EU-Kommissar bei der Grünen Woche: Bloß nicht zu viel fordern!
EU-Landwirtschaftskommissar Dacian Ciolos warnt vor zu viel Rücksicht auf die Natur. Wer nicht durchsetzbare Ökoauflagen will, könnte am Ende alles verlieren.
BERLIN taz | EU-Landwirtschaftskommissar Dacian Ciolos hat Umweltschützer davor gewarnt, zu hohe Forderungen an die Reform der jährlich rund 60 Milliarden Euro Agrarsubventionen zu stellen.
Damit konterte er zum Auftakt der weltgrößten Branchenmesse Grüne Woche am Freitag in Berlin die Kritik daran, dass er von den Bauern verlangen will, nur auf mindestens 7 Prozent ihrer Flächen der Natur Vorrang einzuräumen. Wissenschaftler empfehlen aber in der laufenden Diskussion über die EU-Agrarpolitik ab 2014, für Hecken, Wälder und Brachen etwa 10 Prozent der Fläche zu reservieren.
Mit der geplanten Vorschrift will Ciolos das Artensterben verlangsamen, das maßgeblich von der Landwirtschaft verursacht wird. In Deutschland nutzt sie mehr als die Hälfte des Bodens. Zudem ist die Branche laut Umweltbundesamt für rund 13 Prozent der Treibhausgase verantwortlich.
"Wenn wir jetzt noch ein paar Prozent hinzufügen, werden wir am Ende nichts haben", sagte Ciolos unter Bezug auf die Umweltanforderungen, die er den Bauern auferlegen will. Damit spielte er darauf an, dass etwa die deutsche Agrarministerin Ilse Aigner (CSU) und die großen Bauernverbände bereits die 7 Prozent ökologische Vorrangflächen heftig kritisieren.
Gleichzeitig mahnte der Kommissar die Aktivisten zur Geduld. Die gemeinsame Agrarpolitik der 27 EU-Staaten sei "wie ein Elefant". "Wie wollen Sie einen Elefanten schnell voranbringen? Wenn sie ihm etwas unter die Nase halten, dann wird er sich bewegen."
Sehr energisch reagierte Ciolos auf Vorwürfe, auch er wolle der Agrarindustrie dabei helfen, ihre Exporte zu steigern – obwohl diese zum Teil Kleinbauern in Entwicklungsländern ruinierten und so in den Hunger trieben. Es reiche nicht, immer die EU und die USA zu kritisieren. "Sie brauchen eine Agrarpolitik in Ihrer Region. Sie müssen sich organisieren", rief Ciolos einem Bauern aus Ghana zu, der für den Niedergang von Teilen der Landwirtschaft seiner Heimat Importe verantwortlich machte.
Zudem erklärte der Kommissar, die Europäer sollten vor allem besonders hochwertige Produkte exportieren. Damit meinen Kommissionsbeamte meist zum Beispiel Weine, teure Käsesorten oder andere kulinarische Spezialitäten. Denn diese Produkte, so das Argument, würden Kleinbauern etwa in Afrika kaum gefährlich werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen