: Eberhard und der Wählerwille
Zum Demokratieverständnis des Westberliner CDU-Chefs ■ K O M M E N T A R
„Es ist gegen jeden Wählerwillen, wenn die PDS in Ost-Berlin politische Verantwortung trägt.“ Mit dieser Analyse verblüffte gestern der Westberliner CDU-Vorsitzende Eberhard Diepgen. So viel Demokratieverständnis löst Nachdenken aus: Da hat diese Un-Partei es nicht nur geschafft, zweitstärkste Fraktion in der Stadtverordnetenversammlung zu werden, nein, in manchen Bezirken ging sie sogar als Nummer Eins aus den Kommunalwahlen hervor. Daß die über 30 Prozent Wähler keine Demokraten sind, wissen wir doch alle, warum also sollten dann ihre Kandidaten politische Verantwortung übernehmen? Da der Wähler nicht ganz so will, wie der Westberliner CDU-Chef möchte, muß man eben auf einen anderen Dreh kommen: Die Schaffung von politischen Bezirksämtern, denn dann kann die ehemalige Blockpartei CDU wunderbar mit der SPD koalieren und die PDS landet auf der Oppositionsbank. Wenn die Wähler irgendwann dann „richtig“ wählen, kann man die an sich von der CDU-West ungeliebten politischen Bezirksämter ja wieder abschaffen.
Ob die CDU-Ost damit einverstanden ist, interessiert die CDU-West herzlich wenig. Denn in einem künftigen Gesamtberliner Landesverband werden die Unions-Christen aus dem Ostteil nichts zu sagen haben. „In der Berliner CDU wird es ein kommunales Wahlrecht für Ausländer nicht geben“, so Diepgen - gemeint war die Gesamtberliner CDU. Was macht es schon, daß die Ostberliner CDU sich für ein kommunales Ausländerwahlrecht eingesetzt hat. Der künftige Landesvorsitzende der CDU wird aufgrund der ungleichen Mitgliederzahlen sicher nicht Eberhard Engler heißen, und was demokratisch ist, wird sein Namensvetter den knapp 3.000 Ostberliner CDU-Mitgliedern schon noch beibringen.
Kordula Doerfler
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