EU-Parlament will finanzielle Hilfe: 30 Milliarden für Entwicklungsländer
Das Europaparlament fordert in den kommenden Jahren massive finanzielle Hilfen für Klimaschutz und Anpassung an die Erderwärmung im Süden.
STRASSBURG taz Nach den großen Worten der selbst ernannten Vorreiter geht es jetzt ans "Eingemachte": Die Europäische Union gerät immer mehr unter Druck, ihre getroffenen Zusagen beim Klimaschutz von unter anderem einer CO2-Reduktion um 20 Prozent bis 2020 sowie Hilfen für ärmere Länder nun auch finanziell zu untermauern. Das Europäische Parlament ist in dieser Woche in Straßburg schon mal vorgeprescht: In einer Resolution sprachen sich die Abgeordneten für konkrete Zusagen für Entwicklungsländer von 30 Milliarden Euro pro Jahr aus. Dieser Beitrag soll allerdings erst 2020 erreicht werden, könne sich aber je nach Ausmaß des Klimawandels noch erhöhen. Diese Gelder sollten ausdrücklich zusätzlich zu bestehenden Entwicklungshilfen bereitgestellt werden. Greenpeace hatte im Vorfeld 35 Milliarden von der EU gefordert.
Das Geld soll nach den Vorstellungen der Parlamentarier vor allem für "Eindämmungsbemühungen und Anpassungserfordernisse" verwendet werden, also für die Schadensbegrenzung bei Überschwemmungen, Wirbelstürmen oder anderen Folgen des Klimawandels. Darunter fallen aber auch präventive Maßnahmen wie die Wiederaufforstung.
Allerdings: Resolutionen des Parlamentes sind nicht mehr als eine unverbindliche Empfehlung. Und auch die nationalen Regierungen zögern bislang: Sowohl der Umweltministerrat in der vorigen Woche als auch der Ecofin, das Treffen der EU-Finanzminister diesen Dienstag, konnten und wollten sich in diesem Punkt nicht festlegen. Konkret geht es um Gelder für den europäischen Klimaschutz und Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel in den Entwicklungsländern. Von Letzteren fordern die europäischen Regierungen vehement eine aktive Beteiligung an den Klimaschutzzielen. Die Entwicklungsländer sind aber verständlicherweise ohne finanzielle Zusagen nicht bereit, sich an internationalen Verpflichtungen im Rahmen des Nachfolge-Kioto-Abkommens zu beteiligen.
Umweltschutzverbände wie Greenpeace sehen deshalb den Klimagipfel im kommenden Dezember in Kopenhagen gefährdet, wenn sich die Politik noch länger ziert. Ihrer Ansicht nach steht die Union bei diesen Ländern in einer "historischen Schuld".
Das Parlament kritisiert in seiner Resolution außerdem den "ungenauen Hinweis" hinsichtlich der Gelder, die nötig sind, um die eigenen europäischen Klimaziele zu erfüllen. Dem im Dezember von den Staats- und Regierungschefs festgezurrten Klimapaket müssten nun finanzielle Zusagen aus den Mitgliedstaaten folgen. Zudem kritisiert das Parlament nicht zu Unrecht, dass einige Mitgliedstaaten noch weit von ihrem jeweiligen Kioto-Ziel für diese Periode bis 2012 entfernt seien.
Einen großen Teil der Gelder wollen die Parlamentarier aus den Einnahmen der Versteigerungen von Emissionszertifikaten nehmen. Die Resolution weist aber auch eindeutig darauf hin, dass mehr als 50 Prozent der zu reduzierenden Emissionen in Bereichen entstehen, die gegenwärtig nicht unter den Emissionshandel fallen. Es müssten also noch weitere Wirtschaftssektoren in den Handel aufgenommen werden. Nachgedacht wurde dabei bisher vor allem an den Flugverkehr. Dennoch bleibt unklar, ob diese Einnahmen aus den Auktionen ausreichen werden. Zudem kratzt das derzeitige Zögern am Image der EU. Es ist schließlich nicht sehr glaubwürdig, von den Entwicklungsländern Verpflichtungen zu erwarten, die man selbst noch nicht einmal erfüllt hat und für die man keine Gelder zugesagten will.
Umweltschützer hoffen nun, dass die Staats- und Regierungschefs auf den EU-Gipfel in der kommenden Woche einen neuen Anlauf nehmen. Umweltminister Sigmar Gabriel hatte jedoch aber angedeutet, dass es konkrete Zusagen erst in Kopenhagen geben könnte.
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