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EVP-Spitzenkandidat für die EU-WahlJuncker führt die Konservativen

Die Europäische Volkspartei hat den Ex-Regierungschef Juncker zum Spitzenkandidaten gewählt. In seiner Rede kritisierte er EU-Feinde und forderte ein sozialeres Europa.

„Ich bin sehr stolz“: Jean-Claude Juncker (Archivbild) Bild: dpa

DUBLIN afp | Der frühere luxemburgische Regierungschef Jean-Claude Juncker tritt als europäischer Spitzenkandidat für die Konservativen zur Europawahl an. Juncker setzte sich auf dem Nominierungsparteitag der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP) durch, wie die EVP am Freitag im irischen Dublin mitteilte. In einer Kampfabstimmung gewann er gegen den EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier aus Frankreich.

„Ich bin sehr stolz, der Spitzenkandidat zu sein“, sagte Juncker. Der als Favorit gehandelte Luxemburger gewann die Abstimmung allerdings weniger klar als im Vorfeld erwartet: Juncker errang 382 Stimmen, Barnier vereinigte 245 Stimmen auf sich. Nach seiner Wahl rief Juncker Barnier auf die Bühne des Parteitags. Der Franzose gratulierte seinem Konkurrenten „von ganzem Herzen“ und versprach: „Du kannst auf mich zählen.“

Für den im vergangenen Herbst in seinem Heimatland abgewählten Juncker ist die Spitzenkandidatur die Möglichkeit, wieder auf die europäische Bühne zurückzukehren. Bei der Europawahl gehen erstmals EU-weite Spitzenkandidaten ins Rennen, da nach dem neuen EU-Vertrag von Lissabon das Ergebnis der Europawahl bei der Auswahl des Kommissionschefs berücksichtigt werden muss. Die Spitzenkandidaten treten daher auch um die Nachfolge von José Manuel Barroso im Amt des EU-Kommissionspräsidenten an.

Die EVP, zu der auch die deutschen Schwesternparteien CDU und CSU gehören, bestimmte als letzte Gruppierung ihren Kandidaten und eröffnete damit die heiße Phase vor den Europawahlen Ende Mai. In Deutschland findet die Abstimmung am 25. Mai statt.

Juncker, der im Gegensatz zu Barnier Regierungschef seines Landes war, betonte in Dublin vor den Delegierten seine 19-jährige Erfahrung als Ministerpräsident sowie als Chef der Eurogruppe während der Schuldenkrise. „Die Eurozone war in Gefahr“, sagte der als Favorit geltende Politiker. „Ich habe alles in meiner begrenzten Macht Stehende getan, um die Katastrophe zu verhindern.“ Er halte nichts von einer Aufteilung Europas in Nord und Süd, kleine und große Mitgliedstaaten, sagte Juncker weiter: „Ich will Brücken bauen und eine Konsensmaschine in Europa werden.“

Juncker forderte ein sozialeres Europa. Die Millionen von Arbeitslosen in der EU dürften nicht zum 29. Mitgliedstaat werden. „Wir dürfen das Soziale nicht den Sozialisten überlassen, es ist besser bei uns aufgehoben“, sagte Juncker, der anders als Barnier Teile seiner Rede außer auf Französisch und Englisch auch noch auf Deutsch hielt.

Warnung vor Populisten

Juncker warnte zudem vor dem Aufstieg populistischer EU-Feinde und kritisierte Brüsseler Bürokratieauswüchse. „Um Europa weiter zu bringen müssen wir dafür sorgen, dass Europa sich auf zentrale Fragen konzentriert und sich nicht in die Kochtöpfe und die Essgewohnheiten der Menschen einmischt“, sagte Juncker. „Zu viel Europa im Kleinen tötet Europa im Großen.“

Juncker wird somit Hauptwidersacher von Europaparlamentspräsident Martin Schulz (SPD) sein, der für die Sozialdemokraten antritt. Trotz der Mahnungen aus dem EU-Parlament bleibt unsicher, ob die Staats- und Regierungschefs tatsächlich den Spitzenkandidaten der siegreichen Parteienfamilie zum Kommissionspräsidenten wählen werden. Sie könnten sich auch für einen aktuellen Regierungschef entscheiden.

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6 Kommentare

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  • PO
    Parteien ohne Volk

    Die Europäische Volkspartei ist wie die Europäischen Sozialisten eine Partei ohne Volk. Bei den Sozialisten ist es nicht so peinlich, die haben das "Volk" welches sie so fürchten wenigstens nicht im Namen. Gemeinsam ist man sich allerdings einig, daß weder direkte Demokratie noch irgendetwas was demokratisch wäre in der EU einen Platz hat. Denn dann gäbe es all die Apparatur und damit topdotierte Pöstchen in Brüssel nicht mehr.

  • D
    DINGO

    Ach, Jean-Claude! Du hättest bei Zeiten besser mal den Mund gehalten:

     

    1.) "Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, ob was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter."

     

    Wenn das schon ein Knüller war, aber...

    2.) "Wenn es ernst wird, muss man lügen."

     

    DAS ist der Gipfel der Demokratiefeindlichkeit!

  • Als Chef der €-Group gab Claude Junker die Parole aus: "Wir müssen alles im Geheimen tuen. Wenn es ernst wird, müssen wir lügen!" Armes Europa!

  • S
    Sören

    Wenn man die Kommentare anschaut, könnte man meinen, die EU hätte auch das Denken verboten. Aus jeder Zeile sprechen und triefen Hass, Frustration und Verbitterung. Das alles hat keine sachlichen, sondern persönliche Gründe.

     

    Grundsätzlich ist es positiv, dass es jetzt europaweite Spitzenkandidaten gibt. Es ist aber unwahrscheinlich, dass einer von den Kandidaten der großen Parteien tatsächlich Kommissionspräsident wird. Einen Deutschen halte ich in der jetzigen Lage für unglücklich. Der polnische Außenminister Sikorski oder der schwedische Außenminister Bildt wären interessante Alternativen.

     

    Richtig ist, dass das Prinzip der Subsidarität beachtet werden muss. Aber die alten Nationalstaaten sind für eine Reihe von Aufgaben zu klein, dazu gehören etwa der Außenhandel, der Umwelt- und Klimaschutz oder die Sicherheitspolitik. Hier sind gesamteuropäische Lösungen, oft schon aus praktischen Gründen, sinnvoller.

  • K
    Klarsteller

    Ein altgedienter Apparatschik, der den ganzen Brüsseler Mist hauptsächlich mitverbockt hat, macht sich als daheim abgehalfterter Politiker noch mal wichtig. Soll er doch zuhause weiterbechern und uns mit seinem Anblick und seiner Hinterfotzigkeit verschonen.

  • E
    EU-Lobbyisten

    Junker steht nur für ein "weiter so" in Richtung Bürokratiezuwachs und Bürgergängelung. Weder er noch Schulz kümmern sich um die Sorgen und Nöte der Bürger, sonder beide haben nur den eigenen Machtzuachs vor Augen.

     

    Verbot von Glühbirnen, Verbot von Ölfläschchen auf dem Restauranttisch. Verbot von Staubsaugern, Verbot der Rede- und Pressefreiheit. Gigantische Schuldverteilung - kein Wunder wenn der tatsächlich kritische Bürger sich von diesen EU-Bürokraten abwendet.