EU-Gipfel in Brüssel: Mit Schirm und ohne Charme
Die EU kommt Theresa May kaum entgegen. Reichen dürfte das für sie nicht. Bei den Euroreformen gab es beim Gipfeltreffen hingegen einen kleinen Durchbruch.
Auf die Finanzkrise ab 2008 war Europa völlig unvorbereitet. Banken, Unternehmen und ganze Staaten gerieten in die Abwärtsspirale. Nur in höchster Not – und mit Milliardenkrediten der Europartner und des Internationalen Währungsfonds IWF – wurde etwa Griechenland vor der Staatspleite bewahrt.
Bundeskanzlerin Angela Merkel zufolge soll das Eurozonen-Budget die Wettbewerbsfähigkeit stärken und zur wirtschaftlichen Angleichung der EU-Staaten beitragen. „Wichtig für uns ist, dass es eine umfassende Reform ist.“
Die EU-Staats- und Regierungschefs beauftragten die Fachminister, die konkreten Änderungen im ESM-Vertrag 2019 auszuarbeiten. Der ESM soll künftig nicht erst in äußerster Not, sondern schon früher einschreiten können. Außerdem soll er Hilfsprogramme stärker selbst managen. Der ESM soll ferner bei Bankenpleiten zum Einsatz kommen und – frühestens ab 2020 – den Bankenabwicklungsfonds SRF verstärken. Damit künftig keine Steuergelder mehr für Bankenrettungen gebraucht werden, zahlen Banken in den Fonds derzeit schrittweise selbst ein.
In der Gipfelerklärung ist zudem festgehalten, dass die Minister sich bis Juni 2019 auf eine gemeinsame Linie und Einzelheiten zum Eurozonen-Haushalt verständigen sollen. Auch Länder, die dem Euro-Beitritt nahe sind, sollen sich daran beteiligen können.
Der französische Präsident Emmanuel Macron zeigte sich über die Einigung erfreut: „Die Etappe, die heute genommen wurde, ist das Ergebnis eines wichtigen Kompromisses.“ Noch vor einem Jahr hätten viele die Einrichtung eines Eurozonen-Budgets als unmöglich bezeichnet. Macron hatte im September 2017 seine europapolitischen Pläne präsentiert – zentrales Element war ein milliardenschweres Eurozonen-Budget außerhalb des EU-Haushalts. EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker kritisierte das Reformpaket als unzureichend.
May muss weiter warten
Keine weiteren Kompromisse stellten die EU-Länder der britischen Premierministerin Theresa May beim Brexit in Aussicht. Die EU habe bereits versucht, die Sorgen Großbritanniens aufzunehmen, sagte Merkel. May erwartet nach dem EU-Gipfel hingegen weitere Zusicherungen. Sie muss für den mit der EU ausgehandelten Brexit-Vertrag im Januar eine Mehrheit im britischen Parlament finden.
In dieser Woche hatte sie das Parlamentsvotum mangels absehbarer Mehrheit noch verschoben. Großbritannien wird die Staatengemeinschaft voraussichtlich am 29. März 2019 verlassen. Ohne Vertrag könnte dies zu chaotischen Zuständen führen.
Am heftigsten ist der Widerstand bei den Brexit-Hardlinern gegen den sogenannten Backstop. Dies ist die von der EU verlangte Garantie, dass zwischen dem EU-Staat Irland und dem britischen Nordirland keine neue feste Grenze mit Schlagbäumen und Kontrollen entsteht.
Keine neuen Beschlüsse in der Asylpolitik
Vom Brexit überlagert wurden die Beratungen zur Migration und zur Beeinflussung von Wahlen durch Falschnachrichten. Juncker griff den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban scharf an. „Wenn Herr Orban beispielsweise sagt, dass ich für den Brexit verantwortlich und schuldig bin – Fake News. Wenn er sagt, dass Migranten für den Brexit verantwortlich sind – Fake News.“ Zuvor hatten die EU-Spitzen mit Blick auf die Europawahl im Mai 2019 vor der Einflussnahme durch systematisch verbreitete Falschnachrichten gewarnt.
Im Dauerstreit um die europäische Asylpolitik ging es beim EU-Gipfel gar nicht voran. Die Staats- und Regierungschefs betonten zwar, weiter auf den Schutz der Außengrenzen und die Zusammenarbeit mit Drittstaaten setzen zu wollen. Allerdings ist der Ausbau der EU-Grenzschutzagentur Frontex zuletzt deutlich ins Stocken geraten. Auf neue Beschlüsse einigten sich die EU-Spitzen nicht.
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