EU-Russland-Gipfel in Chabarowsk: Schadensbegrenzung im Fernen Osten
Am Donnerstag beginnt der EU-Russland-Gipfel in Chabarowsk. In der ostrussischen Stadt sollen die frostigen Beziehungen wieder aufgewärmt werden. Doch der Themenkatalog verspricht viel Streit.
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MOSKAU taz | Die Anreise zum EU-Russland Gipfel ist diesmal etwas beschwerlicher. Zehn Stunden fliegt die europäische Delegation von Brüssel bis zum Tagungsort Chabarowsk im russischen Fernen Osten. Neun Zeitzonen wird sie dabei überwinden. Die Gäste sollten "Russland besser erfühlen können", meinte der sonst eher prosaische Kremlchef Dmitrij Medwedjew zur Wahl des entlegenen Treffpunkts.
Die schiere Weite des Landes, so mögen die Gastgeber mutmaßen, könnte den Europäern noch einmal die geopolitische Dimension Russlands vor Augen führen und ihnen mehr Respekt einflößen. Nicht zufällig liegt die Stadt am Amur auch nur einen Steinwurf von der Grenze zu China entfernt, das Moskau gerne als alternativen Partner zu Europa ins Gespräch bringt.
Die Beziehungen der EU zu Russland sind seit langem frostig. Auch unter dem neuen Präsidenten Dmitrij Medwedjew blieb die Atmosphäre unterkühlt. "Wenn wir aus Chabarowsk mit geringem Schaden abreisen, wäre das schon einiges", meinte ein EU-Diplomat. Die Aushandlung des neuen Partnerschaftsabkommens (PA) bewegt sich nur schleppend voran. Beide Seiten sind unzufrieden und werfen sich gegenseitig Versäumnisse vor.
Zu den wichtigsten Streitpunkten gehört die Energiesicherheit. Die EU besteht darauf, dass die von Brüssel lancierte Energiecharta Teil des neuen PA wird. Neben Liefersicherheit hebt die Charta vor allem das Recht auf wechselseitige Investitionen in den Energiemärkten hervor. Moskau, das das Vertragswerk 1994 unterzeichnete aber nie ratifizierte, fürchtet jedoch ins Hintertreffen zu geraten und lehnt den Vorstoß mit der Begründung ab, bislang von maßgeblichen Beteiligungen an EU-Energiekonzernen ausgeschlossen worden zu sein.
Unterdessen unterbreitete Präsident Medwedjew im April neue Vorschläge zur Regelung der Energiesicherheit, die auch andere Energieträger neben Öl und Gas einbeziehen und zumindest die Diskussion wieder beleben könnten.
Einen Temperatursturz in den Beziehungen verursachte der russische Georgienfeldzug im August 2008. Die Folgen sind immer noch zu spüren. So lehnte Moskau die Verlängerung des Mandats der Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in den abtrünnigen georgischen Gebieten Abchasien und Südossetien ab. Der Kreml beruft sich auf den Status der Republiken, deren staatliche Souveränität Russland einseitig anerkannte.
Jüngster Zankapfel ist die Initiative der EU, mit sechs ehemaligen Sowjetrepubliken eine "östliche Partnerschaft" auf die Beine zu stellen. Dazu gehören die Ukraine, Georgien, Moldawien, Armenien, Aserbaidschan und das bislang von der EU als totalitärer Paria behandelte Weißrussland. Weniger die Begeisterung als vielmehr die Einsicht, diesen Staaten Aussicht auf einen eigenen Entwicklungsweg bieten zu müssen, stand in Brüssel bei der Annäherung Pate.
Russland betrachtet diese Länder nach wie vor als Teil seines geopolitischen Dominiums. Der Vorstoß des aus Moskauer Sicht bis dato zahnlosen Europas sorgt in Russland für erhebliche Irritationen. Plötzlich wird die als harmlos eingestufte EU zu einem Feindbild aufgewertet, was bislang der Nato vorbehalten war. Die neuen Ost-Partner dürften nicht vor das Dilemma gestellt werden, "entweder vorwärts in die schöne Zukunft mit der EU oder zurück in die düstere Vergangenheit mit Russland" zu gehen, meinte Moskaus EU-Botschafter Wladimir Tschischow.
Darüber hinaus wird Präsident Medwedjew noch einmal für sein Konzept einer neuen Sicherheitspolitik werben, das bei den Europäern bisher zurückhaltend aufgenommen wurde. In Anknüpfung an das Helsinki-Abkommen der OSZE plädiert der Kremlchef für eine neue Sicherheitsmatrix, die es erübrigt, "die Nato in alle Richtungen zu schicken".
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