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Archiv-Artikel

ENDLICH MERKT AUCH SCHILY: EIN NPD-VERBOTSVERFAHREN BRINGT NICHTS Spitzeln ja, verbieten nein

Inzwischen scheint es auch Innenminister Otto Schily eingesehen zu haben. Ein Parteiverbots-Verfahren gegen die NPD macht nur Sinn, wenn auch die Landesinnenminister mitziehen. Mit einem Alleingang würde sich der Bund nur erneut eine blutige Nase beim Bundesverfassungsgericht holen. Schily hat diese Erkenntnis gestern am richtigen Ort geäußert, bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts. Denn letztlich geht es um die Alternative „Spitzeln oder Verbieten“.

Karlsruhe hatte im Frühjahr 2003 das Verbotsverfahren vor allem deshalb abgebrochen, weil Bund und Länder auch nach seinem Beginn weiter NPD-Vorstandsmitglieder als V-Männer bezahlten und abschöpften. So könne kein faires Verfahren geführt werden, stellte Karlsruhe zu Recht fest. Als es im Februar bei der Innenministerkonferenz zum Schwur kam, ließen die Landesinnenminister Schily im Regen stehen. Kein einziges Land war bereit, seine Spitzel abzuschalten, um ein neues Verbotsverfahren zu ermöglichen.

Man könnte nun höhnen, dies entspreche durchaus der Apparatelogik. Der Verfassungsschutz hat sich eben auch in der NPD gemütlich eingerichtet. Würde die Partei verboten, müsste er erst mühsam ein neues Spitzelnetz in den Nachfolgeorganisationen aufbauen. Wichtiger ist aber der gesellschaftliche Gleichmut, mit der diese Entwicklung hingenommen wird. Die Frage „Verbot oder nicht“ gilt mittlerweile nur noch als parteipolitisches Geplänkel. Und dieser Gleichmut ist berechtigt. Die NPD ist eine dumme, oft widerliche Partei mit menschenfeindlichen Konzepten, aber von ihr als Partei gehen derzeit weder Gewalttaten noch sonstige schwere Verbrechen aus. Auch der gestrige Verfassungsschutzbericht hat hier nichts Neues ergeben.

Solange das so ist, genügt die Beobachtung einer Partei völlig. Auf ein in einer Demokratie zweifelhaftes Verbot kann verzichtet werden. Sollte die NPD doch noch in eine terroristische Vereinigung umschlagen, dann könnte auch – das hat Karlsruhe ausdrücklich festgestellt – während des Verbotsverfahrens weiter gespitzelt werden. Die Verfassungsrichter sind nämlich nicht so weltfremd, wie Schily sie gerne darstellt. CHRISTIAN RATH