ERNEUT IST EIN DEUTSCHER SOLDAT IN AFGHANISTAN GETÖTET WORDEN : Aufbauhilfe statt Militärpräsenz
Die Wahrscheinlichkeit, dass in Afghanistan Soldaten bei Anschlägen sterben, könnte in Zukunft steigen. Nicht nur die Bundeswehr schickt mehr Personal an den Hindukusch. Auch die Nato wird ihre Truppen in Afghanistan um mehrere tausend Mann verstärken. Damit setzt die internationale Gemeinschaft ein falsches Signal: Das sozial und ökonomisch darnieder liegende Land braucht keine zusätzlichen Soldaten, sondern mehr zivile Aufbauhilfe.
Fünfzehn Jahre werde die Bundeswehr sich auf ein Bleiben in Afghanistan einrichten müssen, sagte unlängst ein ranghoher Vertreter der deutschen Streitkräfte. Anschläge wie der gestrige gehören inzwischen zum Alltag. Sie unterstreichen die Möglichkeit von Terroristen, unverändert eine Politik der Nadelstiche gegen die neuen Verhältnisse zu führen. Zwar droht – entgegen manch sensationslüsternem Medienbericht – kein politischer Umsturz durch die Taliban. Trotzdem sympathisieren Menschen gerade in den paschtunischen Provinzen des Südostens mit den Aufständischen. Diese schöpfen Kraft und gegebenenfalls Zulauf aus groben Schnitzern der Koalitionskräfte. Zuletzt verbrannten US-Soldaten in Unkenntnis des Islam die Leichen zweier mutmaßlicher Taliban.
Die Afghanen sind von US-Militärs ein grobes Vorgehen gewöhnt; der Kredit der Amerikaner schwindet. Von den internationalen Schutztruppen erwarten sie mehr Sicherheit für die Zivilbevölkerung. Auf dem Land wird zwischen Spezial- und Schutztruppen nicht immer unterschieden; die Menschen wüssten gern genau, wie lange die ausländische Präsenz noch nötig ist.
Dabei ist es eine Mär, dass die Isaf „die Afghanen“ schützt. Ihr Auftrag ist der Schutz der eigenen und der neuen afghanischen Institutionen. Dazu gehört das neu gewählte Parlament, in dem viele Abgeordnete mit Verbindungen zu bewaffneten Gruppen sitzen. Diese rasch zu entwaffnen muss das erste Ziel der Schutztruppe sein. Es würde sowohl der Isaf Pluspunkte bringen als auch der Regierung Karsai, die die Betrugsvorwürfe bei der Wahl Kredit gekostet haben. MARTIN GERNER