■ EURO–Golz: Hart, aber ehrlich
Nachdem wir jetzt schon alle Mannschaften und alle Stadien gesehen haben, fallen zwei Dinge auf. Zum einen steht der Europameister immer noch nicht fest, und zum anderen sind alle Spiele ausverkauft. Da aber nicht alle Plätze besetzt sind, stellt sich die Frage, wo denn die ganzen Leute geblieben sind. Eine Möglichkeit ist der Schwarzmarkt, der bei solchen Großveranstaltungen immer blüht. Schnell verdientes Geld lockt überall die Menschen.
Ich weiß aber, daß der Grund für die leeren Ränge ganz woanders liegt. Der englischen Polizei ist ein Coup gelungen, der auf der ganzen Welt seinesgleichen sucht. Selbst wenn es Scotland Yard noch irgendwann einmal schaffen sollte, das Geld von Ronald Biggs (einer der legendären „Post-Räuber“; die Red.) aufzutreiben, ist diese Aktion mit dem Codewort „Hoolpool“ die spektakulärste polizeiliche Leistung seit dem Erschießen von Butch Cassidy und Sundance Kid.
„Hoolpool“ ist eine akribisch geplante und perfekt ausgeführte Maßnahme. Tausende Polizisten haben am letzten Sonnabend, vier Stunden vor dem Anpfiff des Eröffnungsspiels, alle in- und ausländischen Hooligans festgenommen, ohne daß die Öffentlichkeit davon Kenntnis nahm. Vorbereitet wurde „Hoolpool“, seitdem feststand, wo die EURO 96 stattfinden wird. Initiatorin war natürlich Margaret Maggie Thatcher.
Jetzt fragt man sich selbstverständlich, wo die Hirntoten zwischengelagert werden. Auch dafür haben die Briten (mit Unterstützung der Franzosen) die beste aller Lösungen: den Tunnel. Für die Aktionäre ein schreckliches Desaster – ist er finanziell doch längst ein schwarzes Loch –, für „Hoolpool“ aber praktisch zur Lichtgestalt unter den Gulags aufgestiegen. Tausende von Hooligans haben nun die Möglichkeit, Mann zu spielen, ohne jemanden zu stören oder gar irgendetwas kaputtzumachen. Sollten die edlen Ritterspiele im Untergrund zu heiß werden, flutet man einfach den Tunnel.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen