„Easy“ ist klassisches Mumblecore. Heißt: Nix passiert: Liebe, Sex und Pärchen überraschend langweilig
Die Couchreporter Heute: Carolina Schwarz
Um sich vom lähmenden Alltag und den Krisen der Realität abzulenken, stürzen sich viele in noch gewaltvollere Welten. Sie beobachten Kämpfe bei „Game of Thrones“ oder trauern um die Toten bei „Grey’s Anatomy“. Ich mag es lieber langweilig. Und Langeweile kann die neue Netflixproduktion „Easy“ richtig gut.
Die Charaktere beschäftigen sich mit den Fragen, die das Leben aufwirft: Kinder kriegen oder lieber illegale Bierbrauerei gründen? Sind Selfies Kunst? Und kann man als Hausmann eigentlich noch guten Sex haben? Doch Antworten gibt es keine. Es gibt kein Richtig und Falsch – es gibt nur Happy End. Großes Dramen? Nada. Doch wenn bei mir zu Hause die Waschmaschine mal wieder ausläuft und Schreckensbilder aus Aleppo auf mich einprasseln, macht mir nichts mehr Spaß, als mich einfach mal genussvoll zu langweilen. Ohne Cliffhanger und Charakterentwicklungen erzählt der Regisseur Joe Swanberg abgeschlossene Geschichten mit neuen Protagonist_innen. Das lässt keine Spannungsbogen zu und erzählt trotzdem vielfältige Geschichten. Was sie alle verbindet, ist die entspannte Stimmung eines gemütlichen Sonntagnachmittags in Chicago. Typisch „Mumblecore“. Das Genre für Independentfilme bedeutet auf Deutsch ungefähr: Es passiert gar nichts. Genauer: Zwischenmenschliche Beziehungen so realistisch wie möglich. Wie in der sechsten Folge „Utopia“, indem das Ehepaar Lucy (Malin Akerman) und Tom (Orlando Bloom) zum ersten Mal mit der Leiterin ihrer Babykrabbelgruppe Annie einen Dreier ausprobiert. Es folgen 15 Minuten mit einem nackten Orlando Bloom, Alkohol und unsicherem Gekicher. Gestört durch Schreie aus dem Babyfon muss eine_r der drei das Sexspiel kurz verlassen. Doch das Drama bleibt aus. Der Dreier weckt keine romantischen Gefühle und die Episode kommt zu einem versöhnlichen Abschluss.
In den acht Episoden „Easy“ werden nicht nur weiße Heteros im Alltag gezeigt. Es gibt Pärchen und Sexaffären zwischen queeren Menschen, Schwarzen und Weißen. Es geht zum Beispiel um das frisch verliebte Pärchen Chase und Jo. Das typische Narrativ von homosexuelllen Paaren wie Coming-out oder Probleme mit der eigenen sexuellen Identität kommen nicht zur Sprache. Stattdessen wird endlich mal etwas Neues gezeigt. Nämlich dass queere Menschen genauso seltsame und banale Probleme haben wie Heteropaare.
Gerade das Einfache macht die Serie so einzigartig, doch in der vierten Episode, „Controlada“, geht das Prinzip nicht auf. Das argentinisches Paar Gabie und Bernie wird in ihrer alltäglichen Routine vom Besuch des Exfreundes Martin gestört. Dieser zieht nachts von Club zu Club und legt sich später mit verdreckten Schuhen und einem Joint auf das neue Sofa. Gabie zieht mit Martin um die Häuser. Wieder zu Hause liegt Bernie schlafend in seinem Bett, während Martin Gabie bedrängt. Sie sagt nicht Nein, doch sie schiebt ihn immer wieder von sich weg, erwidert seine Küsse nicht. Eine unangenehme Szene, aber es fehlt ein klares Statement gegen Rape Culture. Doch genau das ist ein wichtiges Thema, das sich hier zu verhandeln lohnt. Ein Urteil bleibt bei „Easy“ aus. Und genau hier funktioniert entspannte Langeweile nicht.
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