EU-Afrika-Gipfeltreffen in Libyen: Gaddafi lädt zum Gipfel

Egal ob es um Fragen der Sicherheit, Migration oder Freihandel geht: Das EU-Afrika-Treffen wird vor allem von Streit geprägt sein. Selbst die Einladungspolitik sorgt für Konflikte.

Muammar al Gaddafi sorgt gern für Streit. Zur Zeit fordert er von der EU 5 Milliarden Euro als Gegenleistung für Libyens Flüchtlingsabwehr. Bild: reuters

Für einen Gipfel, der die vor drei Jahren mit großem Pomp lancierte europäisch-afrikanische Partnerschaft erneuern soll, kommt der EU-Afrika-Gipfel am 29. und 30. November in Libyen erstaunlich diskret daher. Auf der Tagesordnung steht engere Zusammenarbeit, aber in der Vorbereitung dominieren Streitthemen: Migration, Freihandel und der Präsident von Sudan.

Gegen Sudans Staatschef Omar Hassan al-Bashir gilt ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs wegen mutmaßlicher Verantwortung für Völkermord in Darfur, und deswegen wollen die Europäer keinesfalls zusammen mit ihm gesehen werden. "Wenn Bashir kommt, gehen wir", heißt es. Offiziell gibt man sich zuversichtlich, dass es so weit nicht kommt. Aber falls es Libyens Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi auf einen Eklat ankommen lassen will, zum Beispiel um europäische Zugeständnisse bei anderen Themen zu forcieren, braucht er bloß Bashir zu holen. Eingeladen wurde der Sudanese bereits im Juli vom libyschen Sondergesandten Mohamed Sayyala.

Beispiellos wäre ein solcher Eklat nicht. Im Juni musste Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy den ursprünglich in Ägypten geplanten franko-afrikanischen Gipfel nach Frankreich verlagern, weil Ägyptens Präsident Husni Mubarak sich geweigert hatte, Bashir auszuladen. Im August reiste Bashir nach Kenia zur Feier des Inkrafttretens einer neuen Verfassung, zum Ärger der Europäer. Daraufhin sprachen die 19 Mitgliedsstaaten des weitgehend von Europa finanzierten Handelsblocks Comesa des östlichen und südlichen Afrika Kenia ihre Solidarität aus.

Sollte der Gipfel ohne diese Missstimmung verlaufen, wird das Thema Freihandel die beiden Kontinente entzweien. Die EU verhandelt seit Jahren mit vier afrikanischen und pazifischen Wirtschaftsblöcken über Freihandelsabkommen (Economic Partnership Agreements, EPAs), aber Ende Oktober dieses Jahres stellten die zuständigen Minister der EU-Mitgliedstaaten und des AKP-Blocks, der die ehemaligen europäischen Kolonien in Afrika, in der Karibik und im Pazifik vereint, fest, die Verhandlungen seien festgefahren.

Am 10. November erklärten sie, der EU-Afrika-Gipfel in Libyen solle die Blockade lösen. Aber die Differenzen sind alt, kompliziert, vielfältig und sehr technisch. Die EU verlangt eine 80-prozentige Öffnung der afrikanischen Märkte für europäische Produkte. Westafrika will höchstens 70 Prozent zugestehen, um die Überschwemmung westafrikanischer Länder mit europäischer Überschussproduktion zu begrenzen. Und die AKP sagt, die Zahl von 80 Prozent sei eine einseitige europäische Auslegung einer Zielvorgabe der Welthandelsorganisation WTO.

Streitthema Freihandel

Während die EU sich mit Afrika und den anderen AKP-Staaten uneins bleibt, unterzeichnet sie parallel dazu Freihandelsabkommen mit direkten Konkurrenten der ärmsten Länder auf den Weltmärkten: Türkei, Südkorea, Peru, Kolumbien. Mit einzelnen afrikanischen Ländern bestehen inzwischen ebenfalls unterschiedliche Teilabkommen. Die Elfenbeinküste hat als einziges Land Westafrikas ein provisorisches Freihandelsabkommen mit der EU geschlossen, das Dienstleistungen ausklammert.

Ghana hat ein ähnliches Abkommen paraphiert. Nigeria sieht im geplanten gegenseitigen Freihandel mit Europa eine Verschlechterung gegenüber der bisherigen Lage, während die anderen Länder der Region alle zur Gruppe der ärmsten Staaten der Welt gehören und daher besondere Schutzklauseln genießen. Durch all dies, sagt AKP-Generalsekretär Mohamed Ibn Chambas, hintertreibe Europa in der Praxis die afrikanische Integration, die sie offiziell favorisiert und für deren Förderung Gipfel wie der in Libyen da sind.

Die offizielle Gipfelagenda dürfte demgegenüber in den Hintergrund treten. Die EU will Bilanz des EU-Afrika-Partnerschaftsabkommens ziehen, das 2007 bei einem Gipfel in Lissabon geschlossen wurde, und einen neuen Aktionsplan verabschieden lassen. Der letzte Aktionsplan von 2007 war ehrgeizig, aber seine Umsetzung beschränkte sich bisher auf die Einsetzung von Arbeitsgruppen. Wenn es ein Gebiet gibt, in dem Europa in Afrika seine Aktivitäten gerne ausbauen will, ist es der Aufbau afrikanischer Infrastruktur zwecks Ankurbelung des afrikanischen Wirtschaftswachstums und Binnenhandels.

Auf den Kapverden vor der westafrikanischen Atlantikküste soll demnächst der Bau eines Windparks beginnen, dessen Kosten von 65 Millionen Euro knapp zur Hälfte von der Europäischen Investitionsbank getragen werden. Staudämme mit einem Potential von insgesamt 10.000 Megawatt sind mit europäischem Geld in Afrika in Planung - fünfmal mehr als die Leistung des derzeit größten afrikanischen Staudamms, Cahora Bassa in Mosambik. EU-Entwicklungskommissar Andris Piebalgs will nun ein Programm zum weiteren Ausbau erneuerbarer Energien in Afrika sowie des sehr lückenhaften Strom- und Straßennetzes des Kontinents. Effektivere Partnerschaft heißt auch, afrikanische Kleinbauern zu fördern.

Dauerthema Sicherheit

All diese Themen treten in der Realität aber ständig hinter der Thematik von Sicherheit und Konfliktlösung zurück. Es gibt keine Entwicklung ohne Frieden, und daher bezahlt die EU seit mehreren Jahren afrikanische Friedenstruppen - allein im Jahr 2009 300 Millionen Euro für die African Peace Facility, die AU-Missionen in Somalia, Sudan und der Zentralafrikanischen Republik bis 2011 finanziert.

Weil diese Friedenstruppen bisher nicht wirklich Frieden bringen, soll nun der politische Dialog über Sicherheitsthemen intensiviert werden. Das soll auch die Findung einer gemeinsamen europäisch-afrikanischen Position zum Klimawandel erleichtern - der EU-Afrika-Gipfel beginnt parallel zum Weltklimagipfel im mexikanischen Cancún - und eine Annäherung zum heiklen Streitpunkt Migration ermöglichen, bei dem die EU der Meinung ist, dass einzelne europäische Regierungen die Einwanderung nicht ausreichend als Chance betrachten.

Die EU favorisiert die Förderung sogenannter "zirkulärer" Migration, bei der Afrikaner zu Ausbildungszwecken eine begrenzte Zeit in Europa verbringen dürfen und dann als Fachkräfte wieder nach Hause gehen. Mehr Zusammenarbeit zwischen Forschungsinstituten in Europa und Afrika wünscht sich die EU ebenfalls, dazu verstärkte Förderung von Demokratie, Menschenrechten und guter Regierungsführung. All dies sollen zentrale Elemente des neuen Aktionsplans sein, der in Libyen verabschiedet werden soll. Auch hier darf man sich auf Gastgeber al-Gaddafi verlassen, die geruhsamen Diskussionen aufzumischen. Er hat die EU aufgefordert, Libyen jedes Jahr 5 Milliarden Euro als Gegenleistung dafür zu zahlen, dass er die illegale Migration Richtung Europa abwehrt.

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