EU-Agrarminister stellen sich quer: Doch keine Chlor-Hühner für Europa
Die Mehrheit der EU-Staaten lehnt die Aufhebung des Importverbots für US-Geflügel ab - auch wenn der Verzehr gechlorten Geflügels als unbedenklich gilt.
BERLIN/BRÜSSEL taz Da war Günter Verheugen wohl zu optimistisch: Vergangene Woche hatte der EU-Industriekommissar den US-Amerikanern in Aussicht gestellt, dass das Geflügelembargo bald fallen könnte. Seit 1997 dürfen keine Hühner aus den USA in Europa verkauft werden. Denn ihr Fleisch wird mit Chlor behandelt. Das tötet zwar gefährliche Keime ab - in der EU hält man davon aber wenig. Das wird auch so bleiben, anders als Verheugen dachte: Der Großteil der Landwirtschaftsminister - darunter jene Deutschlands, Österreichs und Frankreichs - sagen nämlich "nein" zu seinem Plan.
"Die Amerikaner können machen, was sie wollen, aber man ist nicht verpflichtet, die gleichen Nahrungsmittelgewohnheiten anzunehmen", erklärte der französische Landwirtschaftsminister Michel Barnier nach dem EU-Agrarministerrat in Brüssel. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit geht zwar davon aus, dass Menschen bedenkenlos Hähnchen essen können, auch wenn sie mit Chlor desinfiziert wurden. Restunsicherheit scheint aber unter den Politikern geblieben zu sein. Vom österreichischen Landwirtschafsminister Josef Pröll etwa hieß es, "eine chemische Dekontamination von Geflügelfleisch entspreche nicht den Erwartungen der Konsumenten." Auch Gesundheitskommissarin Androulla Vassiliou meinte, würde das Embargo fallen, müsste ja den europäischen Produzenten ebenfalls erlaubt werden, mit Chlor zu desinfizieren. Die europäische Geflügellobby dürfte jedenfalls ihren Teil dazu beigetragen haben, dass die US-Hühner bleiben, wo sie sind: nämlich in den USA.
Mit dem Vorstoß versuchte der Industriekommissar den USA entgegenzukommen: Im Juni wollen die USA und EU den weiteren Abbau von Handelshemmnissen beschließen. "Nun könnte die Bereitschaft der Amerikaner entsprechend reduziert sein, uns in dem einen oder anderen Punkt ein Zugeständnis zu machen", meint Renate Ohr, Ökonomin an der Uni Göttingen. Der Streit ums Huhn werde den geplanten Ausbau der Handelsbeziehungen aber nicht zurückwerfen - und schon gar zum Stillstand bringen.
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