ENERGIE: Rotoren zu Flugschneisen
In Oldenburg soll in einem Schutzgebiet ein Windpark entstehen. Bis vor Kurzem waren die Grünen dafür. Doch jetzt sind sie dagegen wegen der dort lebenden Wildgänse.
OLDENBURG taz | Als Grünen-Politiker hat man es manchmal wirklich nicht leicht: Windkraftanlagen sind gut, Baumaßnahmen in einem Landschaftsschutzgebiet eher böse. Und wenn beides zusammenkommt, gibt es Gewissenskonflikte. Die bekommen Oldenburger Grüne derzeit zu spüren: Sie kündigten an, die Errichtung eines Windparks auf dem Stadtgebiet vorerst auf Eis legen zu wollen - und ernten dafür Unverständnis, Spott und Häme. "Grüne drehen Windräder zurück", schreibt die örtliche Nordwest-Zeitung.
Seit 2009 plant die selbsternannte "Übermorgenstadt" Oldenburg die Errichtung von vier, möglicherweise auch fünf Windkraftanlagen auf einer der wenigen freien Flächen auf städtischem Gebiet, den sogenannten Bornhorster Wiesen, direkt an der A 29 gelegen. Ein Gutachten hatte dieses Areal, auf dem Kiebitze, Fledermäuse und Blessgänse leben, als das am besten geeignete ausgewiesen - allerdings müsste für den Bau der Landschaftsschutz teilweise aufgehoben werden. Im Vorjahr hat der Rat ein entsprechendes Verfahren auf den Weg gebracht. Mit Unterstützung der Grünen.
Schließlich habe es sich bei dem gewählten Standort um den "am wenigsten schädlichen" gehandelt, sagt Kurt Bernhardt, damaliger Fraktionsvorsitzender im Rat der Stadt. Umweltschützer und Ornithologen protestieren dennoch gegen den Bau der 150 Meter hohen Anlagen, bislang ohne nennenswerten Erfolg. Und der Stadtverband des Nabu hatte die Anlagen prinzipiell begrüßt, seine Zustimmung allerdings von recht hohen Hürden abhängig gemacht. Ein Spagat, der seinen Grund darin haben dürfte, dass der Ortsvorsitzende auch grüner Ratsherr war.
Im Kommunalwahlkampf 2011 hatte die Partei noch auf großformatigen Plakaten mit Windrädern geworben, weshalb die CDU - die es in der Stadt in den vergangenen Jahren eher schwer hatte, politisch zu punkten - die jetzige Entscheidung der Grünen-Basis genüsslich als "Wahlbetrug" angeprangert. Denn wer in Oldenburg an Windräder denkt, denkt angesichts der jahrelangen Diskussion beinahe automatisch an die Bornhorster Wiesen; insofern war dieses Plakatmotiv "sicher missverständlich", räumt Grünen-Sprecherin Alexandra Reith ein. Die damalige Entscheidung sei falsch gewesen, weil sie auf "zu wenig Fachkenntnissen" beruht habe, sagt Reith: "Die Entscheidung wurde eher aus dem Bauch heraus getroffen." Nun gäbe es zusätzliche Bedenken, die zu berücksichtigen seien: Die notwendigen Abstände der Windräder zu angrenzenden Schutzgebieten etwa würden nicht eingehalten, die angedachten Vogelschutzmaßnahmen gingen nicht weit genug, der Streuflug der Wildgänse, deren Aufkommen auf dem Bornhorster Wiesen laut Gutachten "nationale Bedeutung" zukommt, sei problematischer als bekannt. Letztlich, sagt Reith, müsse die Stadt auch gar keinen eigenen Windpark haben, im Umland stünden weitaus mehr und unproblematischere Flächen bereit.
Das sieht nicht nur der Partner SPD anders. Aus einer schwammigen Formulierung im gemeinsamen Positionspapier der beiden Fraktionen lässt sich ein Bekenntnis für den Windpark herauslesen - oder eben auch nicht. Die SPD jedenfalls hält weiter an den Plänen zum Bau von vier Windrädern fest. "Wir haben darüber gesprochen, wir sind unterschiedlicher Meinung und wir werden dann eben verschieden abstimmen", sagte SPD-Fraktionschef Bernd Bischoff am Montag.
Wenn es denn irgendwann tatsächlich zu einer Abstimmung kommt, heißt das. Und dann hätten die Sozialdemokraten laut Bischoff auch kein Problem damit, den Windpark zusammen mit der CDU gegen ihren Partner durchzudrücken.
Grüne, die sich von Christdemokraten einen ungewollten Windpark vor die Nase setzen lassen müssen - es klingt wie ein Treppenwitz, und entsprechend liest sich die Leserbriefseite in der Lokalzeitung. Für Reith eine einseitige Sichtweise: "Wir bekommen schließlich auch viele positive Briefe, von Leuten, die uns fragen: Warum habt ihr nicht schon damals so entschieden?"
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