EU für Ausbaggerung der Unterelbe: Grünes Licht für Elbvertiefung
Die EU-Kommission befürwortet das Projekt. Ausgleichsmaßnahmen reichten aus, Kosten und Zeitplan sind weiter unklar. Umweltverbände wollen klagen.
HAMBURG taz | Die Pläne für eine erneute Elbvertiefung haben eine wichtige Hürde genommen. Eine positive Stellungnahme der EU-Kommission zu dem Projekt liege seit Dienstag vor, teilte Hamburgs Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) am Mittag im Rathaus mit. Auf dieser Grundlage würden nun die Nachbarländer Schleswig-Holstein und Niedersachsen binnen drei Monaten um ihr Einvernehmen gebeten. Danach könne im Frühjahr 2012 ein Planfeststellungsbeschluss erlassen werden. Der tatsächliche Baubeginn hänge aber auch von möglichen Klagen der Umweltverbände ab.
Nach Prüfung der Unterlagen habe die EU mitgeteilt, dass aus ihrer Sicht "die nachteiligen Auswirkungen der Fahrrinnenanpassung wegen des überragenden öffentlichen Interesses, für das es keine durchführbare Alternative gebe, gerechtfertigt sind", zitierte Horch aus dem Schreiben. Die Eingriffe in die Natur an der Unterelbe würden durch die versprochenen ökologischen Ausgleichsmaßnahmen mehr als aufgewogen. Hamburg muss diese in einem jährlichen Umweltbericht nachweisen.
Die Planungen für die inzwischen neunte Ausbaggerung der Unterelbe mussten zwei Mal überarbeitet werden und sind rund fünf Jahre in Verzug. Auch die beiden Nachbarländer an der Unterelbe waren bislang eher skeptisch. Vor allem Niedersachsen sträubt sich, weil es die Sicherheit seiner Elbdeiche in Gefahr sieht. Sie könnten, so die Befürchtung, bei einem Anstieg des Meeresspiegels künftigen Sturmfluten nicht mehr gewachsen sein. Hamburg und der Bund hatten deshalb unter anderem sechsstellige Millionensummen für einen besseren Deichschutz zugesagt.
Die Unterelbe soll auf 120 Kilometern Länge zwischen Cuxhaven und Hamburg um etwa einen Meter vertieft werden.
Ausbauziel: Containerfrachter mit einem Tiefgang bis zu 13,50 Meter sollen jederzeit den Hafen anlaufen oder verlassen können. Ein Tiefgang von 14,50 Metern soll tideabhängig, also bei auflaufendem Wasser, möglich sein.
Ausbaukosten I: Die Gesamtkosten werden zurzeit mit rund 385 Millionen Euro angegeben. Davon trägt mit 248 Millionen Euro den größten Teil der Bund, auf Hamburg entfallen 137 Millionen Euro.
Ausbaukosten II: Kritiker sprechen von bis zu 600 Millionen Euro. Der Anteil Hamburgs dürfte bei rund 200 Millionen Euro liegen.
Auf einen genauen Zeitplan wollte Horch sich am Dienstag nicht festlegen. Wenn keine weiteren Verzögerungen eintreten, könnte der Bau Ende 2012 beginnen und nach etwa zwei Jahren abgeschlossen sein. Zu den Kosten sagte der Wirtschaftssenator mit Blick auf die erste Schätzung vor sieben Jahren: "Es wird schon teurer werden." Von Kritikern genannte Summen in Höhe von rund 600 Millionen Euro könne er aber "nicht bestätigen". Wie teuer die Elbvertiefung tatsächlich werde, sei zurzeit "von niemanden zu beantworten".
Die Umweltverbände BUND, Nabu und WWF erklärten in einer gemeinsamen Stellungnahme, die EU-Kommission sei "dem Druck der Wirtschaftslobby gefolgt". Es handele sich um eine politische Stellungnahme und keine fachliche. Die drei Verbände behalten sich vor, gegen die Elbvertiefung vor die Gerichte zu ziehen.
Am Sinn der Elbvertiefung zweifelt zudem Schleswig-Holsteins grüne Bundestagsabgeordnete Valerie Wilms. "Künftige Mega-Frachter mit bis zu 18.000 Containern werden auch nach der Vertiefung nicht auf der Elbe fahren können", stellt Wilms fest. Mit der Vertiefung werde dem Jade-Weser-Port in Wilhelmshaven, dem künftigen Tiefwasserhafen Deutschlands, "das Wasser abgegraben", fürchtet sie.
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