdirektor von Soweto, rattert den Schwur herunter. „Auf daß Gott mir helfe,“ wiederholt der schwarze Mann, der mit lässig erhobener Hand vor ihm steht. Eine Minute, dann ist es vorbei. Hendrik van Roos ist geschworener Kandidat für die Kommunalwahlen in Soweto.
„Van Roos, was für ein toller burischer Name, und dann auch noch Hendrik als Vornamen,“ van Rensburg freut sich. „Dabei sind Sie ein echter Xhosa, nicht?“ Der Kandidat nickt. „Aber ich lebe schon seit mehr als 20 Jahren in Soweto,“ räumt er ein.
Van Rensburgs Büro gleicht einem Taubenschlag. Grünuniformierte Polizisten der Soweto-Verwaltung gehen aus und ein. Wahlhelfer stapeln Wählerlisten in die Ecke, andere sortieren Tausende von Stimmzetteln. Metallene Wahlurnen werden von Polizisten überprüft. Die Vorbereitungen für die Wahl laufen auf Hochtouren. Zwar ist das offizielle Datum, der 26. Oktober, noch zwei Wochen entfernt, aber in Wirklichkeit begann die Wahl schon am Montag.
Jeder Wähler kann, ohne irgendeine Sondergenehmigung, vom 10. bis 22. Oktober im Voraus wählen. Dazu sind für Soweto sogar zwei Wahllokale im Zentrum von Johannesburg, außerhalb des eigentlichen Wahlbereiches, eingerichtet worden. „Wir müssen unser äußerstes tun, um aus dieser Wahl einen Erfolg zu machen,“ sagt van Rensburg. „Und mit der Stimmabgabe im Voraus können die Menschen Einschüchterung durch die Radikalen vermeiden.“ Um eine hohe Wahlbeteiligung zu erzielen, haben staatliche Behörden auch dafür gesorgt, daß ihre Arbeiter in den nächsten Tagen während der Arbeitszeit in Gruppen zu den Wahllokalen gebracht werden. „Es soll ja jeder die Möglichkeit haben, zu wählen,“ begründet van Rensburg den Vorgang. Dennoch sind in den ersten Tagen kaum mehr als 3.000 Stimmen in Soweto abgeben worden - weniger als ein Prozent der 350.000 Wähler.
Van Rensburg ist stolz auf „sein“ Soweto. „Hier in Soweto beweisen wir, daß Weiße und Schwarze zusammenarbeiten können,“ prahlt er. „Meine Vorgesetzten sind Schwarze und das macht mir nichts aus.“ Er ruft einen alten schwarzen Mann, der im Vorzimmer sitzt, zu sich. „Setzen Sie sich hin. Im Stehen sehen Sie nicht so gut aus,“ sagt er dem Mann, der als Zeichen seiner Autorität einen geschnitzten Stock in der Hand hält. Van Rensburg stellt ihn vor: „Dieser Herr ist seit 25 Jahren Mitglied der Stadtverwaltung von Soweto. Stimmt das nicht?“ Der alte Mann nickt.
In diesen Jahren habe sich viel in Soweto geändert, behauptet van Rensburg. Er ruft einen Angestellten zu sich: Gawie van der Merwe, der im Wohnungsbau tätig ist. „Wir haben hier Wohnungsbauprojekte, die mit dem, was in weißen Gebieten angeboten wird, vergleichbar sind,“ sagt van der Merwe. „Wir haben sogar Häuser, die ihre eigenen Schwimmbäder haben.“
Van Roos, der Kandidat, hat während dieses Gespräches zustimmend genickt. Die Stadtverwaltung hat Soweto verbessert. Deshalb hält er es für richtig, bei der Wahl zu kandidieren.
Auch Letsetsi Radebe, Vorstandsvorsitzender der Stadtvewaltung von Soweto, hat keine Zweifel, daß seine erneute Kandidatur richtig ist. „Es geht hier um Beteiligung. Wir wollen neben der Regierung sitzen und sie herausfordern,“ sagt er. „Und wenn ich außerhalb des Systems bin, habe ich keine Macht.“ Radebe ist überzeugt, daß der Stadtrat der Bevölkerung helfen kann. Deshalb meint er, daß diese Wahl besonders erfolgreich sein wird. „Die Leute, die wählen, sind Erwachsene mit Verantwortungsbewußtsein,“ sagt er. „Sie wollen ihre eigenen Führer wählen.“
Im Wahllokal im Erdgeschoß des Verwaltungsgebäudes ist tatsächlich etwas los. Die „Sofasonke„-Partei, die größte in Soweto, bringt ihre Mitglieder und Unterstützer zur Wahl. Es handelt sich in der Tat um Erwachsene: die Wähler sind alle Rentner. „Hier ist ein Mann, der 106 Jahre alt ist,“ prahlt einer der weißen Beamten. „Können Sie lesen und schreiben?“ fragt er dann den alten Mann. Der verneint. Also wird das Formular für die Vorwahl für ihn ausgefüllt. Er setzt nur sein Kreuz darunter. Dann führt ein anderer Beamter ihn zur Wahlkabine. Er zeigt ihm den Stimmzettel und liest ihm die Namen der drei Kandidaten in seinem Wahlkreis vor. „Wem wollen Sie Ihre Stimme geben?“ fragt der Weiße den alten Mann. Der murmelt einen Namen. Der Beamte macht ein Kreuz auf dem Stimmzettel, steckt ihn in den Umschlag und führt den Alten zur Wahlurne. Dort überläßt er dem Großvater endlich den Zettel. Der Alte wirft ihn ein und sieht sich etwas zögernd um. Ein Sofasonke-Mitglied führt ihn zur Tür hinaus. Seine „Beteiligung an der Demokratie“ ist beendet.
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