piwik no script img

EUROPÄISCHES PATENTAMT GEWÄHRT ZU WEIT REICHENDE GENPATENTEGut fürs Geschäft

Das Europäische Patentamt hat gestern beschlossen, keine weit reichenden Generalpatente auf die Herstellung und Verarbeitung von Menschen- und Tierembryonen zu erteilen. Allerdings werden die Schotten weiterhin Lizenzgebühren kassieren dürfen, wenn ihr biotechnisches Verfahren auf Stammzellen aller Art angewandt wird. Die bisherige Praxis des Münchner Amts wird damit bestätigt und nur ein einmaliger, besonders krasser Ausreißer widerrufen.

Wohlgemerkt: Patente auf gentechnische Erfindungen sind nötig, damit es eine wirtschaftliche Anwendung der Gentechnik geben kann. Wenn ein Unternehmen Geld in die Entwicklung eines Verfahrens investiert, müssen eventuelle Erfindungen geschützt sein, damit sich ein Profit erzielen lässt. Das ist in allen Bereichen der Technik so. Unverständlich ist, warum das Europäische Patentamt im Biotech-Bereich den Schutz so weit fasst: Nicht nur das Verfahren, sondern oft auch das Objekt einer Erfindung wird mitpatentiert. Das wäre so, als würde der Erfinder der Holzsäge auch gleich den Baum mit patentiert bekommen, und künftig müssten ihm alle Schreiner, Papierfabriken oder Förster Lizenzgebühren bezahlen.

Diese Praxis wird durch die gestrige Entscheidung in keiner Weise berührt. Deshalb muss die Politik handeln. Und zwar auf europäischer Ebene. Denn das Patentamt hat gestern noch einmal klargestellt, dass es an nationale Gesetze nicht gebunden ist. Die Regierungen der EU müssen hier also endlich striktere Grenzen ziehen. Dass sie es bisher nicht taten, ist auf den Druck der Industrie zurückzuführen. Schließlich können die etablierten Unternehmen mit einem weit reichenden Schutz ihrer Geschäfte gut leben.

Der Verweis auf die europäische Ebene soll aber nicht heißen, dass die hiesige Regierung nicht schon einmal etwas tun könnte. Denn die Patentierung ist nur eine Stufe bei der Anwendung der Gentechnik. Fast wichtiger ist dabei die Umwandlung in konkret handelbare Produkte und Dienstleistungen sowie deren Zulassung für den allgemeinen Verkehr. Hier gibt es Verwaltungsverfahren und Gesetze wie das Embryonenschutzgesetz oder das die Zulassung von landwirtschaftlichem Saatgut betreffende, die durchaus in nationaler Verantwortung liegen. Die große Mehrheit der Parlamentarier hat beschlossen, dass Deutschland auch bei der Anwendung der Gentechnik führend sein soll. Aber das darf nicht darauf hinauslaufen, dass sich in ein paar Jahren weite Bereiche von Medizin und Landwirtschaft in den Händen der Inhaber ausufernder Patente befinden. MARIA KLEINSCHROTH

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen