EU fürchtet pronationalistisches Serbien: Politgeschacher auf dem Balkan

Eigentlich steht Bosnien und Herzegowina als Beitrittskandidat der EU fest. Jetzt soll das Abkommen hinausgezögert werden. Erst will man die Wahlen in Serbien abwarten.

Verärgert über die Unabhängigkeitserklärung des Kosovos stellt Serbiens Premier Kostunica eine Koalition mit Nationalisten in Aussicht. Bild: dpa

SARAJEVO taz Die Außenminister der 27 EU-Staaten wollten eigentlich am heutigen Montag darüber entscheiden, Bosnien und Herzegowina als neuen Beitrittskandidaten der Europäischen Union zu nominieren. Die Grundlage hierfür hatten die bosnischen Politikern in diesem April gelegt, indem sie die seit Jahren verhandelte und von der EU geforderte Polizeireform beschlossen. Erster Schritt in diesem Prozess wäre jetzt die Paraphierung des "Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen" (SAA) mit dem Balkanstaat durch alle EU-Mitgliedsstaaten. Wann die Paraphierung aber nun tatsächlich vorgenommen werden kann, ist wieder unklar. Denn die Texte müssten noch in alle Sprachen der Mitgliedsländer übersetzt werden, erklärten Diplomaten gestern in Sarajevo. Und das könne noch einige Wochen dauern. Als Termin sei jetzt der 26. Mai angepeilt.

Diplomatische Beobachter gehen aber auch davon aus, dass es in Brüssel politische Kräfte gibt, die erst die Wahlen in Serbien abwarten wollen, bevor grünes Licht für die Paraphierung des SAA-Abkommens mit Bosnien und Herzegowina gegeben wird. Denn will man Serbien auf jeden Fall ins Boot holen, dann könnte eine bevorzugte Behandlung Bosnien und Herzegowinas Belgrad eher verstören. Vor allem Javier Solana, Hoher Kommissar für die Außen- und Sicherheitspolitik der EU, und Schwedens Außenminister Carl Bildt wollen mit Integrationsangeboten Serbien um jeden Preis entgegenkommen und so die proeuropäischen Kräfte in Serbien stärken.

Bei der Parlamentswahl am 11. Mai droht nämlich in Belgrad ein Machtwechsel. Die Schlüsselrolle über den künftigen Weg des Landes hat derzeit Ministerpräsident Kostunica inne. Nach der diplomatischen Anerkennung der begrenzten Unabhängigkeit Kosovos durch Schlüsselstaaten der EU deutete ein verärgerter Kostunica an, die bisherige Koalition seiner Demokratische Partei Serbiens (DSS) mit der prowestlichen Demokratischen Partei (DS) und den Reformern der G-17 platzen zu lassen und eine Koalition mit der Radikalen Partei ( SRS) und den Sozialisten des ehemaligen Präsidenten Slobodan Milosevic ( SPS) zu schließen. Das rechtsnationalistische Lager in Serbien stellt sich gegen eine Mitgliedschaft in der EU, "die einen Teil Serbiens von Serbien abtrennen will", wie Kostunica es formulierte.

Es gibt andererseits auch Kräfte in der EU, die Serbien nicht weiter entgegenkommen wollen. So fordern die Niederlande und Belgien weiterhin, Serbien müsse zuerst den vom UN-Tribunal für Kriegsverbrechen gesuchten Exgeneral Ratko Mladic verhaften. Laut diplomatischen Quellen ist davon auszugehen, dass starker Druck auf die Niederlande und Belgien ausgeübt wird, um ihre Position zu korrigieren. Die EU bleibt in der Behandlung der Balkanstaaten weiter uneins. Einig ist man sich lediglich darin, diesen Staaten eine europäische Perspektive anzubieten.

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