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Archiv-Artikel

EU: UNGESTÖRT ERHÖHT FRANKREICH DIE PRODUKTION VON NUKLEARSTROM Atomkraft ist kein Auslaufmodell

Belgien tut es, Deutschland tut es, Schweden tut es auch: aus der Atomkraft aussteigen. Drei Länder mit Ausstiegsbeschluss, sieben, die nie eingestiegen sind – zwei Drittel der EU-Mitglieder sind gegen Atomstrom. Offensichtlich scheint sich in Europa die Erkenntnis durchzusetzen, dass das Garen von Kartoffeln mittels Spaltung von Urankernen die dümmste Art der Nahrungszubereitung ist. Atomkraft, ein Auslaufmodell?

Mitnichten. 2002 wurde in der EU 1 Prozent mehr Atomstrom produziert als im Vorjahr, womit der Anteil der Atom- an der Gesamtstromproduktion um 1 auf 34 Prozent stieg. Die Schuld daran liegt nicht bei den künftigen Mitgliedern, die noch kein statistisches Gewicht haben, sondern bei Frankreich. Dieser Trend wird anhalten: In der französischen Gesellschaft ist der Konsens zementiert, das die Atomspaltung im Interesse des Landes liegt. Nicht einmal die französischen Grünen trauen sich gegen diesen Konsens vorzugehen. Das Einverständnis geht so weit, dass allenfalls ein atomarer Unfall daran rütteln könnte. Das ehrenhafte Häuflein Aktivisten, das heute gegen einen neuerlichen Atomtransport nach La Hague protestieren will, wird maximal als unverbesserlicher Haufen von Störenfrieden wahrgenommen.

Das hat ganz unmittelbare Auswirkungen auf den Nachbarn Deutschland. Nicht nur, dass die europäische Energiepolitik atomstromfreundlich ist, auch der deutsche Atomkonsens wird unterlaufen. Solange deutsche Energiekonzerne Atomstrom aus Frankreich nachfragen, so lange wird sich Frankreich um rot-grüne Ausstiegsbeschlüsse nicht scheren. Solange deutsche Wissenschaftler mit französischen Nukleokraten den Europäischen Druckwasserreaktor entwickeln, so lange wird sich Paris über die Unentschlossenheit der Berliner Energiepolitik freuen. Solange sich ein grüner Außenminister davor drückt, Frankreichs Energiepolitik zu kritisieren, so lange wird dort niemand diese Politik in Frage stellen. Und solange Europas Atommacht Nummer eins nicht unter Druck gerät, wird Europa nuklear bleiben. Deutschland inklusive. NICK REIMER