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EU-Parteitag der LinksparteiDie Wessis übernehmen das Ruder

Auf dem EU-Parteitag der Linkspartei offenbart sich die Kluft zwischen Ost-Pragmatikern und der West-Linken. Sylvia-Yvonne Kaufmann und André Brie scheitern mit Kampfkandidaturen.

Eigentlich sollte es ordentlich und gemäßigt zugehen auf dem EU-Parteitag in Essen....... Bild: dpa

Bis zum Samstagabend um kurz vor elf war alles harmonisch. Die 470 Delegierten debattierten freundlich und stimmten diszipliniert ab. Lothar Bisky hielt, wie immer auf Parteitagen, eine kluge und ausgewogene Rede. Er lobte die umstrittene EU-Parlamentarierin Sylvia-Yvonne Kaufmann für ihr Engagement, stritt gegen den Lissabon-Vertrag, dem er gleichwohl bescheinigte, mehr Demokratie zu bringen. Oskar Lafontaine agitierte schwungvoll gegen den Finanzkapitalismus, für die Demokratisierung der Wirtschaft und die Übernahme von Firmen durch die Belegschaften und wärmte so die Herzen der Genossen. Bisky als nette Integrationsfigur, Lafontaine als Kopf mit Strahlkraft nach außen - damit hat die Spitze der Linkspartei eine effektive Rollenverteilung gefunden.

DIE LINKE EUROPALISTE

Die Linke hat auf ihrem Parteitag in Essen insgesamt 30 Kandidatinnen und Kandidaten für die Europawahl im Juni aufgestellt. Die Partei geht von aussichtsreichen 13 Plätzen aus. Die Liste der Listenplätze:

1. Lothar Bisky: 93,4 Prozent.

2. Sabine Wils: 70,8 Prozent.

3. Gabriele Zimmer: 77,6 Prozent.

4. Thomas Händel: 78,1 Prozent.

5. Cornelia Ernst: 78,8 Prozent.

6. Jürgen Klute: 85,9 Prozent.

7. Sabine Lösing: 60 Prozent. Sie setzte sich gegen die EU-Parlamentarierin Sylvia-Yvonne Kaufmann (36 Prozent) durch. Kaufmann trat auch noch zur Kampfkandidatur um die Listenplätze 9 und 13 an. Sie scheiterte auch hier.

8. Helmut Scholz: 83,4 Prozent.

9. Martina Michels: 50,9 Prozent. In der Stichwahl gegen Sylvia-Yvonne Kaufmann (22,2 Prozent).

10. Tobias Pflüger: 51,6 Prozent. Pflüger setzte sich gegen Wilfried Telkämper durch. Telkämper sitzt jetzt auf Listenplatz 14.

11. Sidar Aydinlik-Demirdögen: 55,1 Prozent.

12. Sascha Wagener: 61,1 Prozent. Gegen ihn trat André Brie an. Dieser bekam 25,9 Prozent.

13. Ruth Firmenich: 53,9 Prozent. In der Stichwahl mit Sylvia-Yvonne Kaufmann (45,5 Prozent).

14. Wilfried Telkämper: 54,4 Prozent. Telkämper gewinnt in der Stichwahl gegen Dominic Heilig (45 Prozent).

Bisky wurde mit dem fast realsozialistischen Ergebnis von 93,4 Prozent zum Spitzenkandidaten für die Europawahl nominiert. Hinter ihm wurde die blasse Gewerkschafterin Sabine Wils, eine ehemalige DKPlerin, problemlos gewählt. Auch das Europawahlprogramm, über das es im Vorfeld Streit gegeben hatte, wurde nach zähen Debatten über kleinteilige Änderungen nahezu einstimmig angenommen.

Doch hinter der harmonischen Fassade toben heftige Kämpfe. Die Linkspartei ist tief in Ex-PDS und Ex-WASG gespalten. Die Flügel, Ostrealos und Westlinke, streben nicht zusammen, sondern eher auseinander. Westlinke wie Wolfgang Gehrcke und Christiane Reimann erhielten donnernden Applaus, weil sie gegen die EU als "imperialer Block" zu Felde zogen, in dem bloß "Klassenkampf von oben" exekutiert werde.

Realos wie Matthias Höhn, Parteichef in Sachsen-Anhalt, warnten vor dieser Brachialrhetorik. Doch der Beifall für solche geerdeten Einwürfe wirkte schüchtern. Dabei geht es nicht um taktische Differenzen, sondern um eine tiefe Kluft zwischen Reformisten und Radikalen. Während viele, vor allem aus dem Westen, gegen Kapitalismus und die EU wettern, plädieren Ostpragmatiker wie Wulf Gallert für die EU, "um den Kapitalismus bändigen zu können".

Am Samstagabend explodierte dann der von der Parteispitze sorgfältig kaschierte Konflikt um Sylvia-Yvonne Kaufmann: Das frühere PDS-Mitglied meldete seine Kampfkandidatur gegen die Westlinke Sabine Lösing an. Im Gegensatz zur Gesamtpartei ist Kaufmann für den Lissabon-Vertrag. Auch deshalb stand ihr Name nicht auf der Liste des Bundesausschusses, ebenso wenig wie der von André Brie.

Es folgte ein Rededuell, bei dem all die verborgenen Affekte und Aggressionen kurz herausbrachen. Lösing, Mitglied der "Antikapitalistischen Linken", wetterte gegen das "Europa der Konzerne". Kaufmann beschwor die "Idee Europa" und appellierte an den "linken Pluralismus". Vergebens. Die niedersächsische Westlinke Tina Flauger rief erregt, Kaufmann zu wählen bedeute, den Beschluss gegen den Lissabon-Vertrag nicht ernst zu nehmen.

Auch Ulrich Maurer, ein Vertrauter Lafontaines, mahnte, dass Kaufmanns Wahl den Mann/Frau- und den Ost/West-Proporz stören würde. Ostrealos beschworen Kaufmanns langjährige Verdienste für die PDS. Doch es half nichts. Mit 35 zu 60 Prozent unterlag sie klar. Kaufmann kandidierte trotzig bis zum Platz 13 - ohne Erfolg. Auch der frühere Chefdenker der PDS, André Brie, scheiterte recht deutlich an einem linken Flügelmann. "Kein schönes Resultat", kommentierte ein Realo-Bundestagsabgeordneter. Die Niederlagen von Brie und Kaufmann hatten die Realos schon halb eingepreist. Die beiden, hörte man aus dem pragmatischen Forum Demokratischer Sozialismus, haben "sich einfach zu viel Feinde gemacht". Doch für die pragmatischen Kräfte sollte es noch schlimmer kommen.

Am Sonntag kippte die Stimmung. Die Parteispitze wollte den Ex-Grünen Wilfried Telkämper nominieren, eigentlich einen idealen Kandidaten: zehn Jahre Erfahrung im Europaparlament, Gegner des Lissabon-Vertrags und ein Signal dafür, dass die Linkspartei nicht nur ehemaligen Sozialdemokraten offensteht. Doch der Parteitag votierte knapp für den Fundi Tobias Pflüger und verbannte Telkämper auf den aussichtslosen Platz 14. Erstaunlich war diese Votum auch, weil Pflüger bereits kundgetan hatte, gar nicht mehr ins Europarlament zu wollen. Doch sein Versuch, ein Bundestagsmandat zu bekommen, scheiterte. Normalerweise bestrafen Parteitage solche Taktierereien - doch der Wille zum rhetorischen Radikalismus war stärker.

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33 Kommentare

 / 
  • GL
    Georg Litty, Neustadt an der Weinstraße (Abonnent)

    Liebe taz,

     

    Tobias Pflüger hatte seinen Kandidaturverzicht *längst* zurückgenommen. Wie wäre es mal mit etwas Recherche, bevor ihr solche Falschmeldungen verbreitet?

     

    Tobias hat in den letzten Jahren eine großartige linke, friedenspolitische und militarismuskritische Arbeit in Brüssel geleistet. Es liegt m.E. einfach deutlich näher, einen Abgeordneten, der gute Arbeit gemacht hat, wieder aufzustellen, als einen anderen, der vielleicht auch gut wäre, an seine Stelle zu setzen.

    So hat sich erfreulicherweise auch die Linke entschieden.

     

    Schade ist, aus dem selben Grund, daß die Linke auf Sylvia-Yvonne Kaufmann verzichtet hat. Flügel hin, Lager her, ihr hätte ich die Wiederaufstellung gewünscht, auch wenn ich ihre Meinung zum Lissabon-Vertrag nicht teile.

     

    Brie, der sich seit Jahren als Opfer der "bösen Parteilinken" profiliert, hat hingegen nichts anderes verdient als endlich abgeschoben zu werden.

     

    Das ganze Geschäft in der Linken immer auf Lafontaine zu reduzieren ist unter eurem Niveau. Der Mann wird schlicht überschätzt. Meinetwegen könnte die Linke gerne auf ihn verzichten.

  • S
    Spin

    @ulrich scharfenorth, da Sie schrieben, die LINKE "setzt ... auf radikale Formeln, die parteipolitisch unumsetzbar sind", frage ich mich: Auf eine fundamentale Kritik an der europäischen Sozial- und Wirtschaftspolitik? Warum sollte die schlecht sein? Weil sie gerade parteipolitisch nicht möglich sei - was soll das anderes heißen als: bei den anderen nicht opportun? "Europa muss erst einmal sein, bevor man es formen kann." Das stimmt nicht, seit mehr als fünfzig Jahren "wird" dieses Europa, und es hat sich in diesem Prozess zu einem Europa vor allm der Eliten, der Reichen, der Mächtigen geformt. Nun geht es angesichts der Krise darum, die vielen, die sich betrogen und ausgegrenzt fühlen, die zu schlechten Beingungen arbeiten müssen (froh, überhaupt Arbeit zu haben) zu ermutigen, wieder aufzustehen (ohne dabei in die rassistische und standortnationalistische Konkurrenzfalle zu tappen). "Was wir brauchen ist nicht eine frustgesteuerte Absetzbewegung von SPD und Grünen, sondern ein erneutes Zusammenführen aller Kräfte, die grundgesetzkonform zur Wende fähig werden." Zur Wende mit DEN Grünen und DER SPD? Wo bitte sehen Sie denn deren "Absetzbewegung" von Agenda 2010, Hartz 4, der Militarisierung der Außenpolitik, die die Regierung Schröder vorangetrieben hat? Wo kommt denn da die, wie sagt man so schön: Glaubwürdigkeit her? Die deutsche Linkspartei hätte da von der französischen antikapitalistischen NPA um Besancenot noch einiges zu lernen!

  • MS
    M. Stocker

    @Spin: Die journalistischen Methoden Reineckes sind leider ernstzunehmen, so ernst wie die rechte Pitbullpresse insgesamt.

     

    Aber wir werden nicht müde, den Stuss zu analysieren und zu kritisieren. Es ist die momentan schärfste Waffe gegen Gespensterdebatten und Schablonen-Journalismus.

     

    'Fundis', 'Realos', 'Ost-Pragmatiker', 'West-Linke'. Im Zweifel und in der Verzweiflung, nichts, aber auch garnichts aussagekräftiges gefunden zu haben, schleudert man halt mit vermeintlich zuschreibenden Begriffen um sich, und hofft auf ein nachlassendes Gedächtnis bei den Lesern.

    Wars nicht vor geraumer Zeit noch so, dass die Ossies in der PDS als die Hardcore-Stalinisten und Radikalen galten und die Wessis von der WASG als die biederen, sozialdemokratischen und gewerkschaftlichen, leicht frustrierten Harmlosen?

     

    Bei Bedarf kann Reinecke ja immer noch die SED-Vergangenheit wieder ausgraben. Wer seinem pathologischen Hass auf die Linke und Lafontaine freien Lauf lassen will, findet immer etwas. Propaganda hat immer auch etwas beliebiges.

     

    Warum ist eine Mehrheit 'fast realsozialistisch'? Mehrheit ist Mehrheit. Ob sie üppig oder knapp ist. Das ist so in der Demokratie. Das Hineininterpretieren von Grabenkämpfen ist da nicht besonders helle.

     

    Manchmal ist es schon ein Deja-Vue-Erlebnis, was Reinecke da zusammenschreibt. Es erinnert mich an die Berichterstattung der bürgerlichen Presse über die neu gegründeten Grünen. Unfähig, demokratische Entscheidungen zu akzeptieren, unfähig etwas anderes als Diadochenkämpfe hinter den Kulissen zu vermuten, wo einfach nur gestritten wird. Schwankend zwischen der Sympathie für die dem bürgerlichen Politikbetrieb am ehesten zugewandten und der Dämonisierung der Partei. Warum muss nur die Taz, als Zeitung, die angeblich keine Verlegerschreibknechte hält, so einen affektbeladenen uninformativen Mist auf uns Leser auskippen. Die Taz wurde unter anderem dafür gegründet, dieser Art Journalismus etwas entgegenzusetzen.

  • F
    Florian

    Ich habe Tobias Pflüger immer als engagierten Menschen gegen eine immer weitere Militarisierung der EU und für ein ziviles, soziales und demokratisches Europa wargenommen. Er wird durch seine lange, ehrliche Arbeit in der Friedensbewegung auch von vielen unterstützt, die keine Anhänger der Linkspartei sind, er ist eben gerade kein Sprücheklopfer. Das die taz ihn als "Fundi" bezeichnet, zeigt mir nur wie weit sich das Blatt von einer kritischen Bewegung für ein demokratisches und friedliches Europa entfernt hat.

  • KM
    Kaja M.

    Die Rhetorik ist das tägliche Brot des Politikers...wer das vergisst, kann gleich die Kabinettspolitik a'la Bismark loben!

     

    Zur Ablehnung des "Lissabonvertrages" durch die Partei DIE LINKE jenseits von partieller Zustimmung (Kaufmann/Brie) und fundamentaler Ablehnung (Pflüger)sollte sich jeder Bürger fragen, warum die Europäischen Bürger über einen Vertrag mit nahezu Verfassungsrang nicht abstimmen dürfen????????????????????????????????

    Das ist derzeit ein Regieren per Dekret und jenseits von pseudo-demokratisch!

    Wer dem zustimmt, entmündigt und diktiert das sog. Wahlvolk! Mann muss sich entscheiden, ob die EU mehr als nur flexible Arbeiter, schnelle Waren und zollfreien Handel ermöglichen soll oder auch eine politische EU von "freien Bürgern" mit essentieller Mitsprache der "ermächtigenden Unterworfenen"!

    Ein verpflichtendes Volksvotum würde die Sache natürlich in die Länge ziehen und die sog. Europäische Harmonisierung "erschweren"...aber nur so ist ein wirkliches Zusammenwachsen möglich. Nur so kann auch ein wirkliches Interesse für das Europäische Projekt EU seitens der Europäischen Bevölkerung geweckt werden.

     

    "Wer nicht gefragt wird, fühlt sich auch nicht angesprochen!" und verbleibt indifferent bis ignorant...

  • US
    ulrich scharfenorth

    Es ist frustrierend mitanzusehen, wie die Linke inzwischen eine seitenverkehrte Ausgrenzungspolitik ähnlich der der SPD betreibt. Statt die für Durchsetzung einer gerechteren Ordnung die so wichtige Allianz progressiver Kräfte zu stärken, setzt sie auf radikale Formeln, die parteipolitisch unumsetzbar sind. Statt unermüdliche Arbeiter wie Sylvia Ivonne Kaufmann, Andre Brie, Mathias Höhn und Wulf Gallert - als mündige Wissensträger - für die Führungsspitze zu empfehlen, stimmt die Führung das Delegiertenvolk auf Radikalität. Lafontaine votiert zwar vollmundig für Europa, wirft aber seinem Zustandekommen ständig neue Knüppel in den Weg.Europa muss erst einmal sein, bevor man es formen kann. Sein Zustandekommen aber ist nur auf Basis relevanter Schnittmengen (Übereinstimmungen) möglich. Im Ignorieren solcher Sachverhalte manifestiert sich nicht nur eine Fehldeutung der Kräfteverhältnisse im westlichen Poltispektrum, sondern auch die Unfähigkeit zur Schaffung einer schlagkräftigen Bürgerbewegung. Macht die Linke so weiter, dann ist Schwarz-Gelb auf mindestens zwei Legislaturperioden befestigt. Was wir brauchen ist nicht eine frustgesteuerte Absetzbewegung von SPD und Grünen, sondern ein erneutes Zusammenführen aller Kräfte, die grundgesetzkonform zur Wende fähig werden.

    Die gegenwärtige Krise für den Bau eines übergreifenden Bündnisses nicht zu nutzen, wird zur Grundtorheit der Epoche. Das Ansteuern sogenannter "lupenreiner" (und dann auch völlig illusionistischer) Programme widerspricht der Natur und Verschiedenartigkeit des Menschen. Es führt zur Marginalisierung und Zersplitterung der Kräfte. Die Konservativen können da nur in die Hände klatschen.

    Lest mal, was ich zu diesem Thema in meinem Buch "Störfall Zukunft - Schlussfolgerungen für einen neuen Anfang" formuliert habe (Infos auch in www.stoerfall-zukunft.de).

    Ulrich Scharfenorth, Ratingen

  • RK
    René Klug

    "Bisky wurde mit dem fast realsozialistischen Ergebnis von 93,4 Prozent zum Spitzenkandidaten für die Europawahl nominiert."

     

    Liebe taz, es ist bemerkenswert, wie Eure tiefsitzende Antipathie gegen die LINKE Euch das Verfassen von halbwegs objektiven Artikeln und kommentaren erschwert. Zum Vergleich mal die Ergebnisse anderer Politiker in den letzten Jahren:

     

    Merkel im Dezember 2008: 94,83% bei der Wahl zur Vorsitzenden der CDU

    Steinmeier im Oktober 2008: 95% bei der Wahl zum Kanzlerkandidaten der SPD

    Seehofer im Oktober 2008: 90,34% bei der Wahl zum Parteivorsitzenden der CSU

    Westerwelle 2007: 87,6 % bei der Wahl zum Parteivorsitzenden der FDP

     

    Das sieht mir ja wirklich so aus, als herrschten in allen Parteien realsozialistische Verhältnisse. Da müssen wir wirklich was tun. Die Zustimmung zu einzelnen Personen kann doch in einer demokratischen Gesellschaft niemals so hoch sein.

     

    Diese Art von Berichterstattung ist übrigens auch ein Grund, warum ich die taz abbestellt habe. Danke, dass Sie mich wieder mal in meiner Entscheidung bestätigen.

     

    Sanfte Grüße

  • M
    modtiger

    Die TAZ scheint die allgemeine Nomenklatur Ex-PDS=Ostrealo und Ex-WASG=Radikale übernommen zu haben und macht das an dem Lissabon-Vertrag fest. ".. stritt gegen den Lissabon-Vertrag, dem er gleichwohl bescheinigte, mehr Demokratie zu bringen." - die Probleme mit dem EU-Vertrag sind bis heute unverstanden. Wer aufrechnet und positives dem negativen gegenüberstellt wird wie es Bündnis 90/die Grünen getan haben, fast nur positives finden. Doch der Vertrag, der ja einst Verfassung heißen sollte, hat Ewigkeits-Charakter, vieles wird sich nie wieder ändern lassen. Aufrechnen ist daher unsinnig, es gilt den Pferdefuß zu finden, die Fußangel mit der wir ausgetrickst werden. Tatsächlich gibt es in den mehreren hundert Seiten zwei oder drei Paragraphen, die einfach inakzeptabel sind, denen kein Bürger Europas zustimmen kann. Trotzdem macht es Sinn, wenn der Rest des Vertrages gelobt wird.

  • S
    Spin

    Warum dieser antilinke Beißreflex, liebe taz?

    Die böse Radikale "wetterte", während die gute Gemäßigte schön "appelierte", pluralistisch und okay ist wohl immer nur man selbst. Aber im Ernst: Warum sollte nicht gegen den im Neoliberalismus international durchgesezten Klassenkampf von oben agitiert werden? Auch der Ökonom Hufschmid nannte die EU eine durch "Marktfundamentalismus und soziale Polarisierung geprägte Zone neoliberaler Deformierung". Und viele Ossis wie ich (oder, nur zum Beispiel, Sarah Wagenknecht) können da gut mitgehen. Es stimmt also dieser Riss in brave Ossis und verbalradikale Wessis nicht. Und ich will von einer linken Partei nicht, dass sie sich von der CDU links überholen lässt.

  • EB
    eike baumann

    Die Entscheidung des Parteitages war ein fataler Fehler u.damit wurde wiedermal eine historische Chance zum Überleben realistisch links Denkender vertan! Wieso haben diese Linken nicht endlich das Selbstbewußtsein sie selbst zu sein u. müssen sich durch Klugsch... zerstören lassen...

  • A
    anke

    Frage: Was haben Friedrich Küppersbusch und Oskar Lafontaine gemeinsam? Antwort: Beide wissen ganz genau, dass sie die Klügsten und die Schönsten sind und wo es zum Erfolg geht. "Zugreifen!" lautet ihre Empfehlung.

     

    Was Friedrich Küppersbusch sich unter den Nage gerissen hat, verschweigt er dezent. Der Kuckuck Lafontaine hat sich die PDS gegriffen, das sieht man deutlich. Nun ist er dabei, jeden aus dem Nest zu werfen, der ihn beim Wachsen stört. Die Altvögel, Pragmatiker aus Notwehr (wie so viele andere Ossis), bemühen sich redlich, ihr jeder Wahrscheinlichkeiten zum Trotz erbautes Nest in Schuss zu halten und dem Nachwuchs den Schnabel zu stopfen, allein: das Nest ist einfach nicht groß genug für einen, der aus der Art geschlagen ist. Und so kommt zur globalen Finanz- und zur nationalen Wirtschaftskrise demnächst wohl auch noch die Krise der Linkspartei. Wenn schon Ärger, dann richtig! Die Linke hat angesichts der Lage offenbar wieder einmal nichts besseres zu tun, als sich selbst zu kasteien. Chancen? Fur wen?

  • GL
    Georg Litty, Neustadt an der Weinstraße (Abonnent)

    Liebe taz,

     

    Tobias Pflüger hatte seinen Kandidaturverzicht *längst* zurückgenommen. Wie wäre es mal mit etwas Recherche, bevor ihr solche Falschmeldungen verbreitet?

     

    Tobias hat in den letzten Jahren eine großartige linke, friedenspolitische und militarismuskritische Arbeit in Brüssel geleistet. Es liegt m.E. einfach deutlich näher, einen Abgeordneten, der gute Arbeit gemacht hat, wieder aufzustellen, als einen anderen, der vielleicht auch gut wäre, an seine Stelle zu setzen.

    So hat sich erfreulicherweise auch die Linke entschieden.

     

    Schade ist, aus dem selben Grund, daß die Linke auf Sylvia-Yvonne Kaufmann verzichtet hat. Flügel hin, Lager her, ihr hätte ich die Wiederaufstellung gewünscht, auch wenn ich ihre Meinung zum Lissabon-Vertrag nicht teile.

     

    Brie, der sich seit Jahren als Opfer der "bösen Parteilinken" profiliert, hat hingegen nichts anderes verdient als endlich abgeschoben zu werden.

     

    Das ganze Geschäft in der Linken immer auf Lafontaine zu reduzieren ist unter eurem Niveau. Der Mann wird schlicht überschätzt. Meinetwegen könnte die Linke gerne auf ihn verzichten.

  • S
    Spin

    @ulrich scharfenorth, da Sie schrieben, die LINKE "setzt ... auf radikale Formeln, die parteipolitisch unumsetzbar sind", frage ich mich: Auf eine fundamentale Kritik an der europäischen Sozial- und Wirtschaftspolitik? Warum sollte die schlecht sein? Weil sie gerade parteipolitisch nicht möglich sei - was soll das anderes heißen als: bei den anderen nicht opportun? "Europa muss erst einmal sein, bevor man es formen kann." Das stimmt nicht, seit mehr als fünfzig Jahren "wird" dieses Europa, und es hat sich in diesem Prozess zu einem Europa vor allm der Eliten, der Reichen, der Mächtigen geformt. Nun geht es angesichts der Krise darum, die vielen, die sich betrogen und ausgegrenzt fühlen, die zu schlechten Beingungen arbeiten müssen (froh, überhaupt Arbeit zu haben) zu ermutigen, wieder aufzustehen (ohne dabei in die rassistische und standortnationalistische Konkurrenzfalle zu tappen). "Was wir brauchen ist nicht eine frustgesteuerte Absetzbewegung von SPD und Grünen, sondern ein erneutes Zusammenführen aller Kräfte, die grundgesetzkonform zur Wende fähig werden." Zur Wende mit DEN Grünen und DER SPD? Wo bitte sehen Sie denn deren "Absetzbewegung" von Agenda 2010, Hartz 4, der Militarisierung der Außenpolitik, die die Regierung Schröder vorangetrieben hat? Wo kommt denn da die, wie sagt man so schön: Glaubwürdigkeit her? Die deutsche Linkspartei hätte da von der französischen antikapitalistischen NPA um Besancenot noch einiges zu lernen!

  • MS
    M. Stocker

    @Spin: Die journalistischen Methoden Reineckes sind leider ernstzunehmen, so ernst wie die rechte Pitbullpresse insgesamt.

     

    Aber wir werden nicht müde, den Stuss zu analysieren und zu kritisieren. Es ist die momentan schärfste Waffe gegen Gespensterdebatten und Schablonen-Journalismus.

     

    'Fundis', 'Realos', 'Ost-Pragmatiker', 'West-Linke'. Im Zweifel und in der Verzweiflung, nichts, aber auch garnichts aussagekräftiges gefunden zu haben, schleudert man halt mit vermeintlich zuschreibenden Begriffen um sich, und hofft auf ein nachlassendes Gedächtnis bei den Lesern.

    Wars nicht vor geraumer Zeit noch so, dass die Ossies in der PDS als die Hardcore-Stalinisten und Radikalen galten und die Wessis von der WASG als die biederen, sozialdemokratischen und gewerkschaftlichen, leicht frustrierten Harmlosen?

     

    Bei Bedarf kann Reinecke ja immer noch die SED-Vergangenheit wieder ausgraben. Wer seinem pathologischen Hass auf die Linke und Lafontaine freien Lauf lassen will, findet immer etwas. Propaganda hat immer auch etwas beliebiges.

     

    Warum ist eine Mehrheit 'fast realsozialistisch'? Mehrheit ist Mehrheit. Ob sie üppig oder knapp ist. Das ist so in der Demokratie. Das Hineininterpretieren von Grabenkämpfen ist da nicht besonders helle.

     

    Manchmal ist es schon ein Deja-Vue-Erlebnis, was Reinecke da zusammenschreibt. Es erinnert mich an die Berichterstattung der bürgerlichen Presse über die neu gegründeten Grünen. Unfähig, demokratische Entscheidungen zu akzeptieren, unfähig etwas anderes als Diadochenkämpfe hinter den Kulissen zu vermuten, wo einfach nur gestritten wird. Schwankend zwischen der Sympathie für die dem bürgerlichen Politikbetrieb am ehesten zugewandten und der Dämonisierung der Partei. Warum muss nur die Taz, als Zeitung, die angeblich keine Verlegerschreibknechte hält, so einen affektbeladenen uninformativen Mist auf uns Leser auskippen. Die Taz wurde unter anderem dafür gegründet, dieser Art Journalismus etwas entgegenzusetzen.

  • F
    Florian

    Ich habe Tobias Pflüger immer als engagierten Menschen gegen eine immer weitere Militarisierung der EU und für ein ziviles, soziales und demokratisches Europa wargenommen. Er wird durch seine lange, ehrliche Arbeit in der Friedensbewegung auch von vielen unterstützt, die keine Anhänger der Linkspartei sind, er ist eben gerade kein Sprücheklopfer. Das die taz ihn als "Fundi" bezeichnet, zeigt mir nur wie weit sich das Blatt von einer kritischen Bewegung für ein demokratisches und friedliches Europa entfernt hat.

  • KM
    Kaja M.

    Die Rhetorik ist das tägliche Brot des Politikers...wer das vergisst, kann gleich die Kabinettspolitik a'la Bismark loben!

     

    Zur Ablehnung des "Lissabonvertrages" durch die Partei DIE LINKE jenseits von partieller Zustimmung (Kaufmann/Brie) und fundamentaler Ablehnung (Pflüger)sollte sich jeder Bürger fragen, warum die Europäischen Bürger über einen Vertrag mit nahezu Verfassungsrang nicht abstimmen dürfen????????????????????????????????

    Das ist derzeit ein Regieren per Dekret und jenseits von pseudo-demokratisch!

    Wer dem zustimmt, entmündigt und diktiert das sog. Wahlvolk! Mann muss sich entscheiden, ob die EU mehr als nur flexible Arbeiter, schnelle Waren und zollfreien Handel ermöglichen soll oder auch eine politische EU von "freien Bürgern" mit essentieller Mitsprache der "ermächtigenden Unterworfenen"!

    Ein verpflichtendes Volksvotum würde die Sache natürlich in die Länge ziehen und die sog. Europäische Harmonisierung "erschweren"...aber nur so ist ein wirkliches Zusammenwachsen möglich. Nur so kann auch ein wirkliches Interesse für das Europäische Projekt EU seitens der Europäischen Bevölkerung geweckt werden.

     

    "Wer nicht gefragt wird, fühlt sich auch nicht angesprochen!" und verbleibt indifferent bis ignorant...

  • US
    ulrich scharfenorth

    Es ist frustrierend mitanzusehen, wie die Linke inzwischen eine seitenverkehrte Ausgrenzungspolitik ähnlich der der SPD betreibt. Statt die für Durchsetzung einer gerechteren Ordnung die so wichtige Allianz progressiver Kräfte zu stärken, setzt sie auf radikale Formeln, die parteipolitisch unumsetzbar sind. Statt unermüdliche Arbeiter wie Sylvia Ivonne Kaufmann, Andre Brie, Mathias Höhn und Wulf Gallert - als mündige Wissensträger - für die Führungsspitze zu empfehlen, stimmt die Führung das Delegiertenvolk auf Radikalität. Lafontaine votiert zwar vollmundig für Europa, wirft aber seinem Zustandekommen ständig neue Knüppel in den Weg.Europa muss erst einmal sein, bevor man es formen kann. Sein Zustandekommen aber ist nur auf Basis relevanter Schnittmengen (Übereinstimmungen) möglich. Im Ignorieren solcher Sachverhalte manifestiert sich nicht nur eine Fehldeutung der Kräfteverhältnisse im westlichen Poltispektrum, sondern auch die Unfähigkeit zur Schaffung einer schlagkräftigen Bürgerbewegung. Macht die Linke so weiter, dann ist Schwarz-Gelb auf mindestens zwei Legislaturperioden befestigt. Was wir brauchen ist nicht eine frustgesteuerte Absetzbewegung von SPD und Grünen, sondern ein erneutes Zusammenführen aller Kräfte, die grundgesetzkonform zur Wende fähig werden.

    Die gegenwärtige Krise für den Bau eines übergreifenden Bündnisses nicht zu nutzen, wird zur Grundtorheit der Epoche. Das Ansteuern sogenannter "lupenreiner" (und dann auch völlig illusionistischer) Programme widerspricht der Natur und Verschiedenartigkeit des Menschen. Es führt zur Marginalisierung und Zersplitterung der Kräfte. Die Konservativen können da nur in die Hände klatschen.

    Lest mal, was ich zu diesem Thema in meinem Buch "Störfall Zukunft - Schlussfolgerungen für einen neuen Anfang" formuliert habe (Infos auch in www.stoerfall-zukunft.de).

    Ulrich Scharfenorth, Ratingen

  • RK
    René Klug

    "Bisky wurde mit dem fast realsozialistischen Ergebnis von 93,4 Prozent zum Spitzenkandidaten für die Europawahl nominiert."

     

    Liebe taz, es ist bemerkenswert, wie Eure tiefsitzende Antipathie gegen die LINKE Euch das Verfassen von halbwegs objektiven Artikeln und kommentaren erschwert. Zum Vergleich mal die Ergebnisse anderer Politiker in den letzten Jahren:

     

    Merkel im Dezember 2008: 94,83% bei der Wahl zur Vorsitzenden der CDU

    Steinmeier im Oktober 2008: 95% bei der Wahl zum Kanzlerkandidaten der SPD

    Seehofer im Oktober 2008: 90,34% bei der Wahl zum Parteivorsitzenden der CSU

    Westerwelle 2007: 87,6 % bei der Wahl zum Parteivorsitzenden der FDP

     

    Das sieht mir ja wirklich so aus, als herrschten in allen Parteien realsozialistische Verhältnisse. Da müssen wir wirklich was tun. Die Zustimmung zu einzelnen Personen kann doch in einer demokratischen Gesellschaft niemals so hoch sein.

     

    Diese Art von Berichterstattung ist übrigens auch ein Grund, warum ich die taz abbestellt habe. Danke, dass Sie mich wieder mal in meiner Entscheidung bestätigen.

     

    Sanfte Grüße

  • M
    modtiger

    Die TAZ scheint die allgemeine Nomenklatur Ex-PDS=Ostrealo und Ex-WASG=Radikale übernommen zu haben und macht das an dem Lissabon-Vertrag fest. ".. stritt gegen den Lissabon-Vertrag, dem er gleichwohl bescheinigte, mehr Demokratie zu bringen." - die Probleme mit dem EU-Vertrag sind bis heute unverstanden. Wer aufrechnet und positives dem negativen gegenüberstellt wird wie es Bündnis 90/die Grünen getan haben, fast nur positives finden. Doch der Vertrag, der ja einst Verfassung heißen sollte, hat Ewigkeits-Charakter, vieles wird sich nie wieder ändern lassen. Aufrechnen ist daher unsinnig, es gilt den Pferdefuß zu finden, die Fußangel mit der wir ausgetrickst werden. Tatsächlich gibt es in den mehreren hundert Seiten zwei oder drei Paragraphen, die einfach inakzeptabel sind, denen kein Bürger Europas zustimmen kann. Trotzdem macht es Sinn, wenn der Rest des Vertrages gelobt wird.

  • S
    Spin

    Warum dieser antilinke Beißreflex, liebe taz?

    Die böse Radikale "wetterte", während die gute Gemäßigte schön "appelierte", pluralistisch und okay ist wohl immer nur man selbst. Aber im Ernst: Warum sollte nicht gegen den im Neoliberalismus international durchgesezten Klassenkampf von oben agitiert werden? Auch der Ökonom Hufschmid nannte die EU eine durch "Marktfundamentalismus und soziale Polarisierung geprägte Zone neoliberaler Deformierung". Und viele Ossis wie ich (oder, nur zum Beispiel, Sarah Wagenknecht) können da gut mitgehen. Es stimmt also dieser Riss in brave Ossis und verbalradikale Wessis nicht. Und ich will von einer linken Partei nicht, dass sie sich von der CDU links überholen lässt.

  • EB
    eike baumann

    Die Entscheidung des Parteitages war ein fataler Fehler u.damit wurde wiedermal eine historische Chance zum Überleben realistisch links Denkender vertan! Wieso haben diese Linken nicht endlich das Selbstbewußtsein sie selbst zu sein u. müssen sich durch Klugsch... zerstören lassen...

  • A
    anke

    Frage: Was haben Friedrich Küppersbusch und Oskar Lafontaine gemeinsam? Antwort: Beide wissen ganz genau, dass sie die Klügsten und die Schönsten sind und wo es zum Erfolg geht. "Zugreifen!" lautet ihre Empfehlung.

     

    Was Friedrich Küppersbusch sich unter den Nage gerissen hat, verschweigt er dezent. Der Kuckuck Lafontaine hat sich die PDS gegriffen, das sieht man deutlich. Nun ist er dabei, jeden aus dem Nest zu werfen, der ihn beim Wachsen stört. Die Altvögel, Pragmatiker aus Notwehr (wie so viele andere Ossis), bemühen sich redlich, ihr jeder Wahrscheinlichkeiten zum Trotz erbautes Nest in Schuss zu halten und dem Nachwuchs den Schnabel zu stopfen, allein: das Nest ist einfach nicht groß genug für einen, der aus der Art geschlagen ist. Und so kommt zur globalen Finanz- und zur nationalen Wirtschaftskrise demnächst wohl auch noch die Krise der Linkspartei. Wenn schon Ärger, dann richtig! Die Linke hat angesichts der Lage offenbar wieder einmal nichts besseres zu tun, als sich selbst zu kasteien. Chancen? Fur wen?

  • GL
    Georg Litty, Neustadt an der Weinstraße (Abonnent)

    Liebe taz,

     

    Tobias Pflüger hatte seinen Kandidaturverzicht *längst* zurückgenommen. Wie wäre es mal mit etwas Recherche, bevor ihr solche Falschmeldungen verbreitet?

     

    Tobias hat in den letzten Jahren eine großartige linke, friedenspolitische und militarismuskritische Arbeit in Brüssel geleistet. Es liegt m.E. einfach deutlich näher, einen Abgeordneten, der gute Arbeit gemacht hat, wieder aufzustellen, als einen anderen, der vielleicht auch gut wäre, an seine Stelle zu setzen.

    So hat sich erfreulicherweise auch die Linke entschieden.

     

    Schade ist, aus dem selben Grund, daß die Linke auf Sylvia-Yvonne Kaufmann verzichtet hat. Flügel hin, Lager her, ihr hätte ich die Wiederaufstellung gewünscht, auch wenn ich ihre Meinung zum Lissabon-Vertrag nicht teile.

     

    Brie, der sich seit Jahren als Opfer der "bösen Parteilinken" profiliert, hat hingegen nichts anderes verdient als endlich abgeschoben zu werden.

     

    Das ganze Geschäft in der Linken immer auf Lafontaine zu reduzieren ist unter eurem Niveau. Der Mann wird schlicht überschätzt. Meinetwegen könnte die Linke gerne auf ihn verzichten.

  • S
    Spin

    @ulrich scharfenorth, da Sie schrieben, die LINKE "setzt ... auf radikale Formeln, die parteipolitisch unumsetzbar sind", frage ich mich: Auf eine fundamentale Kritik an der europäischen Sozial- und Wirtschaftspolitik? Warum sollte die schlecht sein? Weil sie gerade parteipolitisch nicht möglich sei - was soll das anderes heißen als: bei den anderen nicht opportun? "Europa muss erst einmal sein, bevor man es formen kann." Das stimmt nicht, seit mehr als fünfzig Jahren "wird" dieses Europa, und es hat sich in diesem Prozess zu einem Europa vor allm der Eliten, der Reichen, der Mächtigen geformt. Nun geht es angesichts der Krise darum, die vielen, die sich betrogen und ausgegrenzt fühlen, die zu schlechten Beingungen arbeiten müssen (froh, überhaupt Arbeit zu haben) zu ermutigen, wieder aufzustehen (ohne dabei in die rassistische und standortnationalistische Konkurrenzfalle zu tappen). "Was wir brauchen ist nicht eine frustgesteuerte Absetzbewegung von SPD und Grünen, sondern ein erneutes Zusammenführen aller Kräfte, die grundgesetzkonform zur Wende fähig werden." Zur Wende mit DEN Grünen und DER SPD? Wo bitte sehen Sie denn deren "Absetzbewegung" von Agenda 2010, Hartz 4, der Militarisierung der Außenpolitik, die die Regierung Schröder vorangetrieben hat? Wo kommt denn da die, wie sagt man so schön: Glaubwürdigkeit her? Die deutsche Linkspartei hätte da von der französischen antikapitalistischen NPA um Besancenot noch einiges zu lernen!

  • MS
    M. Stocker

    @Spin: Die journalistischen Methoden Reineckes sind leider ernstzunehmen, so ernst wie die rechte Pitbullpresse insgesamt.

     

    Aber wir werden nicht müde, den Stuss zu analysieren und zu kritisieren. Es ist die momentan schärfste Waffe gegen Gespensterdebatten und Schablonen-Journalismus.

     

    'Fundis', 'Realos', 'Ost-Pragmatiker', 'West-Linke'. Im Zweifel und in der Verzweiflung, nichts, aber auch garnichts aussagekräftiges gefunden zu haben, schleudert man halt mit vermeintlich zuschreibenden Begriffen um sich, und hofft auf ein nachlassendes Gedächtnis bei den Lesern.

    Wars nicht vor geraumer Zeit noch so, dass die Ossies in der PDS als die Hardcore-Stalinisten und Radikalen galten und die Wessis von der WASG als die biederen, sozialdemokratischen und gewerkschaftlichen, leicht frustrierten Harmlosen?

     

    Bei Bedarf kann Reinecke ja immer noch die SED-Vergangenheit wieder ausgraben. Wer seinem pathologischen Hass auf die Linke und Lafontaine freien Lauf lassen will, findet immer etwas. Propaganda hat immer auch etwas beliebiges.

     

    Warum ist eine Mehrheit 'fast realsozialistisch'? Mehrheit ist Mehrheit. Ob sie üppig oder knapp ist. Das ist so in der Demokratie. Das Hineininterpretieren von Grabenkämpfen ist da nicht besonders helle.

     

    Manchmal ist es schon ein Deja-Vue-Erlebnis, was Reinecke da zusammenschreibt. Es erinnert mich an die Berichterstattung der bürgerlichen Presse über die neu gegründeten Grünen. Unfähig, demokratische Entscheidungen zu akzeptieren, unfähig etwas anderes als Diadochenkämpfe hinter den Kulissen zu vermuten, wo einfach nur gestritten wird. Schwankend zwischen der Sympathie für die dem bürgerlichen Politikbetrieb am ehesten zugewandten und der Dämonisierung der Partei. Warum muss nur die Taz, als Zeitung, die angeblich keine Verlegerschreibknechte hält, so einen affektbeladenen uninformativen Mist auf uns Leser auskippen. Die Taz wurde unter anderem dafür gegründet, dieser Art Journalismus etwas entgegenzusetzen.

  • F
    Florian

    Ich habe Tobias Pflüger immer als engagierten Menschen gegen eine immer weitere Militarisierung der EU und für ein ziviles, soziales und demokratisches Europa wargenommen. Er wird durch seine lange, ehrliche Arbeit in der Friedensbewegung auch von vielen unterstützt, die keine Anhänger der Linkspartei sind, er ist eben gerade kein Sprücheklopfer. Das die taz ihn als "Fundi" bezeichnet, zeigt mir nur wie weit sich das Blatt von einer kritischen Bewegung für ein demokratisches und friedliches Europa entfernt hat.

  • KM
    Kaja M.

    Die Rhetorik ist das tägliche Brot des Politikers...wer das vergisst, kann gleich die Kabinettspolitik a'la Bismark loben!

     

    Zur Ablehnung des "Lissabonvertrages" durch die Partei DIE LINKE jenseits von partieller Zustimmung (Kaufmann/Brie) und fundamentaler Ablehnung (Pflüger)sollte sich jeder Bürger fragen, warum die Europäischen Bürger über einen Vertrag mit nahezu Verfassungsrang nicht abstimmen dürfen????????????????????????????????

    Das ist derzeit ein Regieren per Dekret und jenseits von pseudo-demokratisch!

    Wer dem zustimmt, entmündigt und diktiert das sog. Wahlvolk! Mann muss sich entscheiden, ob die EU mehr als nur flexible Arbeiter, schnelle Waren und zollfreien Handel ermöglichen soll oder auch eine politische EU von "freien Bürgern" mit essentieller Mitsprache der "ermächtigenden Unterworfenen"!

    Ein verpflichtendes Volksvotum würde die Sache natürlich in die Länge ziehen und die sog. Europäische Harmonisierung "erschweren"...aber nur so ist ein wirkliches Zusammenwachsen möglich. Nur so kann auch ein wirkliches Interesse für das Europäische Projekt EU seitens der Europäischen Bevölkerung geweckt werden.

     

    "Wer nicht gefragt wird, fühlt sich auch nicht angesprochen!" und verbleibt indifferent bis ignorant...

  • US
    ulrich scharfenorth

    Es ist frustrierend mitanzusehen, wie die Linke inzwischen eine seitenverkehrte Ausgrenzungspolitik ähnlich der der SPD betreibt. Statt die für Durchsetzung einer gerechteren Ordnung die so wichtige Allianz progressiver Kräfte zu stärken, setzt sie auf radikale Formeln, die parteipolitisch unumsetzbar sind. Statt unermüdliche Arbeiter wie Sylvia Ivonne Kaufmann, Andre Brie, Mathias Höhn und Wulf Gallert - als mündige Wissensträger - für die Führungsspitze zu empfehlen, stimmt die Führung das Delegiertenvolk auf Radikalität. Lafontaine votiert zwar vollmundig für Europa, wirft aber seinem Zustandekommen ständig neue Knüppel in den Weg.Europa muss erst einmal sein, bevor man es formen kann. Sein Zustandekommen aber ist nur auf Basis relevanter Schnittmengen (Übereinstimmungen) möglich. Im Ignorieren solcher Sachverhalte manifestiert sich nicht nur eine Fehldeutung der Kräfteverhältnisse im westlichen Poltispektrum, sondern auch die Unfähigkeit zur Schaffung einer schlagkräftigen Bürgerbewegung. Macht die Linke so weiter, dann ist Schwarz-Gelb auf mindestens zwei Legislaturperioden befestigt. Was wir brauchen ist nicht eine frustgesteuerte Absetzbewegung von SPD und Grünen, sondern ein erneutes Zusammenführen aller Kräfte, die grundgesetzkonform zur Wende fähig werden.

    Die gegenwärtige Krise für den Bau eines übergreifenden Bündnisses nicht zu nutzen, wird zur Grundtorheit der Epoche. Das Ansteuern sogenannter "lupenreiner" (und dann auch völlig illusionistischer) Programme widerspricht der Natur und Verschiedenartigkeit des Menschen. Es führt zur Marginalisierung und Zersplitterung der Kräfte. Die Konservativen können da nur in die Hände klatschen.

    Lest mal, was ich zu diesem Thema in meinem Buch "Störfall Zukunft - Schlussfolgerungen für einen neuen Anfang" formuliert habe (Infos auch in www.stoerfall-zukunft.de).

    Ulrich Scharfenorth, Ratingen

  • RK
    René Klug

    "Bisky wurde mit dem fast realsozialistischen Ergebnis von 93,4 Prozent zum Spitzenkandidaten für die Europawahl nominiert."

     

    Liebe taz, es ist bemerkenswert, wie Eure tiefsitzende Antipathie gegen die LINKE Euch das Verfassen von halbwegs objektiven Artikeln und kommentaren erschwert. Zum Vergleich mal die Ergebnisse anderer Politiker in den letzten Jahren:

     

    Merkel im Dezember 2008: 94,83% bei der Wahl zur Vorsitzenden der CDU

    Steinmeier im Oktober 2008: 95% bei der Wahl zum Kanzlerkandidaten der SPD

    Seehofer im Oktober 2008: 90,34% bei der Wahl zum Parteivorsitzenden der CSU

    Westerwelle 2007: 87,6 % bei der Wahl zum Parteivorsitzenden der FDP

     

    Das sieht mir ja wirklich so aus, als herrschten in allen Parteien realsozialistische Verhältnisse. Da müssen wir wirklich was tun. Die Zustimmung zu einzelnen Personen kann doch in einer demokratischen Gesellschaft niemals so hoch sein.

     

    Diese Art von Berichterstattung ist übrigens auch ein Grund, warum ich die taz abbestellt habe. Danke, dass Sie mich wieder mal in meiner Entscheidung bestätigen.

     

    Sanfte Grüße

  • M
    modtiger

    Die TAZ scheint die allgemeine Nomenklatur Ex-PDS=Ostrealo und Ex-WASG=Radikale übernommen zu haben und macht das an dem Lissabon-Vertrag fest. ".. stritt gegen den Lissabon-Vertrag, dem er gleichwohl bescheinigte, mehr Demokratie zu bringen." - die Probleme mit dem EU-Vertrag sind bis heute unverstanden. Wer aufrechnet und positives dem negativen gegenüberstellt wird wie es Bündnis 90/die Grünen getan haben, fast nur positives finden. Doch der Vertrag, der ja einst Verfassung heißen sollte, hat Ewigkeits-Charakter, vieles wird sich nie wieder ändern lassen. Aufrechnen ist daher unsinnig, es gilt den Pferdefuß zu finden, die Fußangel mit der wir ausgetrickst werden. Tatsächlich gibt es in den mehreren hundert Seiten zwei oder drei Paragraphen, die einfach inakzeptabel sind, denen kein Bürger Europas zustimmen kann. Trotzdem macht es Sinn, wenn der Rest des Vertrages gelobt wird.

  • S
    Spin

    Warum dieser antilinke Beißreflex, liebe taz?

    Die böse Radikale "wetterte", während die gute Gemäßigte schön "appelierte", pluralistisch und okay ist wohl immer nur man selbst. Aber im Ernst: Warum sollte nicht gegen den im Neoliberalismus international durchgesezten Klassenkampf von oben agitiert werden? Auch der Ökonom Hufschmid nannte die EU eine durch "Marktfundamentalismus und soziale Polarisierung geprägte Zone neoliberaler Deformierung". Und viele Ossis wie ich (oder, nur zum Beispiel, Sarah Wagenknecht) können da gut mitgehen. Es stimmt also dieser Riss in brave Ossis und verbalradikale Wessis nicht. Und ich will von einer linken Partei nicht, dass sie sich von der CDU links überholen lässt.

  • EB
    eike baumann

    Die Entscheidung des Parteitages war ein fataler Fehler u.damit wurde wiedermal eine historische Chance zum Überleben realistisch links Denkender vertan! Wieso haben diese Linken nicht endlich das Selbstbewußtsein sie selbst zu sein u. müssen sich durch Klugsch... zerstören lassen...

  • A
    anke

    Frage: Was haben Friedrich Küppersbusch und Oskar Lafontaine gemeinsam? Antwort: Beide wissen ganz genau, dass sie die Klügsten und die Schönsten sind und wo es zum Erfolg geht. "Zugreifen!" lautet ihre Empfehlung.

     

    Was Friedrich Küppersbusch sich unter den Nage gerissen hat, verschweigt er dezent. Der Kuckuck Lafontaine hat sich die PDS gegriffen, das sieht man deutlich. Nun ist er dabei, jeden aus dem Nest zu werfen, der ihn beim Wachsen stört. Die Altvögel, Pragmatiker aus Notwehr (wie so viele andere Ossis), bemühen sich redlich, ihr jeder Wahrscheinlichkeiten zum Trotz erbautes Nest in Schuss zu halten und dem Nachwuchs den Schnabel zu stopfen, allein: das Nest ist einfach nicht groß genug für einen, der aus der Art geschlagen ist. Und so kommt zur globalen Finanz- und zur nationalen Wirtschaftskrise demnächst wohl auch noch die Krise der Linkspartei. Wenn schon Ärger, dann richtig! Die Linke hat angesichts der Lage offenbar wieder einmal nichts besseres zu tun, als sich selbst zu kasteien. Chancen? Fur wen?