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EU kippt Tiermehl-VerbotAus Fleisch soll wieder Fisch werden

Vor zwölf Jahren wurde das Verfüttern von Tiermehl wegen der BSE-Krise verboten. Nun will die EU es wieder zulassen – zunächst nur in der Fischzucht.

Tiermehlverladung in thüringischen Eixleben. Bild: dpa

BERLIN taz | „Es passt nicht zur Logik der Nahrungskette, Fischen Fleisch zu fressen zu geben.“ So drückt es die französische Umweltministerin Delphine Batho aus. Das ist nur einer von vielen Gründen warum Verbraucherschützer derzeit sauer auf die EU-Kommission sind.

„Es droht ein BSE 2, wenn das Verbot, Tiermehl an Nutztiere zu verfüttern, Schritt für Schritt aufgehoben wird“, sagt Rüdiger Rosenthal vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND).

Die EU-Kommission hat kürzlich verkündet, dass Fische und andere auf Aquafarmen gezüchtete Tiere ab dem 1. Juni wieder mit Mehl aus nicht-wiederkäuenden Tieren wie Schweinen und Hühnern gefüttert werden dürfen. Im Jahr 2014 könnte das Fleischmehl außerdem für Schweine und Geflügel zugelassen werden.

Während Vertreter der tierverarbeitenden Industrie die geplante Aufhebung des Tiermehlverbots begrüßen, sehen Verbraucherschützer darin ein Risiko für die Gesundheit von Nutztieren und Konsumenten.

Kurz nach dem Ausbruch der Rinderkrankheit „Bovine spongiforme Enzephalopathie“ (BSE) im Jahr 2000 war die Verfütterung von Tiermehl verboten worden. Der Grund: Über das Futtermehl konnten sich Krankheitserreger schnell verbreiten. Nun wurde laut EU-Kommission bewiesen, dass „das Risiko einer BSE-Übertragung unter nicht-wiederkäuenden Tieren geringfügig“ sei, solange Kannibalismus vermieden wird.

Schweine und Hühner dürfen also zu Mehl verarbeitet werden, Rinder, Ziegen und Schafe aber nicht. Mit Hilfe von DNA-Tests soll kontrolliert werden, dass Tiere nicht ihre eigenen Artgenossen fressen.

Nur von gesunden Tieren

Auch die Zusammensetzung des Tiermehls ändert sich nun: Während es vor dem Verbot aus sämtlichen Resten toter Tiere erzeugt wurde, dürfen ab Sommer nur Nebenprodukte genutzt werden, die von gesund geschlachteten Tieren stammen, aber aus wirtschaftlichen oder kulturellen Gründen nicht zum menschlichen Verzehr verwendet werden können.

Harald Niemann vom Verband der Verarbeitungsbetriebe Tierischer Nebenprodukte (VVTN) begrüßt deshalb das Gesetz. „Es dient zur Flächeneinsparung von Soja und Leguminosen und schont somit die Ressourcen“, sagt er der taz.

Als Proteinersatz nicht notwendig

Tatsächlich wird der tierische Eiweißbedarf derzeit über Getreide und Hülsenfrüchte wie Soja gedeckt. „Insgesamt könnte Fleischmehl aber nur drei bis fünf Prozent des Futterproteinbedarfs aller Nutztiere decken“, mildert Bernhard Krüsken vom Deutschen Verband für Tierernährung (DVT) das Argument ab.

In den vergangenen Jahren hat die Fischindustrie viele alternative Futterzusätze gefunden. Matthias Keller vom Bundesverband der deutschen Fischindustrie und des Fischgroßhandels sieht deshalb keine Notwendigkeit für die Wiedereinführung von Tiermehl.

Da die Einführung nun aber nicht mehr zu stoppen scheint, fordert die französische Umweltministerin die Einführung eines Siegels mit der Aufschrift „ohne Tiermehl“.

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16 Kommentare

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  • I
    Ibarbara

    Ich fuehle mich immer weniger von den EU Politikern vertreten !

    Was soll mann noch essen ?

    Unsere Nutztiere bekommen Dreck und Industriefette zu fressen, die Diecounter pantschen Wasser ind den TK Fisch um ihn teurer zu verkaufen, tierhaltungsvorschriften werden nicht eingehalten, ...

    Und keiner verhaengt einmal so drastische Strafen, dass sich eine Eiderholung endlich mal NICHT lohnt ...

  • B
    bob

    Das einzig gute an der ganzen Sache ist, dass wir so weniger Fleischreste nach Afrika schicken könnten, um dort den heimischen Markt zu zerstören. Nur weil wir uns zu fein sind, dass zu essen, was hier übrig bleibt. Das ist immer noch möglich!

  • OM
    overkill Methoden

    Hauptsächlich wurde BSE durch das in Dänemark entwickelte Niedertemperaturverfahren für die Tiermehlherstellung verbreitet. Etliche Bauern starben und wurden entsprechend des Bundesseuchengesetz in Plastiksäcken beerdigt oder gegen den letzen Wille verbrannt.

    Nun nutzt man Wasserstoffperoxid Sterilisationsverfahren und andere Verfahren zum hächseln aller Organe. Also egal was da reinkommt, die Rasenmäher macht alles zu Brei.

    Immer wieder interessant an welchen Stellen die DIN EN ISO Normen zum Wohle des Welthandels teils negativ verändert werden. Welche Mechanismen zwischen WHO-WTO und Europa-Deutschland von Politiker und Instituten sind wohl vorhanden?

    Ist es Aufgabe der Außenpolitiker Normen passend zu gestalten?

    Als Journalist bräuchte man nur auf die amtlichen Bekanntmachungen achten.

  • H
    harry

    es ist zum kotzen. aber ich kann doch nicht schon wieder eine petition unterschreiben. mein zeigefinger tut mir schon weh vom vielen anklicken der protestlisten und schwarmintelligenz lässt langsam nach.

  • T
    Thorsten

    Und da wir ja komplett überbesetzte Kontrollbehörden haben, können sich alle Menschen selbstverständlich auf völlig gesunde Lebensmittel freuen! Das ist doch toll!

  • N
    Nausea

    Nach der Lektüre dieses Artikels gewinnt der Spruch "Ich kann gar nicht soviel essen wie ich kotzen möchte" (Max Liebermann) wieder mal konkrete Gestalt.

     

    Ich selbst lebe schon seit Jahrzehnten vegetarisch, diese Ernährungsweise ist mir sozusagen in Fleisch und Blut übergegangen.

     

    Da es in immer mehr Großstädten mittlerweile Bioläden gibt, die ausschließlich vegane Produkte anbieten (das hätte ich mir vor zehn oder zwanzig Jahren noch nicht träumen lassen), sehe ich mittlerweile aber gute Ansätze für einen Bewusstseinswandel in Sachen Ernährung und Ethik.

  • ST
    Spitze, Timmi!

    immer den Wirtschaftsliberalisten geben + Arme sind sowieso faule Leistungsverweigerer, aber wenns gegen Verbraucherschutz geht, sind sie immer noch als Schutzschild gut, nicht wahr?

    Wer zahlt Ihnen eigentlich Ihre dummen Kommentare?

  • F
    frei

    Quecksilber in Sparlampen, BSE-Tiermehl für Fische usw. zeigen, dass die EU in dieser Form keine Zukunft hat.

    Erstaunlich, dass die Merkel-Regierung mit der Lobbyistin Aigner in Deutschland so populär ist. Was sie selber nicht direkt durchsetzen kann, wird an die Kommission delegiert.

    Auch der Ausstieg vom Atomausstieg scheint auch nur eine Frage der Zeit. Die EU-Kommission wird es schon richten.

  • S
    spiritofbee

    Naja, eventuell besteht ja die Chance den einen oder anderen Schreibtischtäter ins Futtermehl mit einzuarbeiten. Dann ergäbe das Ganze doch zumindest im Kleinen einen Sinn.....

  • B
    bellinda

    Will die Mehrheit der EU-Bürger wirklich

    die EU-Kommissare.

    Wie sich das anhört, als ob es Horden

    von potentiellen Verbrechern und Polizisten

    zu verwalten gäbe!

    Wieso kann niemand diesen Mist verhindern?

    Wieso wird der Bürger in einen ständigen

    Daueralarmismus gehalten?!

    Der Fisch stinkt Kopf her und gehört beseitigt!

    Danach wird man sich wieder wundern, wenn

    tierische Fette und technische Fette

    bei der Fütterung "aus Versehen" ausgetauscht

    worden sind! Die EU ist das Probleme und nicht die Lösung.

  • A
    Antonietta

    Um 1 kg Fleisch zu erzeugen, benötigt man 7–16 kg Getreide oder Sojabohnen. Dies kann ohne Übertreibung als die effektivste Form von Nahrungsmittelvernichtung bezeichnet werden. In den USA fressen die rund 8 Milliarden Schlachttiere 80% der Getreideernte. Bei den Sojabohnen dienen weltweit sogar 90% als Futtermittel. Rund ein Drittel des weltweit produzierten Getreides wird an Tiere verfüttert, um deren Fleisch zu essen. Würden z.B. die Amerikaner nur 10% weniger Fleisch essen, so könnte man mit dem dadurch eingesparten Getreide rund eine Milliarde Menschen vor dem Hungertod bewahren. Alle 3 Sekunden stirbt ein Kind an Unterernährung!!

  • E
    EU-Komissare

    zu Tiermehl!

  • TL
    Tim Leuther

    In einer Welt mit hungernden Menschen sollten wir nicht weiter Fleisch wegschmeißen und Soja anbauen um es an Tiere zu verfüttern.

     

    Das man das zurücknimmt ist die übernahme einer ethischen Verantwortung.

  • W
    Wolfram

    Tiermehl ist sicher, der Herr ist allmächtig und die Erde ist eine Scheibe. Also wozu die Aufregung?

    Man muss sich doch nur eine einzige Frage stellen: wieviele Menschen wollen Tiermehl in der Nahrungskette und wieviele sind dagegen? Warum also nicht einen Volksentscheid zu dieser Frage durchführen?!

  • S
    Sowjet-Kommissaren

    Wie viele schwarze Koffer haben denn diesmal ihre Besitzer getauscht?

  • D
    derSpain

    "Nur von gesunden Tieren"

    Haha, ja klar doch. Ich freu mich schon auf den nächsten Skandal: Bio-Eier sind wirklich Bio, Rindfleisch enthält auch wirklich kein Pferd und Tiermehl wird echt nur aus gesunden Tieren gemacht. Versprochen! Dafür haben wir ja lückenlose Kontrollen, da KANN JA NICHTS SCHIEF GEHEN! (Atomkraft ist ja auch sicher, ich schwör'!)

    Wenn die EU das wirklich so wie im Artikel beschrieben umsetzt ist es nur eine Frage der Zeit bis rauskommt dass sich mal wieder irgendwer nicht dran gehalten und falsch etikettiert hat.

     

    Mir kommt grad der Verdacht, dass all diese Fleischskandale von einer geheimen Veganer-Illuminaten-Lobby eingefädelt werden, denn: Ich denke ich bin nicht der einzige, dem so almählich die Lust auf Fleisch vergeht.