EU-Milch für Entwicklungsländer: Dumping-Exporte in arme Staaten
Die neuen Exportsubventionen der EU für Milch gibt es auch für Ausfuhren in Entwicklungsländer. Dabei hatte Deutschlands Agrarministerin Aigner dies verhindern wollen.
Die deutsche Agrarministerin Ilse Aigner hatte Milchbauern aus armen Staaten ein Versprechen gegeben: Auch wenn die Europäische Union wieder mit Hilfe von Exportsubventionen Milch zu Dumpingpreisen auf den Weltmarkt schüttet, sagte die CSU-Politikerin Mitte Januar im Deutschlandfunk: "Wir werden nicht in die Entwicklungsländer liefern". Wenige Tage später wurden die ersten Beihilfen bewilligt und nun stellt sich heraus: Die EU schickt ihre Billigmilchprodukte doch auch in Entwicklungsstaaten.
Viele Milchbauern dort befürchten, dass vor allem arme Bevölkerungsschichten jetzt auf die einheimischen Produkte verzichten und das günstigere Milchpulver aus Europa kaufen. Das würde die Landwirtschaft und damit Ernährungssicherheit dieser Staaten schwächen. Die EU will mit den Zuschüssen für Exporte von Milchprodukten ihren eigenen Bauern helfen, die unter einem heftigen Preisverfall leiden.
Wieviel genau in welche Länder geliefert wird, ist unklar. "Aber Magermilchpulver geht vor allem nach Algerien, Indonesien und Ägypten", sagte EU-Kommissionssprecher Michael Mann am Freitag der taz. Bei Käse gehöre die Dominikanische Republik zu den größten Abnehmern. Alle vier Länder sind nach Definition der Industrienationen-Organisation OECD Entwicklungsstaaten.
Aigner lässt erklären, sie habe in dem Radiointerview nur die am wenigsten entwickelten Länder (Least Developed Countries, LDCs) gemeint - eine Untergruppe der Entwicklungsstaaten, zu denen etwa Ägypten nicht gehört. Deutschland habe in Brüssel den Subventionen nur unter der Bedingung zugestimmt, dass die LDCs von den Lieferungen ausgenommen sind, sagte Sprecherin Ulrike Kardenbach. Sie habe keine Anhaltspunkte, dass Exporte in solche Staaten gegangen sein.
"Die Ausfuhr ist in fast alle Länder möglich", erklärt dagegen Kommissionssprecher Mann. Das hat die EU in einer Liste mit Staaten festgelegt, in die keine subventionierten Exporte gehen dürfen. Darauf steht kein einziges LDC. Dem Kommissionssprecher ist wichtig, dass es nur um geringe Mengen gehe: Bei der ersten Vergabe vergangene Woche habe die EU zum Beispiel nur 2.300 Tonnen Butter bezuschusst.
Armin Paasch, Handelsexperte der Menschenrechtsorganisation Fian, überzeugt das nicht. Die meisten Milchmärkte in Afrika seien klein, sagt Paasch. "Deshalb können schon kleine Mengen die Bauern vor Ort in Bedrängnis bringen." Seine Forderung: "Aigner muss das ganze Gewicht der Bundesregierung in die Waagschale werfen, damit alle Entwicklungsländer von den Subventionen ausgenommen werden."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Repression gegen die linke Szene
Angst als politisches Kalkül